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BFH-Beschluß vom 24.4.1980 (V S 14/79) BStBl. 1980 II S. 541

Fällt der Besteller eines Werkes vor dessen Fertigstellung in Konkurs und lehnt der Konkursverwalter die weitere Erfüllung des Werkvertrages ab, so beschränkt sich der Leistungsaustausch zwischen Werkunternehmer und Besteller auf den vom Werkunternehmer gelieferten Teil des Werkes, der gemäß § 26 KO nicht mehr zurückgefordert werden kann. Die Gegenleistung ist grundsätzlich nach den Vertragspreisen des ursprünglichen Werkvertrages zu bestimmen.

UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1; KO §§ 17, 26.

Sachverhalt

Die Klägerin hatte gemäß Verträgen aus dem Jahre 1970 von ihr hergestellte Fassadenkonstruktionen, Sonnenschutzeinrichtungen und Klimageräte im Rahmen eines Großbauvorhabens der Bestellerin zu montieren. Das Auftragsvolumen belief sich (einschließlich von Nachaufträgen) auf rd. 16,6 Millionen DM (einschließlich Umsatzsteuer). Auf Grund vertraglicher Vereinbarung sollten die sich auf verschiedene Gebäude des Bauvorhabens erstreckenden Werklieferungen nach Fertigstellung einheitlich abgenommen werden. In der Schlußabrechnung war der Werklohn ohne Umsatzsteuer in Ansatz zu bringen. Die auf diesen Nettobetrag entfallende Umsatzsteuer sollte von der Bestellerin zu demjenigen Zeitpunkt gezahlt werden, zu dem die Klägerin diese Steuer gemäß den gesetzlichen Bestimmungen an das Finanzamt zu entrichten hatte.

Bevor die Klägerin ihre vertraglich geschuldeten Leistungen voll erbringen konnte, geriet die Bestellerin in Zahlungsschwierigkeiten. Auf Antrag eines Gläubigers wurde für das Grundstück der Bestellerin, auf dem das Bauvorhaben verwirklicht wurde, gemäß § 15 des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) das Zwangsversteigerungsverfahren angeordnet. Die Beschlagnahme gemäß § 20 ZVG wurde im April 1974 wirksam. Wegen einstweiliger Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens gemäß § 77 ZVG kam es erst im Jahre 1977 zur Zwangsversteigerung des Grundstücks.

Bereits im Mai 1974 war über das Vermögen der Bestellerin das Konkursverfahren eröffnet worden. Am Tage der Konkurseröffnung entließ der Konkursverwalter das der Bestellerin gehörige Grundstück aus der Konkursmasse (§§ 4, 46 der Konkursordnung - KO -). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin Leistungen von rd. 13,1 Millionen DM auf den Nettoauftragswert von 15,1 Millionen DM erbracht und hierauf Anzahlungen in Höhe von 9.840.152 DM erhalten. Sie meldete zur Konkurstabelle eine offene Gesamtforderung von 8.210.543 DM an, die sich aus dem Differenzbetrag zwischen Auftragssume und Abschlagzahlungen (exklusive Umsatzsteuer) und Schadensersatzansprüchen zusammensetzt. Der Konkursverwalter hat den Betrag von 4.157.271 DM anerkannt.

Mit Schreiben vom 17. September 1974 hat der Konkursverwalter gegenüber der Klägerin die weitere Erfüllung des mit der Bestellerin (Gemeinschuldnerin) geschlossenen Werkvertrages gemäß § 17 KO abgelehnt. Eine Abnahme der bis dahin erbrachten (unvollständigen) Leistungen lehnte er deswegen und wegen der Entlassung des Grundstücks aus der Konkursmasse ab.

Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1976, bei der diese Feststellungen getroffen wurden, vertrat das Finanzamt (Beklagter) die Auffassung, mit der Ablehnung weiterer Vertragserfüllung durch den Konkursverwalter gemäß § 17 KO sei an die Stelle der Vertragserfüllung ein Abrechnungsverhältnis getreten. Die Bestellerin müsse das noch nicht fertiggestellte Werk als teilweise Vertragserfüllung anerkennen und vergüten. In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht habe die Klägerin eine sich auf das nicht vollendete Werk beschränkte Werklieferung bewirkt. Das Entgelt (einschließlich Umsatzsteuer) für diese Leistung sei in Höhe der Anzahlungen von 9.840.152 DM anzusetzen. Mit einer Erhöhung dieses Entgeltes um die vom Konkursverwalter anerkannten Beträge in Höhe von 4.157.271 DM sei im Hinblick auf die Entlassung des Grundstücks aus der Konkursmasse nicht zu rechnen. Als Nettoentgelt ermittelte das Finanzamt demgemäß den Betrag von 8.864.993 DM mit einer darauf entfallenden Umsatzsteuer von 975.149 DM. Durch den berichtigten, gemäß § 225 der Reichsabgabenordnung (AO a. F.) erlassenen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1974 vom 11. Juni 1976 hat das Finanzamt die Klägerin auch hinsichtlich dieses Betrages zur Umsatzsteuer herangezogen.

Die Klägerin vertritt demgegenüber den Standpunkt, sie habe wegen des Konkurses der Bestellerin keine Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) erbracht, insbesondere am unvollständigen Werk der Bestellerin keine Verfügungsmacht verschafft. Die ihr zugeflossenen Beträge seien als Schadensersatz zu beurteilen.

Die dementsprechend auf Herabsetzung der Umsatzsteuerschuld 1974 um den Betrag von 975.149 DM gerichtete Klage hat das Finanzgericht abgewiesen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Zugleich hat sie beim Bundesfinanzhof als dem Gericht der Hauptsache beantragt, die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 1974 vom 11. Juni 1976 in Höhe des Betrages von 975.149 DM gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag der Klägerin ist abzulehnen, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuerbescheides 1974 bestehen, welche die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheides im begehrten Umfang rechtfertigen würden. Die Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, daß das Finanzamt zutreffend eine entgeltliche Leistung - und zwar in Gestalt der Werklieferung des im Zeitpunkt der Konkurseröffnung vorhandenen Werkes - bejaht hat.

Der Bundesfinanzhof hat in Abschn. I Nr. 3 seines Urteils vom 2. Februar 1978 V R 128/76 (BFHE 125, 314, BStBl II 1978, 483) zu den Rechtswirkungen einer nach § 17 KO abgegebenen und auf Ablehnung weiterer Vertragserfüllung gerichteten Erklärung des Konkursverwalters in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem konkursrechtlichen Schrifttum erkannt, daß mit dieser Erklärung der bestehende Werkvertrag in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt wird. Die jeweiligen beiderseitigen Erfüllungsansprüche sind vom Zeitpunkt des Zugehens der Erklärung an endgültig, auch über die Beendigung des Konkursverfahrens hinaus, erloschen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 1977 VII ZR 85/76, BGHZ 68, 379; Jaeger/Lent, Konkursordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 17 Anm. 41 f.; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 17 Rdnr. 36; alle mit weiteren Nachweisen).

Diese Rechtswirkungen kann der Konkursverwalter jeder Vertragspartei eines zweiseitigen Vertrages herbeiführen; sie sind somit bei Werkverträgen mit der entsprechenden Erklärung des Konkursverwalters entweder des Werkunternehmers (Werkunternehmer-Konkurs) oder des Bestellers (Besteller-Konkurs) verbunden (vgl. Jaeger/Lent, a.a.O., § 17 Anm. 30 ff.; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 17 Rdnr. 1). In den beiden Fällen des Werkunternehmer- und des Besteller-Konkurses findet der durch die Erfüllungsablehnung des Konkursverwalters begründete Schadensersatzanspruch des anderen Vertragsteils seinen Rechtsgrund weder in § 17 KO noch in § 26 KO, sondern ausschließlich im bürgerlichen Recht. Der gemäß § 26 KO als Konkursforderung bestimmte Schadensersatzanspruch des anderen Vertragsteils beruht auf positiver Vertragsverletzung. Denn der Gemeinschuldner hat das durch Ablehnung der Erfüllung seitens seines Konkursverwalters eingetretene Unvermögen zur Vertragserfüllung (vgl. Urteil des Reichsgerichts vom 18. Februar 1910 III 121/09, RGZ 73, 58) zu vertreten (vgl. BGHZ 68, 379; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 26 Rdnr. 9 mit Nachweis der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs). Dieser Anspruch ist als neuer selbständiger Anspruch an die Stelle des ursprünglichen Vertragsanspruchs getreten (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 1967 II ZR 268/64, BGHZ 48, 203, Wertpapier-Mitteilungen 1967 S. 929 - WM 1967, 929 -). Auch der Umfang des Schadens bestimmt sich nach bürgerlichem Recht (herrschende Meinung; ebenso Jaeger/Lent, a.a.O., § 17 Anm. 41, § 26 Anm. 19, die den Schadensersatzanspruch als besonderen Anspruch des Konkursrechts beurteilen, was nach BGHZ 68, 379 keine praktischen Auswirkungen hat).

