| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 2.7.1980 (II R 120/76) BStBl. 1980 II S. 665

Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GrEStG ist nicht gegeben, wenn ein mit Kleinwohnungen bebautes Grundstück nach der Errichtung der Kleinwohnungen einem nicht zu den gemeinnützigen Bauträgern zählenden Eigentümer gehört hat und von diesem oder einem Rechtsnachfolger an einen gemeinnützigen Bauträger veräußert wird.

GrEStG § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b.

Sachverhalt

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. März 1972 erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine als gemeinnützig anerkannte Wohnungsbaugesellschaft, von der S AG (AG) eine Reihe von Grundstücken in D, auf denen sich Wohngebäude befinden. Der Kaufpreis beträgt 3.050.000 DM und soll sich auf 3,2 Mio. DM erhöhen, falls die Klägerin für den Grundstückserwerb Steuerfreiheit erlangt.

Die Wohnungen waren in den Jahren 1937/38 durch die Deutsche Arbeitsfront (DAF), eine als gemeinnützig anerkannte Bauträgerin, für die Firma S-D entsprechend den "Reichsgrundsätzen für den Kleinwohnungsbau" errichtet worden. Nach den Darlegungen der Klägerin hatte es die DAF übernommen, die Baugrundstücke von der Stadt D für die Firma S-D zu beschaffen, auf deren Rechnung sodann die Baumaßnahmen durchgeführt wurden und die spätestens bei Bezugsfertigkeit der Wohnungen das Eigentum erwarb.

Mit Bescheid vom 16. Januar 1973 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) 213.500 DM Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest. Das FA hielt den Erwerbsvorgang nicht für steuerfrei gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), weil es meinte, die Steuerfreiheit habe zur Voraussetzung, daß auch der Veräußerer gemeinnütziger Bauträger sei, was bei der AG nicht zutreffe.

Hierauf hat die Klägerin Sprungklage erhoben, die vom Finanzgericht (FG) abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GrEStG komme deshalb nicht zur Anwendung, weil der Veräußerer nicht zu den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen gehöre.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben. Sie macht geltend, das FG habe § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GrEStG unrichtig ausgelegt und angewendet und habe es ferner zu Unrecht unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, daß die Kleinwohnungen durch die DAF geschaffen worden seien.

Das FA ist den Ausführungen der Klägerin entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zu Recht angenommen, daß der Grundstückserwerb seitens der Klägerin nicht gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GrEStG steuerfrei ist. Durch diese Vorschrift wird von der Besteuerung ausgenommen: beim Kleinwohnungsbau i. S. der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen der Erwerb eines Grundstücks, auf dem ein gemeinnütziger Bauträger Kleinwohnungen geschaffen hat, durch einen anderen gemeinnützigen Bauträger. Dem Gesetzeswortlaut allein ist zwar nicht eindeutig zu entnehmen, daß es sich beim Veräußerer, der AG, ebenfalls um ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen hätte handeln müssen. Die Auslegung der Norm ergibt jedoch, daß die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit ausgeschlossen sein soll, wenn das mit Kleinwohnungen bebaute Grundstück nach der Errichtung der Kleinwohnungen einem nicht zu den gemeinnützigen Bauträgern zählenden Eigentümer gehört und von diesem oder einem Rechtsnachfolger an einen gemeinnützigen Bauträger veräußert wird (vgl. auch Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, 10. Aufl., § 4 Rdnr. 33). Hierfür sprechen Sinn und Zweck des Gesetzes sowie der systematische Zusammenhang, in den die Norm gestellt ist, und schließlich auch Anhaltspunkte im Gesetzeswortlaut.

Wie der Begründung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 (RStBl 1940, 387, 394 f.) entnommen werden kann, ging es dem Gesetzgeber bei der Aufrechterhaltung der grunderwerbsteuerlichen Vergünstigungen für den Kleinwohnungsbau darum, daß für den Kreis wirtschaftlich schlechtergestellter Personen angemessene Wohnungen zu nachhaltig tragbaren Kosten oder Mieten zur Verfügung gestellt werden. Im Interesse der Senkung von Kosten oder Mieten war es daher geboten, den Erwerb von Grundstücken zur Schaffung von Kleinwohnungen durch Unternehmen, die als gemeinnützige Wohnungsunternehmen oder als Organe der staatlichen Wohnungspolitik anerkannt sind, von der Grunderwerbsteuer freizustellen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG). Im Hinblick auf die Regelungen im Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGG) vom 29. Februar 1940 (RGBl I 1940, 437) war bereits hierdurch grundsätzlich sichergestellt, jedenfalls soweit es um Mietwohnungen geht, daß die Vergünstigung dem ins Auge gefaßten Personenkreis zugute kommt; lediglich in Beziehung auf Eigenheime mußten, soll die Erfüllung der Zweckbestimmung gewährleistet sein, weitere Grundstücksübertragungen von der an sich dort mehr anfallenden Grunderwerbsteuer ausgenommen werden, was durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c GrEStG geschehen ist.

