| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 27.6.1980 (VI R 147/77) BStBl. 1980 II S. 651

Der nach den Verwaltungsanweisungen maßgebende Pauschsatz von 25 Pf, ab 1. November 1973 von 32 Pf, je gefahrenem Kilometer stellt auch für das Jahr 1973 eine rechtlich mögliche Schätzung nicht nachgewiesener Kfz-Kosten für Dienstreisen bzw. für im Rahmen des § 33 EStG zu berücksichtigende Privatfahrten dar.

Der Senat hält daran fest, daß die tatsächlichen Aufwendungen nicht durch Berufung auf die sog. ADAC-Tabellen nachgewiesen werden können.

EStG 1971 § 33.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist zu 100 % erwerbsgemindert, gehbehindert und zur Fortbewegung auf die Benutzung eines Personenkraftwagens (PKW) angewiesen. In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Jahr 1973 (Streitjahr) machte er PKW-Kosten in Höhe von 4.525,20 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Kosten pro Kilometer nach einer vom Allgemeinen Deutschen Automobil Club (ADAC) erstellten Tabelle bei einer Jahresleistung von 10.000 km in Höhe von 50,4 Pf für 9.350 km abzüglich dem Kläger nach § 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) erlassener 187,20 DM Kraftfahrzeugsteuer.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich neben einem Pauschbetrag für Körperbehinderte in Höhe von 1.920 DM lediglich einen Betrag von 785 DM. Dieser entspricht einem Aufwand für Privatfahrten von insgesamt 3.000 km zu einem km-Satz von 0,25 DM für 10 Monate und 0,32 DM für die Monate November und Dezember 1973 (vgl. Abschn. 40 Abs. 6 Sätze 4 und 5 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1972 i. V. m. dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BdF - vom 28. Dezember 1973 IV B 6 - S 2353 - 224/73, BStBl I 1973, 734, unter Nr. 6, und dem BdF-Schreiben vom 30. Oktober 1973 IV B 6 - S 2338 - 88/73, BStBl I 1973, 682, unter Nr. 5). Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum Teil statt. Es führte aus: Bei Steuerpflichtigen, die in ihrer körperlichen Bewegungsfreiheit derart eingeschränkt seien, daß sie sich, wie der Kläger, außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines PKW bewegen könnten, stellten grundsätzlich alle Kraftfahrzeug- (Kfz-) Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten seien, eine außergewöhnliche Belastung dar. Unter Berücksichtigung der Schwere der Körperbehinderung sei im Streitfall der Berechnung eine Strecke von 9.350 km zugrunde zu legen.

Die Höhe der als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Aufwendungen könne zwar grundsätzlich nicht nach den Kostentabellen des ADAC ermittelt werden, da diese nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen aufgestellt seien. Im Streitfall seien jedoch höhere als die vom FA angesetzten km-Sätze gerechtfertigt, da der Kläger einen höheren Aufwand glaubhaft gemacht habe. Eine von der Berechnung des FA abweichende Schätzung sei angebracht, weil konkrete Anhaltspunkte für die Höhe der entstandenen Aufwendungen vorlägen. Bezogen auf eine jährliche Fahrleistung von 20.000 km decke sich der anhand der ADAC-Tabelle ermittelte km-Satz jedenfalls dann etwa mit den vom FA angesetzten Pauschsätzen, wenn man den kalkulatorischen Zinsentgang und den erlassenen Kraftfahrzeugsteuerbetrag rechnerisch eliminiere. Die km-Sätze nach der Kostentabelle ermäßigten sich dadurch um etwa 3 Pf. Da der Kläger nur eine jährliche Fahrleistung von 9.350 km glaubhaft gemacht habe, sei der tatsächliche Aufwand wie folgt zu schätzen:

Haftpflichtversicherung

378 DM

Teilkasko

75 DM

Absetzung für Abnutzung - AfA-

 

(bei sechsjähriger Nutzungsdauer)

1.372 DM

Benzin

776 DM

Öl

66 DM

Reparatur und Inspektion

643 DM

Garage und Pflege

600 DM

 

---------------

 

3.910 DM

 

lt. "ADAC-Tabelle"

 

bei einer Fahrleistung von 20.000 km

 

 

Benzin

1.668,26 DM

Öl

142,00 DM

Reparaturkosten

1.392,06 DM

Der Betrag von 3.910 DM entspreche einem km-Satz von etwa 41 Pf. Einen höheren Aufwand könne der Kläger aufgrund eines Einzelnachweises geltend machen, den er jedoch nicht erbracht habe.

Mit der Revision trägt das FA vor, der km-Satz von 0,25 DM bzw. ab 1. November 1973 von 0,32 DM sei als vertretbare Schätzung anzuerkennen. Die tatsächlich entstandenen Aufwendungen könnten demgegenüber nicht durch Berufung auf die ADAC-Tabellen nachgewiesen werden. Im übrigen habe das FG nicht berücksichtigt, daß von den vom Kläger im Streitjahr insgesamt gefahrenen 9.350 km eine Teilstrecke von 66 km auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfielen, so daß nur die Aufwendungen für die restlichen 9.284 km als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könnten.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß bei Steuerpflichtigen, die so gehbehindert sind, daß sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, grundsätzlich alle Kfz-Kosten, soweit sie nicht zu den Werbungskosten gehören, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, also nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. August 1975 VI R 158/72, BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825). Die Vorentscheidung geht auch mit Recht davon aus, daß die Höhe der hiernach zu berücksichtigenden Kfz-Aufwendungen durch Schätzung gemäß § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) zu ermitteln ist, da der Kläger einen Einzelnachweis nicht erbracht hat. An die Schätzung des FG als eine Würdigung der festgestellten Tatsachen ist der BFH jedoch nur dann nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden, wenn sie keinen Rechtsirrtum enthält, nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt und nicht auf einem Verfahrensmangel beruht (Urteil vom 1. Dezember 1967 III 19/65, BFHE 91, 254, BStBl II 1968, 332).

