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BFH-Urteil vom 5.9.1980 (VI R 183/77) BStBl. 1981 II S. 76

Die Pauschalierung der Lohnsteuer für Aushilfskräfte in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft (nach § 40a Abs. 2 EStG 1975) ist auch dann zulässig, wenn ein Betrieb, der Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 EStG betreibt, nur wegen seiner Rechtsform als Gewerbebetrieb (i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG) gilt.

EStG 1975 § 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4, § 40a Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr 1976 in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) den Anbau und Verkauf von Champignons. Beim Pflücken der erntereifen Pilze setzte sie Aushilfskräfte ein. Sie erhob bei diesen Arbeitnehmern die Lohnsteuer seit dem 1. März 1976 (unter Verzicht auf die Vorlage von Lohnsteuerkarten) mit dem - für Aushilfskräfte in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft zulässigen - Pauschsteuersatz von 2 v.H. des Arbeitslohnes (§ 40a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1975 - EStG -). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an eine Lohnsteuer-Außenprüfung die Auffassung, die Klägerin betreibe kraft ihrer Rechtsform einen Gewerbebetrieb und könne den Pauschsteuersatz von 2 v.H. deshalb nicht in Anspruch nehmen; es komme nur der Pauschsteuersatz nach § 40a Abs. 1 EStG mit 10 v.H. des Arbeitslohnes in Betracht. Das FA erhöhte die Lohnsteuer für den Zeitraum von März bis Juni 1976 entsprechend und machte sie - zusammen mit hier nicht streitigen weiteren Beträgen - mit Haftungsbescheid vom 24. August 1976 gegenüber der Klägerin geltend.

Einspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das Finanzgericht (FG) hat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 22 (EFG 1978, 22) veröffentlichten Urteil maßgeblich darauf abgestellt, daß die Klägerin in der Rechtsform einer GmbH organisiert gewesen sei. Sie habe zwar eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, wie sie in § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführt sei. Auch seien die übrigen Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG erfüllt gewesen. Doch habe die Klägerin keinen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern einen Gewerbebetrieb unterhalten (Hinweis auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - und § 16 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes - KStDV -).

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe § 40a Abs. 2 Satz 1 EStG (mit der Verweisung auf § 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 EStG) unzutreffend ausgelegt. Die Vorschrift des § 16 KStDV bezwecke nur eine Zuordnung der Einkünfte; eine Umqualifizierung des Betriebes selbst finde nicht statt. § 40a Abs. 2 Satz 1 EStG spreche nur von "Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ....".

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und den Haftungsbescheid vom 25. August 1976 (24. August 1976) dahin zu ändern, daß die nachzufordernde Lohnsteuer auf 304,33 DM herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß die von der Klägerin betriebene Champignonzucht als solche Urproduktion, mithin eine Tätigkeit ist, wie sie durch § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG bestimmt wird. Unstreitig - und vom FG hinsichtlich der Tatsachen für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - ist auch, daß die übrigen, in der Person der Arbeitnehmer begründeten Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG (insbesondere der Sätze 2 und 3) erfüllt sind.

Bei dieser Rechts- und Sachlage durfte das FG der Klägerin die Anwendung des Pauschsteuersatzes in Höhe von 2 v.H. des Arbeitslohnes - allein wegen ihrer Rechtsform - nicht versagen.

Nach § 40a Abs. 2 Satz 1 EStG kann die Lohnsteuer mit diesem Satz bei Aushilfskräften erhoben werden, die "in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 13 Abs. 1 Ziff. 1 bis 4 ...." beschäftigt werden. Bei wörtlicher Auslegung dieser Vorschrift ist entscheidend, daß die Aushilfskräfte in einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft tätig sind. Daß dieser Betrieb ertragsteuerrechtlich auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen muß, ist nicht verlangt. Dies folgt auch nicht aus der Verweisung auf § 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 EStG. Diese Verweisung stellt lediglich klar, daß ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auch dann vorliegen kann, wenn nicht die typischen Formen des Getreideanbaus oder der Milchwirtschaft betrieben werden.

