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BFH-Urteil vom 20.2.1980 (II R 90/77) BStBl. 1980 II S. 414

1. Sind mehrere Vermögensanfälle gemäß § 13 ErbStG 1959 zusammenzurechnen, so ist für die Entscheidung der Frage, ob die Hälfte oder ein Viertel der jeweils auf den Mehrfacherwerb entfallenden Steuer gemäß § 21 ErbStG 1959 unerhoben bleibt, jeweils der Zeitpunkt des einzelnen Vermögensanfalles maßgebend.

2. Der insgesamt auf die Mehrfacherwerbe entfallende Steuerbetrag ist für die Bestimmung der Teilbeträge, von denen jeweils die Hälfte bzw. ein Viertel unerhoben bleibt, nach dem Verhältnis der unterschiedlich begünstigten Mehrfacherwerbe (vor Abzug des Freibetrages) aufzuteilen.

ErbStG 1959 §§ 13, 21.

Sachverhalt

Nach den Angaben in der Schenkungsteuererklärung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wurden ihm von seiner Mutter unentgeltlich übertragen

a) am 15. April 1955 ein Kapitalanteil an einer KG im steuerlichen Wert von 30.118 DM,

b) am 15. Dezember 1958 20.000 DM durch Schuldübernahme,

c) am 20. Januar 1961 ein weiterer Kapitalanteil an der KG im steuerlichen Wert von 112.500 DM.

Die Beteiligung an der KG war am 19. Februar 1955 im Erbwege auf die Mutter des Klägers übergegangen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte durch vorläufigen Steuerbescheid gegen den Kläger wegen der drei Schenkungen eine Erbschaftsteuer in Höhe von 4.971,50 DM fest. Das FA ging dabei von den vom Kläger erklärten Werten aus und zog von der ermittelten Erbschaftsteuer in Höhe von 6.630 DM gemäß § 21 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 wegen Mehrfacherwerbes einen Betrag von 1.658,50 DM ab, so daß die festgesetzten 4.971,50 DM verblieben.

Der Einspruch des Klägers hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Durch Einspruchsentscheidung setzte das FA die Erbschaftsteuer auf vorläufig 5.031,25 DM fest. Als Wert der Schenkung vom 20. Januar 1961 setzte es nur noch einen Betrag von 107.415 DM an. Die drei durch den Bescheid erfaßten Schenkungen setzte es danach mit 157.533 DM an und setzte den Freibetrag von 30.000 DM ab, so daß ein steuerpflichtiger Vermögensanfall von 127.533 DM verblieb. Dieser führte zu einer Steuer von 6.375 DM. Den Kürzungsbetrag gemäß § 21 ErbStG 1959 ermäßigte das FA von 1.658,50 DM auf 1.343,75 DM, weil nicht der gesamte Erwerb zu dem begünstigten Vermögen gehöre.

Mit seiner auf Herabsetzung der Erbschaftsteuer auf 4.368,75 DM gerichteten Klage machte der Kläger weiterhin geltend, daß die auf den Erwerb vom 15. April 1955 zu entrichtende Erbschaftsteuer gemäß § 21 ErbStG zur Hälfte und nicht nur zu einem Viertel unerhoben bleiben müsse.

Das FA stellte den Antrag auf Herabsetzung der Erbschaftsteuer auf 4.883,26 DM.

Das Finanzgericht (FG) hat die Erbschaftsteuer auf 4.857,80 DM herabgesetzt.

§ 13 ErbStG 1959 sei vom FA richtig angewendet worden. Das FA sei berechtigt gewesen, die drei Erwerbsfälle in einem Bescheid zusammenzufassen. Da die Vorerwerbe nicht einer eigenen Steuerfestsetzung unterworfen worden seien, komme ein Abzug der Steuer für die Vorerwerbe nicht in Betracht.

Gemäß § 21 ErbStG 1959 bleibe die Steuer auf den Erwerb vom 15. April 1955 und auf 97.315 DM des Erwerbes vom 20. Januar 1961 zu einem Viertel unerhoben. Im übrigen bestehe keine Identität mit dem durch die Mutter des Klägers ererbten Vermögen. Auf das begünstigte Vermögen von 127.433 DM (30.118 DM + 97.315 DM) abzüglich des anteiligen früheren Freibetrages von 6.057 DM (= 121.376 DM) entfalle nach der Formel

6.375 DM x 121.376 DM

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      127.500 DM

 eine anteilige Steuer von 6.068,80 DM. Unerhoben bleibe ein Viertel = 1.517,20 DM, so daß eine Steuer von 4.857, 80 DM (6.375 DM - 1.517,20 DM) festzusetzen sei.

Der Erwerb vom 15. April 1955 liege zwar innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren seit dem Erbanfall an die Mutter des Klägers. Gleichwohl komme nicht die Hälfte der auf den Erwerb vom 15. April 1955 entfallenden Erbschaftsteuer zum Abzug. Abzustellen sei auf die letzte Zuwendung i. S. des § 13 ErbStG 1959.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision hat der Kläger die Herabsetzung der Erbschaftsteuer auf 4.445,30 DM, hilfsweise auf 4.499,73 DM beantragt.

Das FA hat beantragt, die Steuer auf 4.661,80 DM festzusetzen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Ausmaß des Hilfsantrags begründet. Die Erbschaftsteuer wird in Abänderung des vorläufigen Steuerbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung auf 4.499,20 DM festgesetzt.