Einer Regelung bedurften allerdings noch diejenigen Sachverhalte, in denen ein Eigenheim dem Eigentümer wieder entzogen und sodann weiterveräußert wird (vgl. hierzu § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d GrEStG) und in denen ein unter Inanspruchnahme der Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG erworbenes Grundstück nach der Errichtung von Kleinwohnungen weiterveräußert wird oder sonstwie (z. B. durch Verschmelzung) auf einen Dritten übergeht, so daß wegen des hierdurch eigentlich bedingten Anfalls von - neuer - Grunderwerbsteuer die Berechnungsgrundlage für die Höhe der Kosten oder Mieten ungünstig beeinflußt würde. Der Gesetzgeber hat sich bei zu vermietenden Kleinwohnungen dafür entschieden, auch für den weiteren Grundstückserwerb Steuerfreiheit vorzusehen, diese aber davon abhängig zu machen, daß der Erwerber ebenfalls ein gemeinnütziger Bauträger ist (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GrEStG); andernfalls ist die Steuerfreiheit zu versagen. Er hat hierbei nicht danach differenziert, ob im Falle der Veräußerung an einen nicht zu den gemeinnützigen Bauträgern gehörenden Erwerber durch bestimmte Maßnahmen sichergestellt wird, daß die Kleinwohnungen auch nach der Veräußerung ihrer Zweckbestimmung zugeführt werden bzw. bleiben, insbesondere was die Begrenzung der Miethöhe anbelangt. Darin kommt zum Ausdruck, daß er für den Übergang eines von einem gemeinnützigen Bauträger mit Kleinwohnungen bebauten Grundstückes auf einen nicht zu den gemeinnützigen Bauträgern gehörenden Eigentümer, eine besondere Ausnahme von der Besteuerung nicht für geboten erachtet hat.

Aufgrund dieser gesetzgeberischen Wertung läßt sich ferner annehmen, daß selbst ein Erwerb durch einen gemeinnützigen Bauträger nicht steuerfrei sein soll, wenn das mit Kleinwohnungen bebaute Grundstück nach der Errichtung der Kleinwohnungen bereits einmal einem Eigentümer gehört hat, der kein gemeinnütziger Bauträger ist. Diese Auslegung findet auch im Gesetzeswortlaut eine Stütze; denn von einem Grundstücksverkehrsgeschäft "beim Kleinwohnungsbau im Sinne der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen" kann nicht mehr die Rede sein, wenn das betreffende Grundstück mit den auf ihm errichteten Kleinwohnungen bereits einmal eigentumsmäßig einer nicht zu den gemeinnützigen Bauträgern zu zählenden Rechtsperson zugeordnet war. Es kann dann allenfalls davon gesprochen werden, daß ein Anschaffungsgeschäft im Kleinwohnungswesen vorliege, wofür es jedoch an einer gesetzlich normierten Steuerbefreiung fehlt. Für die hier vertretene Auslegung erlangt ferner der Umstand besondere Bedeutung, daß das Gesetz in § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GrEStG den Erwerber als "anderen gemeinnützigen Bauträger" bezeichnet.

Unter diesen Umständen brauchte nicht noch auf die Frage eingegangen zu werden, ob das Begehren der Klägerin nicht - teilweise - auch im Hinblick darauf ungerechtfertigt ist, daß sie sich für den Fall der Freistellung von der Grunderwerbsteuer auf eine Erhöhung des zu entrichtenden Kaufpreises eingelassen hat, so daß insoweit die vom Gesetzgeber mit der Befreiungsvorschrift angestrebte ermäßigende Wirkung auf die Miethöhe überhaupt nicht zum Zuge kommen kann.