Im Streitfall entfällt eine Bindung an die erstinstanzliche Schätzung bereits deshalb, weil das FG einen unzutreffenden Schätzungsmaßstab angewandt hat. Nach der Rechtsprechung des BFH stellt der Pauschsatz von 25 Pf je dienstlich gefahrenem Kilometer nach Abschn. 21 Abs. 7 und 12 LStR 1972 bzw. den entsprechenden, vorangegangenen Verwaltungsanweisungen bis einschließlich für das Jahr 1972 eine rechtlich mögliche Schätzung nicht nachgewiesener Kfz-Kosten von Arbeitnehmern für Dienstreisen dar. Zum Nachweis solcher Kosten können sich Arbeitnehmer nicht auf die km-Sätze der ADAC-Tabellen und nicht auf Abschn. 20a Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1972 bzw. die entsprechenden früheren Verwaltungsanweisungen berufen, die die Anwendung der Tabellen der deutschen Automobilclubs bei einer Schätzung der Kfz-Kosten für die Fahrten Gewerbetreibender und selbständig Tätiger zwischen Wohnung und Betrieb gestatten (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1976 VI R 118/76, BFHE 121, 193, BStBl II 1977, 295, mit weiteren Nachweisen). Der Senat sieht die Verwaltungsregelung aus den Gründen, die er in dem Urteil in BFHE 121, 193, BStBl II 1977, 295, für das Jahr 1972 angeführt hat, auch für das Streitjahr 1973 noch als rechtlich mögliche Schätzung nicht nachgewiesener Kfz-Kosten auf Dienstreisen an, zumal die Verwaltung den Pauschsatz für Reisekosten bzw. Dienstreisen ab 1. November 1973 den zwischenzeitlichen Kostensteigerungen angepaßt hat (vgl. BdF-Schreiben vom 30. Oktober 1973 IV B 6 - S 2338 - 88/73, BStBl I 1973, 682).

Es bestehen keine Bedenken, diese Grundsätze auch im Streitfall auf die Schätzung von als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Kfz-Aufwendungen anzuwenden (vgl. auch Abschn. 40 Abs. 6 Satz 5 LStR 1972; Abschn. 70 Abs. 11 Satz 6 LStR 1978). Es ist regelmäßig nicht erforderlich, den für die Höhe der Werbungskosten bzw. der Betriebsausgaben anzuerkennenden Pauschsatz für die Berücksichtigung von Kfz-Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung um die als Sonderausgaben zu behandelnden Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung zu berichtigen. Denn der km-Pauschsatz von 25 Pf bzw. 32 Pf je gefahrenen Kilometer stellt als Schätzungsbetrag keine genau errechenbare Größe dar. Es können und müssen daher nicht alle einzelnen Faktoren bis ins letzte Detail berücksichtigt werden. Im Streitfall kann deshalb der Umstand, daß dem Kläger die Kraftfahrzeugsteuer erlassen worden ist, außer Betracht bleiben.

2. Entgegen der Rechtsauffassung des FG können die als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Aufwendungen für Fahrten mit dem Kfz nicht anhand der vom ADAC erstellten Kostentabelle geschätzt werden. Wie der Senat in dem Urteil in BFHE 121, 193, BStBl II 1977, 295, unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 15. Dezember 1967 VI R 268/67 (BFHE 90, 498, BStBl II 1968, 126) ausgeführt hat, sind die ADAC-Tabellen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen aufgestellt und berücksichtigen lediglich Durchschnittswerte, so daß sie zum Nachweis der tatsächlichen Kosten nicht geeignet sind. Der Senat hält an dieser Auffassung auch für den Bereich der außergewöhnlichen Belastung fest. Die Schätzung der anzuerkennenden Aufwendungen in Höhe der Pauschbeträge von 25 Pf bzw. 32 Pf dient der Arbeitsvereinfachung für die Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltungsbehörden und fördert die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie ist auch sachgerecht. Da außergewöhnliche Belastungen ebenso wie Werbungskosten stets im einzelnen nachzuweisen sind, sollen Steuerpflichtige, die das unterlassen, bei einer Schätzung keinen ungerechtfertigten Vorteil dadurch erlangen, daß bei ihnen geschätzte Kosten nach der ADAC-Tabelle angesetzt werden, die u. U. höher als die tatsächlich entstandenen Aufwendungen sein können. Auch sie müssen sich daher mit dem Pauschsatz von 25 Pf bzw. 32 Pf je Kilometer begnügen (BFHE 121, 193, BStBl II 1977, 295).

3. Die Vorentscheidung, die auf einer abweichenden rechtlichen Beurteilung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Das FA hat zutreffend darauf hingewiesen, die Beteiligten seien im Verfahren vor dem FG darüber einig gewesen, daß von den insgesamt zurückgelegten 9.350 km eine Teilstrecke von 66 km auf Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfielen, so daß für eine Berücksichtigung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes nur 9.284 km verbleiben. Im Streitjahr sind für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober (10 Monate) demnach 10/12 von 9.284 km = 7.736 km mit einem km-Satz von 0,25 DM = 1.934 DM und die restlichen 1.548 km mit einem Satz von 0,32 DM = 496 DM, insgesamt 2.430 DM, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.