1. Der angefochtene Steuerbescheid ist ein zusammengefaßter Steuerbescheid für die drei Schenkungsfälle. Es war nicht fehlerhaft, die Steuer für die drei Schenkungsfälle in einem Bescheid erstmalig festzusetzen. Es gibt keine Vorschrift, die die Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Steuerbescheid untersagt, solange ersichtlich ist, welche Steuerfälle im einzelnen zusammengefaßt werden (vgl. den Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Juli 1978 II B 50/77, BFHE 125, 312, BStBl II 1978, 542). Aus dem für das finanzgerichtliche Verfahren geltenden § 73 der Finanzgerichtsordnung (FGO) über die Verbindung von Verfahren muß gefolgert werden, daß mangels abweichender Bestimmungen auch die Verbindung verschiedener Steuerfestsetzungsverfahren zulässig ist. Das gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als durch § 13 ErbStG 1959 eine Berücksichtigung früherer Erwerbe bei der Steuerfestsetzung hinsichtlich eines späteren Erwerbs vorgeschrieben ist.

Da die Erbschaftsteuer für alle drei Erwerbsfälle im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen vorläufigen Steuerbescheids noch nicht verjährt war, macht auch der Gesichtspunkt der Verjährung die Zusammenfassung der drei Erwerbsfälle in einem Bescheid nicht unzulässig.

Angesichts der Tatsache, daß es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen zusammengefaßten Bescheid und nicht um einen Bescheid handelt, durch den unter Berücksichtigung früherer Erwerbe lediglich der Erwerbsfall vom 20. Januar 1961 erfaßt wird, kommt der Abzug der für die früheren Erwerbe zu zahlenden Steuer nicht in Betracht. Dies hat das FG zu Recht festgestellt.

2. Der Senat folgt dagegen nicht der Auffassung des FG, daß auch der durch § 21 ErbStG 1959 begünstigte Erwerb vom 15. April 1955 so zu beurteilen sei, als sei er erst am 20. Januar 1961 erfolgt, und daß deshalb nur ein Viertel der auf diesen Erwerb entfallenden Steuer abzuziehen sei.

Trotz des § 13 ErbStG 1959 bleiben die einzelnen Erwerbe selbständige Erwerbe. Durch diese Vorschrift soll lediglich sichergestellt werden, daß innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums Freibeträge nur einmal gewährt werden und sich gegenüber einem einheitlichen Erwerb kein Progressionsvorteil ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1967 II 72/63, BFHE 91, 104, 114 f., BStBl II 1968, 239). Die Selbständigkeit der einzelnen Erwerbe zeigt sich vor allem beim Überschreiten des Zehnjahreszeitraums. Dann fallen bisher einbezogene frühere Erwerbe aus der Zusammenrechnung heraus, neue Erwerbe werden einbezogen (vgl. hierzu im einzelnen das BFH-Urteil vom 17. November 1977 II R 66/68, BFHE 124, 216, BStBl II 1978, 220). Deshalb muß es auch im Rahmen des § 13 ErbStG 1959 dabei bleiben, für jeden einzelnen Erwerb das Ausmaß der Steuerermäßigung gemäß § 21 ErbStG 1959 zu bestimmen.

Der Kläger könnte allerdings mit seiner Revision nicht durchdringen, wenn der Freibetrag von 30.000 DM allein dem ersten Erwerb, dem Erwerb vom 15. April 1955, zuzuordnen und danach das Verhältnis der durch § 21 ErbStG 1959 unterschiedlich begünstigten Erwerbe zu bestimmen wäre. Denn dann verbliebe wegen der Kleinbetragsregelung des § 17 der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) keine auf den Erwerb vom 15. April 1955 entfallende Erbschaftsteuer, die zur Hälfte unerhoben bleiben könnte. Der Senat ist jedoch der Auffassung, aus dem Grundsatz des § 13 ErbStG 1959, wonach ein Freibetrag während des Zehnjahreszeitraumes nur einmal zu gewähren ist, ergibt sich, daß der Freibetrag für die verschiedenen zusammengefaßten Erwerbe im Ergebnis anteilig gewährt wird. Daraus folgt weiter, daß das Verhältnis der Steuerermäßigung von 50 v. H. zu der Ermäßigung von 25 v. H. dem Verhältnis des Erwerbes vom 15. April 1955 (30.118 DM) zu dem begünstigten Teil des Erwerbes vom 20. Januar 1961 (97.315 DM) entsprechen muß. Von dem vom FG richtig errechneten, insgesamt auf das begünstigte Vermögen entfallenden Steuerbetrag von 6.068,80 DM entfallen demgemäß 1.434,32 DM auf die Schenkung vom 15. April 1955 und 4.634,48 DM auf den begünstigten Teil der Schenkung vom 20. Januar 1961. Unerhoben bleibt die Hälfte von 1.434,32 DM = 717,16 DM und ein Viertel von 4.634,48 DM = 1.158,62 DM, zusammen 1.875,78 DM. Durch Abzug dieses Betrages von der nach § 13 ErbStG 1959 errechneten Steuer von 6.375 DM ergibt sich eine festzusetzende Steuer von abgerundet 4.499,20 DM (vgl. die Abrundungsverordnung vom 31. Oktober 1923, RGBl I, 1049, i. d. F. vom 21. Dezember 1923, RGBl I, 1238).