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BFH-Urteil vom 17.10.1980 (VI R 98/77) BStBl. 1981 II S. 158

1. Unter die nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnenden "anderen" Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, fallen alle Leistungen, die keine Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG sind, auch wenn sie zusätzlich vom Unterstützungspflichtigen oder dessen Ehefrau erbracht werden.

2. Nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG sind Leibrenten in vollem Umfang auch dann anzurechnen, wenn das Rentenstammrecht entgeltlich erworben wurde.

EStG 1971/1974 §§ 33, 33a.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Ehefrau des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) und ihre Mutter waren Miteigentümer eines Grundstücks. Sie vereinbarten durch notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag, daß die Ehefrau Alleineigentümerin dieses Grundstücks gegen Zahlung einer lebenslänglichen Leibrente von monatlich 130 DM und gegen Einräumung eines dinglichen Wohnrechts zugunsten der Mutter an zwei näher bezeichneten Zimmer werden sollte. Neben diesen Leistungen unterstützte der Kläger seine Schwiegermutter in den Streitjahren 1972 bis 1974 noch mit jährlichen Beträgen von mehr als 1.200 DM.

Die Eheleute machten in den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 1972 bis 1974 Zahlungen des Klägers an seine Schwiegermutter mit einem Teilbetrag von jährlich 1.056 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an. In der Einspruchsentscheidung berücksichtigte das FA einen Teilbetrag von 156 DM, da nach seiner Ansicht folgende Einkünfte und Bezüge der Schwiegermutter auf die Unterhaltsleistungen anzurechnen seien:

Ertragsanteil der Rente

327 DM

Ertragsanteil übersteigender Rentenanteil

1.233 DM

Wohnrecht (29 m2 x 3 DM x 12)

1.044 DM

 

-------------

 

2.604 DM

./. Werbungskosten

360 DM

 

-------------

anzurechnende eigene Einkünfte

2.244 DM

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte in der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 429 (EFG 1977, 429) veröffentlichten Entscheidungen u.a. aus: Das FA habe bei Bemessung des Freibetrages nach § 33a Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 1971/1974 (EStG) zu Unrecht den den Ertragsanteil übersteigenden Teil der Leibrente auf die Unterhaltsleistungen des Klägers angerechnet. Bei dem - hier vorliegenden - entgeltlichen Erwerb des Leibrentenrechts sei der den Ertragsanteil übersteigende Rentenbetrag kein anrechenbarer Bezug im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG, wenn das Rentenrecht eine Gegenleistung für die Veräußerung eines Vermögenswerts (hier des Anteils am Grundstück) sei und die Erhaltung der Vermögenssubstanz auf Dauer nur aus Erträgen des veräußerten Objekts hätte bestritten werden können. Bei diesem Teil der Leibrente handle es sich um einen Rückfluß von Vermögen und nicht um einen Vermögensertrag. Würde die Rente in voller Höhe als Einkünfte oder Bezüge im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG angesehen, so würde dies im Streitfall zudem dem Grundsatz widersprechen, daß ein Verbrauch geringwertigen Vermögens nicht anrechenbar sei.

Es könne dahingestellt bleiben, ob das Wohnrecht auf die Unterhaltsleistungen des Klägers anzurechnen sei, da der Ertragsanteil der Rente zuzüglich des Wohnrechts und abzüglich eines Werbungskostenpauschbetrages von 360 DM die Grenze des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG von 1.200 DM nicht übersteige.

Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG. Es führt u.a. aus: Es sei bei Auslegung dieser Vorschrift davon auszugehen, daß entgeltlich wie unentgeltlich erworbene Renten Rechte besonderer Art seien, die im allgemeinen dem Unterhalt des Berechtigten zu dienen bestimmt seien. Ertragsanteil und Kapitalanteil der Rentenzahlungen seien Teil eines einheitlichen Ganzen. Rentenbezüge seien deshalb auch beim entgeltlichen Erwerb des Rentenrechts in vollem Umfang nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG zu berücksichtigen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das FG hat im Streitfall den Kapitalanteil der von der Ehefrau des Klägers gezahlten Rente bei den nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anrechnungspflichtigen Bezügen der Schwiegermutter zu Unrecht außer Ansatz gelassen.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die er keinen Kinderfreibetrag erhält, so wird nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendung, höchstens jedoch ein Betrag von 1.200 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person, vom Einkommen abgezogen wird. Zwangsläufig sind solche Ausgaben nach § 33 Abs. 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Aufwendungen können nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG nur berücksichtigt werden, wenn die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Hat der Unterhaltsempfänger andere Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG der Betrag von 1.200 DM um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 1.200 DM übersteigen. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 2. August 1974 VI R 148/71, BFHE 114, 37, BStBl II 1975, 139, und die dort erwähnte Rechtsprechung) sind bei der Auslegung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG unter dem Begriff "Einkünfte" die der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG zu verstehen, während unter den Begriff "Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind", alle Einnahmen usw. fallen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, also nichtsteuerbare oder für steuerfrei erklärte Einnahmen.

Das FG hat im Streitfall die vom Kläger an seine Schwiegermutter erbrachten Unterhaltsleistungen zu Recht als Aufwendungen im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG i.V. m. § 33 Abs. 2 EStG angesehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger zu diesen Zahlungen aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nach den vorgenannten Vorschriften verpflichtet war, weil nicht er, sondern seine Ehefrau ihrer Mutter gegenüber nach § 1601 BGB unterhaltspflichtig war und erstere in den Streitjahren 1972 bis 1974 nicht unerhebliche eigene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezog. Hierauf kommt es im Streitfall nicht entscheidend an, da die Eheleute nach ihren Angaben in den Einkommensteuererklärungen 1972 bis 1974 nicht dauernd getrennt gelebt haben. In einem solchen Fall sind sie nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteil vom 22. Juni 1979 VI R 85/76, BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660, und die dort erwähnte Rechtsprechung) wegen der zwischen ihnen bestehenden Lebens - und Wirtschaftsgemeinschaft im Rahmen der §§ 33, 33a EStG als Einheit anzusehen, so daß Leistungen eines Ehegatten auch als die des anderen zu werten sind.

Im Streitfall sind die von der Ehefrau des Klägers erbrachten Rentenzahlungen auf die Unterhaltsleistungen als "andere" Einkünfte und Bezüge im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnen. Denn anrechnungspflichtig sind hier alle Einkünfte sowie alle Bezüge des Unterhaltsempfängers, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, soweit sie keine Unterhaltsleistungen nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG darstellen. Hierzu zählen auch auf Erbauseinandersetzungsvereinbarungen beruhende Leibrenten, die - wie im Streitfall - nicht nach § 33a Abs. 1 EStG, sondern in Höhe des Ertragsanteils als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sind, wie dies im Streitfall auch geschehen ist. Es kommt nicht darauf an, ob solche "anderen" Leistungen vom Steuerpflichtigen, von seiner Ehefrau oder von einem Dritten erbracht werden.

Da der Ertragsanteil der von der Ehefrau geleisteten Leibrente zu den nach § 2 Abs. 3 Nr. 7, § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerpflichtigen Einkünften zählt, hat das FG ihn zu Recht als "Einkünfte" der Schwiegermutter auf die Unterhaltsleistungen des Klägers nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG angerechnet. Entgegen der Ansicht des FG ist aber auch der Kapitalanteil dieser Leibrente nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG von den Zahlungen des Klägers abzuziehen. Denn er gehört zu den "Bezügen", die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind.

