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BFH-Urteil vom 14.10.1980 (VIII R 184/78) BStBl. 1981 II S. 97

Der Senat hält an der ständigen Rechtsprechung des BFH fest, daß Ausgleichszahlungen an einen Handelsvertreter nach § 89b HGB auch dann zum laufenden Gewinn und damit zum Gewerbeertrag gehören, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Aufgabe des Betriebs zusammenfällt (vgl. insbesondere Urteil vom 10. Juli 1973 VIII R 34/71, BFHE 110,137, BStBl II 1973, 786).

EStG § 16 Abs. 3; GewStG § 7; HGB § 89b.

Vorinstanz: FG Düsseldorf - Senate in Köln -

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war als selbständiger Bezirksvertreter für mehrere Gesellschaften einer Versicherungsgruppe tätig. Am 31. März 1973 trat er vereinbarungsgemäß in den Ruhestand. Bereits vorher - am 28. März 1973 - hatte er im Einvernehmen mit der Versicherung die Bezirksdirektion auf seinen Nachfolger übertragen und seine werbende Tätigkeit eingestellt.

Zum Ausgleich seiner Ansprüche nach § 89b HGB erhielt der Kläger im Juli 1973 von der Versicherungsgesellschaft insgesamt 197.740 DM. Diese Zahlung behandelte er in seiner Gewerbesteuererklärung 1973 als nicht gewerbesteuerplichtigen Aufgabengewinn i. S. von § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) rechnete dagegen in dem Gewerbesteuermeßbescheid 1973 diesen Betrag als laufenden Gewinn dem Gewerbeertrag hinzu. Der Einspruch war nur insoweit erfolgreich, als das FA den steuerpflichtigen Gewinn um die auf die Ausgleichszahlung entfallende Gewerbesteuerrückstellung minderte.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit im wesentlichen folgender Begründung ab: Daß die Ausgleichszahlung nach § 89b HGB sich regelmäßig als laufender Gewinn und nicht als Veräußerungsgewinn darstelle, ergebe sich bereits aus ihrer systematischen Einordnung in § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG. Die Tatsache, daß der Kläger die Bezirksdirektion bereits am 28. März 1973 auf seinen Nachfolger übertragen habe, während das Vertragsverhältnis zu den Versicherungsgesellschaften erst am 31. März 1973 auslief, ändere an diesem Ergebnis nichts. Denn bei entsprechender Anwendung des im Handels- und Steuerrecht geltenden Realisationsprinzips sei die Ausgleichsforderung bereits am 28. März 1973 - somit während der Gewerbesteuerpflicht des Klägers - "entstanden". Eine Betriebsaufgabe scheide schon begrifflich aus, weil sie die Aufgabe des Betriebs als eines selbständigen Organismus im Wirtschaftsleben voraussetze. Für die Annahme einer Veräußerung i. S. des § 16 Abs. 1 EStG fehle es hinsichtlich der Übertragung auf den Nachfolger an der Entgeltlichkeit. Auch eine analoge Anwendung des § 16 EStG sei im Streitfall nicht möglich. Die ertragsmäßige Auswirkung ergebe sich nicht durch die Überführung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten oder in das Privatvermögen. Der Anspruch entstehe vielmehr als quasi letzter Akt vor der Einstellung des Gewerbebetriebs und sei deshalb - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) - wie eine laufende Forderung zu erfassen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er bringt im wesentlichen vor: Die Ausgleichszahlung müsse steuerlich wie ein Veräußerungserlös behandelt werden; denn der Unternehmer gelte damit den Erwerb des Kundenstamms, mit dem er in Zukunft arbeiten könne, ab. Er verweise insoweit auf die Urteile des FG Baden-Württemberg vom 22. Februar 1979 I 179/78 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 406 - EFG 1979, 406 -) und des FG Münster vom 24. Januar 1979 VII 4026/78 E (EFG 1979, 443) sowie den Beschluß des Hessischen FG vom 10. Mai 1979 B VIII 10/79 (bisher noch nicht veröffentlicht). Die verschiedene steuerliche Behandlung von Ausgleichszahlung und Veräußerungserlös verstoße auch gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Das FG habe zudem die Besonderheiten des Streitfalles verkannt. Durch das tatsächliche Einstellen der gewerblichen Tätigkeit am 28. März 1973 seien die Voraussetzungen für die Gewerbesteuerpflicht des Klägers entfallen. Der nach der Beendigung der Gewerbesteuerpflicht am 31. März 1973 entstandene Ausgleichsanspruch könne darum nicht mehr der Gewerbesteuer unterliegen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, unter Abänderung des Gewerbesteuermeßbescheids 1973 den Gewerbesteuermeßbetrag neu festzusetzen und dabei die Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB nicht im Gewerbeertrag zu erfassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH gehören Ausgleichszahlungen an einen Handelsvertreter nach § 89b HGB auch dann zum Gewerbeertrag nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Veräußerung oder Aufgabe des Gewerbebetriebs zusammenfällt (vgl. Urteile vom 31. März 1977 IV R 111/76, BFHE 122,139, BStBl II 1977, 618; vom 10. Juli 1973 VIII R 34/71, BFHE 110, 137, BStBl II 1973, 786; vom 5. Dezember 1968 IV R 270/66, BFHE 94, 462, BStBl II 1969, 196). Entscheidend für die Zugehörigkeit des Ausgleichsanspruchs zum Gewerbeertrag ist, daß die Entstehung des Anspruchs der letzte laufende Geschäftsvorfall des Gewerbebetriebs des Handelsvertreters ist (vgl. BFHE 110, 137~ BStBl II 1973, 786).

a) Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters entsteht mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1969 I R 141/66, BFHE 95, 497, BStBl II 1969,485). Wie der I. Senat in dem vorgenannten Urteil ausgeführt hat, stehen die beiden rechtlichen Ereignisse "Beendigung des Vertragsverhältnisses" und "Entstehung des Ausgleichsanspruchs" nicht im Verhältnis des zeitlichen Vorher und Nachher, sondern in dem konditionalen Verhältnis von Tatbestand und Rechtsfolge zueinander. Wenn somit der Ausgleichsanspruch nicht nach, sondern mit Beendigung des Vertragsverhältnisses entsteht, kann dieses rechtliche Ereignis nur als letzter Geschäftsvorfall des werdenden Betriebs - nicht dagegen als Geschäftsvorfall nach der Einstellung der werdenden Tätigkeit - angesehen werden.

b) Die Zugehörigkeit des Ausgleichsanspruchs zum laufenden Gewinn ändert sich auch nicht dadurch, daß der Handelsvertreter mit der Beendigung seines Vertragsverhältnisses gleichzeitig auch seinen Betrieb aufgibt, etwa weil er - wie im Streitfall - in den Ruhestand tritt. Denn der Grund für die Entstehung des Ausgleichsanspruchs ist auch in diesem Fall die Beendigung des Vertragsverhältnisses als Handelsvertreter, nicht die Aufgabe des Gewerbebetriebs. Das wird besonders dadurch deutlich, daß einem Handelsvertreter bei Beendigung seines Vertragsverhältnisses mit einem Unternehmer der Ausgleichsanspruch auch dann zusteht, wenn er seinen Gewerbebetrieb weiterführt, weil er noch für andere Unternehmer werdend tätig bleibt.

c) Im Falle des zeitlichen Zusammenfalls der Beendigung des Vertragsverhältnisses und der Aufgabe des Betriebes kommt es für die Zurechnung des Ausgleichsanspruchs zum Gewerbeertrag auch nicht darauf an, nach welchen Vorschriften der Handelsvertreter seinen Gewinn ermittelt hat. Hat der Handelsvertreter den Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt, so ist der Ausgleichsanspruch zu aktivieren und der aufgrund der Aktivierung erhöhte Gewinn als Gewerbeertrag zu behandeln (vgl. BFHE 122, 139, BStBl II 1977, 618). Ebenso ist aber zu verfahren wenn - wie im Streitfall - der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt worden ist; denn der Kläger ist wegen der Aufgabe seines Betriebes so zu behandeln, als wäre er zu diesem Zeitpunkt zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich übergegangen (vgl. BFHE 110, 137, BStBl II 1973, 786). Die wegen des Übergangs erforderliche Hinzurechnung der Ausgleichsanspruchsforderung findet beim laufenden Gewinn des Wirtschaftsjahres statt, in dem die Aufgabe erfolgt ist (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 1961 IV 98/60 S, BFHE 74, 535, BStBl III 1962, 199).