Innerhalb des an die Stelle des ursprünglichen vertraglichen Anspruchs getretenen Abrechnungsverhältnisses verbleiben die den Vertragsteilen vor Konkurseröffnung erbrachten Teile der ursprünglich geschuldeten Leistungen, die in das Eigentum des anderen Vertragsteils unbedingt übergegangen sind, diesem Vertragsteil. Ein Anspruch auf Rückgewähr dieser empfangenen "Teilleistungen" ist ausgeschlossen (Urteil des Reichsgerichts vom 16. Dezember 1903 V 260/03, RGZ 56, 238; RGZ 73, 58; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 17 Rdnr. 36; Jaeger/Lent, a.a.O., § 17 Anm. 44) und für den vertragstreuen Teil im Verhältnis zur Konkursmasse durch § 26 KO ausdrücklich geregelt. Grundsätzlich sind diese "Teilleistungen" im Rahmen des Abrechnungsverhältnisses nur Rechnungsposten bei Ermittlung des dem Vertragsgegner durch die Erfüllungsverweigerung entstandenen Schadens (BGHZ 68, 379).

Im vorbezeichneten Urteil vom 5. Mai 1977 (BGHZ 68, 379) sind die beiden rechtlichen Betrachtungsweisen zur Schadensberechnung dargestellt. Nach der neueren Beurteilung, der der Bundesgerichtshof offensichtlich den Vorzug gibt, wird im Anschluß an das Urteil des Reichsgerichts in RGZ 73, 58 und das zu §§ 325, 326 BGB ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 1962 VII ZR 213/60 (BGHZ 36, 316) angenommen, daß der Konkursverwalter des Werkunternehmers für die "Teilleistungen" eine (restliche) Vergütung aus dem ursprünglichen Vertrag verlangen kann, weil dieser insoweit erfüllt worden sei. Mit diesem Vertragsanspruch sei der Schadensersatzanspruch des Bestellers wegen Nichterfüllung der restlichen, noch nicht ausgeführten Arbeiten zu saldieren. Das Reichsgericht hatte in RGZ 73, 58 zum Ausschluß des Rückgabeanspruchs gegenüber der Konkursmasse durch § 26 KO entschieden, daß ein Anspruch des Gemeinschuldners auf den seinen "Teilleistungen" entsprechenden Teil der Gegenleistung gegeben ist, und daß dieses Ergebnis auf dem allgemeinen, keine Besonderheit des § 325 BGB bildenden, aber in ihm zum Ausdruck kommenden Rechtssatz beruhe, daß keine Vertragspartei die auf Grund eines zweiseitigen Vertrages empfangene Teilleistung endgültig behalten könne, ohne zu der entsprechenden Gegenleistung verpflichtet zu sein.

Auch die bisherige, vom Bundesgerichtshof in BGHZ 68, 379 dargestellte Betrachtungsweise, die bei Berechnung des Schadensersatzanspruchs als Gegenrechnungsposten den Wert der vom Gemeinschuldner erbrachten und dem Vertragsgegner verbleibenden "Teilleistungen" ansetzt, geht von der Erwägung aus, die gewährten und nicht mehr rückforderbaren Leistungen im Rahmen der Schadensberechnung in der Weise zu berücksichtigen, daß ihr Wert den Schadensersatzanspruch des Vertragsgegners mindert, beseitigt oder gar (mit der Folge eines Bereicherungsanspruchs) übersteigt. Hier wird der Vertragsgegner wirtschaftlich so gestellt, als ob er für den Wert der erhaltenen "Teilleistungen" den Gegenwert entrichten müßte.