Zu Unrecht beruft sich das FG auf §16 KStDV und § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG. Diese Vorschriften bestimmen lediglich für Zwecke der Einkommensbesteuerung sowie der Festlegung der Gewerbesteuerpflicht, daß Einkünfte unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit - allein aufgrund der Rechtsform des Betriebes - als gewerbliche Einkünfte "zu behandeln" sind und daß in gleicher Weise der gesamte Betrieb als Gewerbebetrieb "gilt". Es handelt sich hier um gesetzliche Fiktionen (s. für § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Dezember 1960 I 245/60 U, BFHE 72, 177, BStBl III 1961, 66), mit denen für bestimmte Teilbereiche des Steuerrechts eine Erweiterung eines (anderen) vorgegebenen Begriffsinhaltes erreicht werden soll (vgl. auch Meßmer, Steuerberater-Jahrbuch 1977/78 S. 65, 70 - StbJ 1977/78, 65, 70 -). Sie sollen jedoch insgesamt keine Wesensänderung des ursprünglichen Begriffs des Betriebes bewirken. Ein - wie im Streitfall - in der Form einer GmbH geführter landwirtschaftlicher Betrieb betreibt weiterhin die Urproduktion. Solange kein echter Strukturwandel (hin zum sog. Gewerbebetrieb kraft Tätigkeit) eingetreten ist, unterscheidet sich ein derartiger Betrieb tatsächlich und wirtschaftlich in nichts von einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der darüber hinaus auch noch ebensolche Einkünfte i.S. des Ertragsteuerrechts erzielt.

Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der in den zurückliegenden Jahren den Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft nach Möglichkeit - u.a. über das Steuerrecht - zu fördern bestrebt war. In diesem Zusammenhang sind auch § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über Steuervergünstigungen zur Förderung des Baues von Landarbeiterwohnungen (Landarbeiterwohnungsbau-VO) i.d.F. vom 6. August 1974 (BGBl I 1974, 1869, BStBl I 1974, 574) und § 95 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu erwähnen. Vermittels dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber die Auswirkungen der oben genannten gesetzlichen Fiktionen (§ 16 KStDV und § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG) teilweise wieder rückgängig gemacht. So kann z.B. der Gewinn aus der Veräußerung von Aufwuchs auf oder Anlagen im Grund und Boden mit dem dazugehörigen Boden nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG auch dann begünstigt sein, wenn der veräußernde land- und forstwirtschaftliche Betrieb als Körperschaft organisiert ist (vgl. z.B. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 19. Aufl., Köln-Marienburg 1950/79, § 6b EStG Anm. 126 a.E., unter Hinweis auf Abschn. 41a Abs. 2 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -). Die Vergünstigungen der Landarbeiterwohnungsbau-VO sollten ferner alle buchführenden Land- und Forstwirte - unabhängig von der Rechtsform ihrer Betriebe - erhalten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Landarbeiterwohnungsbau-VO). Nach § 95 Abs. 3 BewG zählt auch das Vermögen einer die Land- und Forstwirtschaft betreibenden Kapitalgesellschaft - wie im Streitfall der Klägerin - nicht zum (gewerblichen) Betriebsvermögen, sondern zum "land- und forstwirtschaftlichen Vermögen" (i.S. des § 33 BewG). Schließlich spricht auch die Begründung zu Art. 1 § 142 Abs. 2 des Entwurfs eines Dritten Steuerreformgesetzes vom 9. Januar 1974 - EStG 1975 - (dem nunmehrigen § 40a Abs. 2 EStG) nur allgemein von "Aushilfskräften in der Land- und Forstwirtschaft", ohne etwa Unterscheidungen nach der Rechtsform der Betriebe zu treffen (Bundestags-Drucksache 7/1470 S. 305).

Nach alledem ist eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40a Abs. 2 EStG dann zulässig, wenn ein Betrieb, der Land- und Forstwirtschaft (i.S. des § 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 EStG) betreibt, (nur) wegen seiner Rechtsform als Gewerbebetrieb gilt (so z.B. auch Abschn. 95 Abs. 6 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1978; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Pauschalierung der Lohnsteuer", V,4, und Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 5. Aufl., § 40a EStG Anm. 11; anderer Auffassung Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 40a Anm. 13).

Die Sache ist spruchreif. Es ist nichts vorgetragen oder vom FG festgestellt, woraus geschlossen werden könnte, daß die Anwendung des Pauschsteuersatzes von 2 v.H. zu einer offensichtlich unzutreffenden Steuererhebung führen würde (§ 40a Abs. 3 Satz 2 EStG; vgl. auch das BFH-Urteil vom 28. Februar 1975 VI R 97/73, BFHE 115, 254, zu Abschn. 52c LStR in den Fassungen vor 1975). Gegenteiliges kann auch nicht der Feststellung des FG entnommen werden, § 40a Abs. 2 EStG stelle auf Besonderheiten ab, die in einem Gewerbebetrieb, wie ihn die Klägerin betreibe, "im Regelfall" nicht vorlägen. Hier hat das FG ausdrücklich nur den "Regelfall" angesprochen, ohne auf den Einzelfall der Klägerin einzugehen. Steuerschädliche Rückschlüsse auf die Verhältnisse bei der Klägerin können daraus folglich nicht gezogen werden.