d) Die Zurechnung des Ausgleichsanspruchs zum Gewerbeertrag ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger im Streitfall bereits am 28. März 1973 seine werdende Tätigkeit eingestellt hat, jedoch erst am 31. März 1973 in den Ruhestand getreten ist. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, daß mit der endgültigen Einstellung seiner werdenden Tätigkeit die Gewerbesteuerpflicht bereits geendet hat. Unrichtig ist allerdings seine Auffassung, der Ausgleichsanspruch sei erst nach dem Wegfall seiner Gewerbesteuerpflicht entstanden. Vielmehr geht das FG zu Recht davon aus, daß der Ausgleichsanspruch nicht erst am 31. März 1973, sondern am 28. März 1973 entstanden ist, weil schon an diesem Tag das Vertragsverhältnis des Klägers als Handelsvertreter beendet war.

Das Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsvertreter ist ein Rechtsverhältnis zwischen zwei selbständigen Unternehmern, das gemäß § 84 Abs. 1 HGB die Vermittlung von Geschäften durch den einen Unternehmer (den Handelsvertreter) für den anderen beinhaltet. Verliert darum im vorliegenden Fall der Kläger seine Unternehmereigenschaft, weil er im Einverständnis mit den Versicherungsgesellschaften die Bezirksvertretung auf seinen Nachfolger überträgt und selbst jegliche werdende Tätigkeit aufgibt, so ist damit sein Vertragsverhältnis als Handelsvertreter beendet. In welchem Rechtsverhältnis der Kläger vom 28. März bis 31. März 1973 zu den Versicherungsgesellschaften stand, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls war im Zeitpunkt der einvernehmlichen Umwandlung des Vertrages das Handelsvertreterverhältnis beendet und die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs von diesem Zeitpunkt an erfüllt (vgl. Schlegelberger/Schröder, Kommentare zum Handelsgesetzbuch, 5. neubearbeitete Aufl. 1973, § 89b Anm. 3b). Auch in diesem Fall ist der Ausgleichsanspruch der letzte laufende Geschäftsvorfall des Gewerbebetriebs des Klägers.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers kann der hier vorliegende Fall auch nicht mit den Fällen verglichen werden, in denen ein Kundenstamm oder eine Kundenkartei gegen Entgelt an Dritte veräußert wird. Denn mit dem Ausgleichsbetrag bezahlt der Unternehmer nicht den Erwerb eines Aktivums, das er erst durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses erwirbt. Den vom Handelsvertreter gewordenen Kundenstamm hatte er bereits vorher - also während des Vertragsverhältnisses - für sein Unternehmen erworben (vgl. Schlegelberger/Schröder, a.a.O., § 89b, Anm. 21a). Dies verkennen auch die vom Kläger angeführten Entscheidungen der Finanzgerichte Baden Württemberg und Münster.

3. Der erkennende Senat hat die Zugehörigkeit des Ausgleichsanspruchs zum laufenden Gewinn in einer früheren Entscheidung unter Berufung auf eine in der handelsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur vertretene Meinung auch damit begründet, daß es sich bei dem Ausgleichsanspruch um einen Anspruch handele, der seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Natur nach einen zusätzlichen gesetzlichen Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste darstelle (vgl. zuletzt Urteil vom 10. Juli 1973 VIII R 228/72, BFHE 110, 126, BStBl II 1973,775). Der Senat verkennt nicht, daß - wie vom Kläger angesprochen - in dieser Begründung ein Widerspruch zu der Begründung gesehen werden kann, mit der der BFH die Zulässigkeit einer Rückstellung für Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern abgelehnt hat (vgl. insbesondere Urteile vom 24. Juni 1969 I R 15/68, BFHE 96, 101, BStBl II 1969, 581 und vom 28. April 1971 I R 39-40/70, BFHE 102, 270, BStBl II 1971, 601). Denn dort hat der BFH die wirtschaftliche Verursachung des Anspruchs vor Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Begründung abgelehnt, daß das wirtschaftliche Schwergewicht auf dem Eintritt des Erfolges - dem Zufluß erheblicher Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden beim Unternehmer (§ 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB) - liege. Ob beide Begründungen tatsächlich im Widerspruch zueinander stehen, kann hier dahingestellt bleiben, da der Senat die hier getroffene Entscheidung nicht auf die früher für die Zurechnung des Ausgleichsanspruchs zum laufenden Gewinn herangezogene Begründung gestützt hat.