Letztlich wird also bei beiden Begründungswegen der Gegenwert der erbrachten "Teilleistungen" voll als Rechnungsposten angesetzt. Im Konkurs des Werkunternehmers führt dies dazu, daß der Besteller mit seinem Schadensersatzanspruch nur dann durchdringen kann, wenn dem Vertragsanspruch des Konkursverwalters auf Vergütung der geleisteten Arbeiten des Gemeinschuldners ein höherer Anspruch des Bestellers wegen Nichterfüllung der restlichen noch nicht durchgeführten Arbeiten gegenübersteht (erste rechtliche Begründungsalternative) oder wenn der Wert der Teilleistungen des Gemeinschuldners niedriger ist als der dem Besteller entstandene Schaden (zweite rechtliche Begründungsalternative). Im Konkurs des Bestellers hat der Werkunternehmer im Falle der ersten Begründungsalternative einen gegen die Konkursmasse gerichteten Anspruch auf Vergütung für erbrachte "Teilleistungen" und zusätzlich einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der restlichen Arbeiten, im Falle der zweiten Begründungsalternative einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, der auch den (Gegen-)Wert der erbrachten "Teilleistungen" umfaßt.

In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht führt diese zivilrechtliche Beurteilung zu dem Ergebnis, daß das in das Abrechnungsverhältnis einzubeziehende, gegenüber dem ursprünglich zu leistenden Liefergegenstand nur halbfertige Werk zum (einseitig bestimmten) neuen Gegenstand der Werklieferung geworden ist. Dieser (neue) Liefergegenstand ist dem Leistungsempfänger kraft der konkursrechtlichen Regelung, wonach ein Rücktritt vom Vertrage und eine Rückgabe der gewährten Leistungen ausgeschlossen ist, als endgültiger Erfolg der durch die Erklärung des Konkursverwalters eingetretenen inhaltlichen Veränderung des Leistungsaustausches verblieben. Lieferungszeitpunkt bezüglich des neu bestimmten Liefergegenstandes ist der Zeitpunkt der Konkurseröffnung (BFHE 125, 314, BStBl II 1978, 483).

Im Falle des Besteller-Konkurses steht dem neu bestimmten Liefergegenstand eine Gegenleistung gegenüber, die - der neueren zivilrechtlichen Betrachtungsweise folgend - nach den Vertragspreisen des ursprünglichen Vertrages zu bestimmen ist. Bei dieser Bemessung der Gegenleistung hat es zu verbleiben, wenn sie durch Anzahlungen des Bestellers (Gemeinschuldner) gedeckt ist. Sind die geleisteten Anzahlungen jedoch betragsmäßig geringer, beschränkt sich die Gegenleistung auf diesen Betrag zuzüglich derjenigen Quote, die der Werkunternehmer auf Grund des zur Konkurstabelle angemeldeten restlichen Vergütungsanspruchs erhält. Der Gesamtbetrag ist dasjenige, was der Besteller (Gesamtschuldner) insgesamt aufgewendet hat, um die (neu bestimmte) Werklieferung zu erhalten. Sie ist das zivilrechtliche Entgelt, das der Werkunternehmer letztlich für die von ihm erbrachte Leistung erzielt. Deswegen ist es geboten, das - bereits um den Forderungsausfall korrigierte - umsatzsteuerrechtliche Entgelt durch Herausrechnung der in ihm enthaltenen Umsatzsteuer zu bestimmen. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen begegnet die Heranziehung der Klägerin wegen der von ihr erbrachten Leistungen mit einer Gegenleistung von zumindest erhaltenen 8.864.993 DM (als Nettobetrag) keinen ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO.

Eines näheren Eingehens auf die Ausführungen des Finanzgerichts zu den umsatzsteuerrechtlichen Folgen der Beschlagnahme des Grundstücks der Bestellerin (und späteren Gemeinschuldnerin) im Rahmen des von dritter Seite eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahrens bedarf es nicht, da sich diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme vor Eröffnung des Konkursverfahrens und vor Abgabe der Erklärung des Konkursverwalters gemäß § 17 KO in einem Veräußerungsverbot erschöpfte (§ 23 ZVG) und das Vertragsverhältnis der Bestellerin und Vollstreckungsschuldnerin (und späteren Gemeinschuldnerin) nicht berührte.