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BFH-Urteil vom 2.5.1980 (III R 15/78) BStBl. 1980 II S. 490

1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 BewG als Grundvermögen bewertet werden kann.

2. Die Ausnahmevorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG greift nicht Platz, wenn zwischen der Hofstelle und der landwirtschaftlich genutzten Fläche eine Entfernung von 190 m besteht und die dazwischen liegenden Flächen in fremdem Eigentum stehen. Es fehlt dann an dem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang.

BewG 1974 § 69 Abs. 3.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines rd. 20 ha großen Anwesens. Streitig ist, ob die zu dem Anwesen gehörende, als Wiesen- und Hopfengarten benutzte Grundstücks-FlurNr. X mit 8.690 m2 wenigstens teilweise gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) als Grundvermögen bewertet werden kann.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging davon aus, daß die im südlichen Teil der Grundstücks-FlurNr. X unmittelbar an einer Straße liegenden Bauparzellen A-D mit insgesamt 3.960 m2 zum Grundvermögen zu rechnen seien. Durch Nachfeststellungsbescheid vom 30. März 1977 stellte es den Einheitswert zum 1. Januar 1974 unter Zugrundelegung eines Quadratmeterpreises von 13 DM auf 51.400 DM fest.

Der Einspruch blieb erfolglos. Auch das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die Voraussetzungen für eine Bewertung als Grundvermögen gegeben seien und wies die Klage als unbegründet ab.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der sich die Klägerin erneut gegen die Bewertung dieser Grundstücksfläche als Grundvermögen wendet. Sie hält die Voraussetzung des § 69 Abs. 1 BewG nicht für gegeben, da nach Lage des Grundstücks, der Verwertungsmöglichkeiten oder der sonstigen Umstände nicht anzunehmen sei, daß diese Fläche in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen Zwecken, insbesondere als Bauland, dienen werde. Sie habe sich dagegen gewandt, daß diese Grundstücksfläche in den Bebauungsplan der Gemeinde aufgenommen worden sei. Wie schon bisher, so macht die Klägerin auch im Revisionsverfahren geltend, daß das Grundstück auf ihren Antrag hin aus dem Bebauungsplan zunächst ausgeklammert sei und deshalb auch nicht nach § 69 Abs. 3 Satz 1 BewG als Grundvermögen bewertet werden könne. Schließlich greife die Ausnahmebestimmung des § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG ein, da die Hofstelle und das landwirtschaftlich genutzte Grundstück nur 190 m voneinander entfernt seien und damit der unmittelbare räumliche Zusammenhang gegeben sei. Es müsse auch die Siedlungsstruktur der Gemeinde berücksichtigt werden, wonach die ortsnahen Äcker in keinem Fall unmittelbar mit dem Hofgrundstück verbunden seien. Bei dem streitigen Ackergrundstück handle es sich um eine Sonderkultur, die zu ihrer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung unmittelbar in der Nähe des Hofgrundstücks der Klägerin gelegen sei und auch gelegen sein müsse. Auch müsse berücksichtigt werden, daß die Klägerin nicht die Absicht habe, die landwirtschaftliche Nutzung in absehbarer Zeit aufzugeben, da die Bewirtschaftung dieser Fläche betriebsnotwendig sei.

Das FA beantragt Zurückverweisung der Revision. Es ist der Auffassung, daß die Voraussetzungen gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 BewG für eine Bewertung als Grundvermögen erfüllt seien.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 BewG in der ab 1. Januar 1974 geltenden Fassung (s. Art. 2 Nr. 12b und Nr. 30 des Vermögensteuerreformgesetzes vom 17. April 1974 - VStRG -, BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233, 242) sind Flächen grundsätzlich dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn sie

a) in einem Bebauungsplan als Bauland festgesetzt sind,

b) ihre sofortige Bebaubarkeit möglich ist,

c) die Bebauung innerhalb des Plangebietes in benachbarten Bereichen begonnen hat oder schon durchgeführt ist.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

Zu a) Nach den Feststellungen des FG sind die hier streitigen Flächen im rechtskräftigen und genehmigten Bebauungsplan der Gemeinde als Bauland ausgewiesen. Der Einwand der Klägerin, ihr Grundstück sei aus dem Bebauungsplan ausgenommen, ist nicht zutreffend. Wie sich aus dem Schreiben der Gemeinde vom 5. August 1966 ergibt, hat die Gemeinde lediglich die Zahlung der Erschließungsbeiträge gem. § 135 Abs. 4 des Bundesbaugesetzes (BBauG) gestundet, solange das Grundstück landwirtschaftlich genutzt wird. Daraus ergibt sich eindeutig, daß das Grundstück weiterhin im Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen ist.