Wie der Senat durch Urteil vom 31. Januar 1958 VI 207/57 U (BFHE 66, 277, BStBl III 1958, 108) entschieden hat, sind Angestelltenrenten stets in voller Höhe zu berücksichtigen, weil sie dem Unterstützten in vollem Umfang für seinen Lebensunterhalt bereitstehen. Diese Grundsätze, an denen der Senat festhält, gelten in gleicher Weise für Renten, die - wie im Streitfall - durch Vertrag entgeltlich dadurch erworben wurden, daß hierfür Vermögenswerte (hier ein Anteil an einem Grundstück) hingegeben wurden. Das FA betont zu Recht, daß auch Leibrenten dieser Art stets in vollem Umfang - also bezüglich des Ertragsanteils und des Kapitalanteils - zum Unterhalt bestimmt sind. Rentenberechtigte wollen in solchen Fällen Vermögensgegenstände in der Regel nur hergeben, wenn durch die ihnen monatlich zufließende Rente der Unterhalt für den Rest des Lebens sichergestellt wird. Sie gehen im Hinblick auf diesen - für sie entscheidenden - Gesichtspunkt bewußt das Risiko ein, bei einem vorzeitigen Tod weniger an Rentenbeträgen zu erhalten, als das veräußerte Vermögen wert war. Im Hinblick auf diesen Zweck kommt es nicht entscheidend darauf an, daß nach herrschender Meinung (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar, zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 22 EStG Anm. 44-46, 64 ff.) im Kapitalwert der monatlich zufließenden Rente ein Vermögensrückfluß liegt. Dieser Vorgang unterscheidet sich dadurch wesentlich von Gegenleistungen in Form eines bestimmten (etwa auch in Raten zu zahlenden) Kaufpreises, daß die letztgenannten Leistungen nicht an die Lebensdauer des Unterhaltsberechtigten und damit - zumindest indirekt - an dessen Lebensbedarf geknüpft sind. Im übrigen sind die Verhältnisse bei entgeltlich erworbenen Leibrenten nicht wesentlich anders als bei den vorgenannten Angestelltenrenten. Denn auch dort ist der - nicht der Einkommensteuer unterliegende, aber nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG anzurechnende - Kapitalanteil der Rente seinem Wesen nach ebenfalls ein Vermögensrückfluß, nämlich, wirtschaftlich gesehen, eine Rückzahlung der vom Angestellten während seiner vorangegangenen Erwerbstätigkeit erbrachten Beiträge.

Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 33a Abs. 1 EStG. Wie der Senat im Urteil vom 20. Januar 1978 VI R 170/76 (BFHE 124, 505, BStBl II 1978, 342) dargelegt hat, läßt der Gesetzgeber in § 33a Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG 1971 (der wörtlich den entsprechenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1974 entspricht) Unterhaltsaufwendungen eines Steuerpflichtigen nur unter Anwendung eines strengen Maßstabes als außergewöhnliche Belastungen zu. Dadurch, daß Unterhaltsaufwendungen nicht mehr abgezogen werden dürfen, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Unterstützungsempfängers, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, den Betrag von 2.400 DM übersteigen, sind nach dem Willen des Gesetzgebers Unterhaltsaufwendungen selbst dann nicht berücksichtigungsfähig, wenn das Existenzminimum des Unterhaltenen noch nicht voll gesichert ist. Diesen Grundsätzen würde es widersprechen, im Rahmen des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG Rentenzahlungen in Höhe des Kapitalanteils von der Anrechnung auszunehmen. Denn soweit dem Unterhaltsberechtigten in den Streitjahren 1972 bis 1974 Rentenbezüge von mehr als 2.400 DM zur Verfügung stehen, die zu seinem Unterhalt bestimmt oder geeignet sind, ist bei ihm keine Bedürftigkeit im Sinne des § 33a Abs. 1 EStG gegeben.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da das FG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - nicht geprüft hat, inwieweit das der Schwiegermutter des Klägers eingeräumte Wohnrecht auf die Unterhaltsleistungen anzurechnen ist. Der Senat verweist daher die Sache an das FG zurück, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt.