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BFH-Urteil vom 16.4.1980 (II R 141/77) BStBl. 1980 II S. 525

Der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG 1940 ist nicht auf Vorgänge beschränkt, die (auch) nach § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 der Grunderwerbsteuer unterliegen würden (Ergänzung zum Urteil vom 10. Juli 1974 II R 89/68, BFHE 113, 474, BStBl II 1974, 86).

GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7, Abs. 2; GrEStG-Berlin § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7, Abs. 2.

Sachverhalt

Am 7. Mai 1968 wurde für ein Trenngrundstück notariell ein Kaufvertragsangebot beurkundet, nach dessen Inhalt der Veräußerer dieses Grundstück an eine von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) noch zu bezeichnende Anzahl von Personen verkaufte. Das Kaufangebot war bis 1. August 1968 befristet. Zur Sicherung des vereinbarten Gesamtkaufpreises übernahm die Klägerin für die von ihr zu benennenden Käufer die selbstschuldnerische Bürgschaft, die ihrerseits durch eine Bankbürgschaft abgesichert war. Die Klägerin wurde bevollmächtigt, die Auflassung der Grundstücksmiteigentumsanteile an die noch zu bezeichnenden Käufer namens des Veräußerers zu erklären. In der Zeit vom 28. Juni bis 29. Juli 1968 benannte die Klägerin 110 Personen als Erwerber des Grundstücks zu bestimmten Tausendstelmiteigentumsanteilen. Am 9. September 1968 schloß die Klägerin dann als Bevollmächtigte der 110 Bewerber mit einer KG neben einem Verwaltervertrag einen Bauerrichtungsvertrag (Betreuungsvertrag) über das auf dem Grundstück noch zu errichtende Gebäude. An dieser KG, die vom Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH vertreten wurde, war die Klägerin zu dieser Zeit als alleinige Kommanditistin mit einer Einlage von 320.000 DM beteiligt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in der Benennung der einzelnen Erwerber eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Berlin der Grunderwerbsteuer unterliegende Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot durch die Klägerin an die einzelnen Erwerber und setzte mit Bescheid vom 20. November 1973 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 1.876 DM fest (Einheitswert 26.800 DM).

Mit der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides. Wenn auch in den Kaufpreisen der einzelnen Erwerber überschiessende Beträge enthalten gewesen seien, so habe sie trotzdem für ihre Vermittlungstätigkeit keine Vergütung gefordert und erhalten, weil diese Beträge zur Deckung weiterer Grundstückerwerbskosten gedient hätten. Die Geschäfte mit den einzelnen Erwerbern seien darauf gerichtet gewesen, die Baubetreuung und Verwaltung vorzubereiten. Daraus erwachsende Vorteile seien der Gesellschaft, und zwar nur durch die Ausführung der übernommenen Arbeiten, zugute gekommen.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Es rügt Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Der Grunderwerbsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet, und nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG die Abtretung selbst, wenn ihr kein solches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. Wie der Senat bereits im Urteil vom 10. Juli 1974 II R 89/68 (BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86) ausgeführt hat, dienen die Vorschriften der Erfassung von Zwischengeschäften, die den Veräußerer binden; sie betreffen grundsätzlich auch solche Vorgänge, bei denen einer Person im Zusammenhang mit einem bindenden Kaufvertragsangebot lediglich das Benennungsrecht bezüglich des Annehmenden gewährt wird, wenn das Angebot von dem Benannten angenommen worden ist. Denn auch ein derartiges Benennungsrecht kann dem Berechtigten den Handel mit Kaufangeboten im weitesten Sinne ermöglichen.

Allerdings hat der Senat in dem o. a. Urteil weiter ausgeführt, es sei nicht vertretbar, § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG ohne Rücksicht auf § 1 Abs. 2 GrEStG auszulegen. Soweit der Senat daraus gefolgert hat, die Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG scheide aus, wenn trotz Vorliegens der übrigen Voraussetzungen feststehe, daß eine Grundstücksverwertung für eigene Rechnung und damit ein Handel mit Kaufvertragsangeboten nicht in Betracht komme, hat er damit nicht, wie das FG offenbar angenommen hat, die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG auf diejenigen Vorgänge beschränkt, die (auch) nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen würden. Denn damit würde der Wirkungsbereich der Vorschrift auf Null reduziert. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift waren nur diejenigen Vorgänge auszuscheiden, die weder einen vermiedenen Zwischenerwerb ersetzen, der entsprechend dem gewollten wirtschaftlichen Entgelt geboten gewesen wäre, noch einer Verwertung des Kaufvertragsangebotes dienen, die den eigenen wirtschaftlichen Interessen des Benennungsberechtigten nützt. Verfolgt aber der Benennungsberechtigte eigene wirtschaftliche Interessen, und sei es auch nur durch Ausnützung der sonst dem Veräußerer gegebenen Möglichkeit, den jeweilig benannten Angebotsempfänger und Annehmenden zum Abschluß weiterer Verträge zu bestimmen, so ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nrn. 6, 7 GrEStG erfüllt.

Das das FA die Steuer aus dem Einheitswert festgesetzt hat und eine Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht kommt, kann unerörtert bleiben, ob das FG zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen auch des § 1 Abs. 2 GrEStG verneint hat.