Zu b) Der Bebauung standen am 1. Januar 1974 weder rechtliche noch tatsächliche Hinderungsgründe entgegen. Nach den Feststellungen des FG, die insoweit von der Klägerin nicht bestritten werden und deshalb gem. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den Senat bindend sind, war die Bauparzelle D am 1. Januar 1974 voll erschlossen. Die ausgebaute ... Straße führte zu diesem Zeitpunkt bis an die Bauparzelle heran. Die Kanalisation und Stromversorgungsanlagen waren bis zur Grundstücksgrenze verlegt. Auch hinsichtlich der anderen drei Bauparzellen war eine sofortige Bebauung möglich. Das ergibt sich daraus, daß ein Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes bereits dann zulässig ist, wenn die Erschließung gesichert ist (vgl. § 30 BBauG). Diese Voraussetzung ist auch dann gegeben, wenn die Erschließungsanlagen spätestens bis zur Fertigstellung der zu erschließenden baulichen Anlagen benutzbar sind (vgl. Heitzer/Österreicher, Kommentar zum Bundesbaugesetz, 4. Aufl., Anm. 2 zu § 30, Anm. 5 zu § 123 BBauG). An den drei Bauparzellen führte in Verlängerung der ... Straße ein öffentlicher Feld- und Waldweg vorbei, der am 1. Januar 1974 befahrbar war und den Anliegern der anschließenden Grundstücke als Zufahrtsweg diente. Auch diese Bauparzellen konnten somit sofort bebaut werden. Hierfür ist ausreichend, wenn die Fläche über feste Wege erreichbar und die Bebauung unter Einsatz von modernen Maschinen möglich ist (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 69 BewG Anm. 28). Die Kanalisation und die Anlagen für die Elektroversorgung, die bis zur Parzelle D verlegt waren, hätten ohne weiteres während der Durchführung eines Bauvorhabens erstellt werden können. Der subjektive Wille der Klägerin, auch die Bauparzellen weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

Zu c) Auch die dritte Voraussetzung ist erfüllt, da die Bebauung innerhalb des Plangebietes im benachbarten Bereich einige Zeit vor dem Nachfeststellungszeitpunkt begonnen hatte. Diese Feststellung des FG wird von der Klägerin nicht bestritten.

2. Die Ausnahmevorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG ist nicht erfüllt, da die hier streitige Grundstücksfläche nicht unmittelbar an die Hofstelle anschließt. Nach den Feststellungen des FG, die sich auf eine örtliche Besichtigung durch den Berichterstatter stützen, liegen zwischen der Hofstelle und der streitigen Grundstücksfläche die ... Gasse, ein ebenfalls an der ... Gasse liegendes Nachbaranwesen und einige Äcker, die Nachbarn gehören. Diese räumliche Trennung durch im fremden Eigentum stehende Grundstücke und öffentliche Wege schließen die Anwendung des § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG aus, der ausdrücklich einen unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zwischen der Grundstücksfläche und der Hofstelle verlangt (vgl. hierzu die Ausführungen bei Gürsching/Stenger, a. a. O., § 69 BewG Anm. 34c). Das FG hat hierzu zutreffend ausgeführt, daß nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Bundestags-Drucksache 7/78, 32 und Bundestags-Drucksache VI/3418, 101 zu Nr. 20) die frühere zugunsten der Landwirtschaft geschaffene Schutzvorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG aus planungs- und bodenpolitischen Gründen im Interesse der verstärkten Mobilität des Grund und Bodens eingeschränkt werden sollte. Ein Vorschlag des Bundesrats, zugunsten der Landwirtschaft die zu schützende Fläche innerhalb des Baugebiets auf 3 ha zu erweitern, wurde ausdrücklich abgelehnt, weil dies den Zielsetzungen der Bebauungspläne entgegenstände (Bundestags-Drucksache 7/1389, 7 Nr. 20). Daraus hat das FG zu Recht gefolgert, daß für die Anwendung des § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang bestehen müsse, der jedoch im Streitfall dadurch unterbrochen ist, daß zwischen der Hofstelle und den Bauparzellen ein bebautes Grundstück und im Eigentum von Dritten stehende Ackerflächen liegen (vgl. hierzu Gürsching/Stenger, a. a. O., § 69 BewG, Anm. 34c).

Nach alledem ergibt sich, daß die Revision unbegründet ist.