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BFH-Urteil vom 22.10.1980 (II R 167/78) BStBl. 1981 II S. 172

Schenkt ein Ehegatte dem anderen ein Grundstück in der Weise, daß eingetragene Grundpfandrechte bestehen bleiben, besteht keine tatsächliche Vermutung dafür, daß der Schenker auch von der persönlichen Schuld befreit sein solle (Aufgabe der Rechtsauffassung des Urteils vom 13. Juli 1960 II 173/58 U, BFHE 71, 436, BStBl III 1960, 412).

GrEStG 1940 § 3 Nr. 2, §§ 10, 11.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Am 25. April 1974 schloß die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit ihrem Ehemann eine als "Schenkungsvertrag" bezeichnete notariell beurkundete Vereinbarung ab. Nach deren Inhalt schenkte der Ehemann der Klägerin diesen Grundbesitz, der mit einer Fremdgrundschuld in Höhe von 4.500 DM und einer Eigentümergrundschuld in Hohe von 200.000 DM belastet war. Die Klägerin erklärte, diese Belastungen zu übernehmen und nahm die Schenkung an. Die Eigentümergrundschuld war seit dem 20. Mai 1971 an die Stadtsparkasse abgetreten. Die Abtretung wurde erst 1975 im Grundbuch eingetragen. In der Folgezeit ließ die Klägerin eine weitere Grundschuld über 200.000 DM als Eigentümergrundschuld eintragen, die ebenfalls an die Stadtsparkasse abgetreten wurde.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte zunächst mit Bescheid vom 14. Mai 1974 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 315 DM fest (Besteuerungsgrundlage 4.500 DM). Im Einspruchsverfahren erlangte das FA Kenntnis davon, daß die Eigentümergrundschuld, die im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung unter den Eheleuten bereits eingetragen war, an die Stadtsparkasse abgetreten war. In der Einspruchsentscheidung vom 2. März 1976 setzte es deshalb die Grunderwerbsteuer auf 14.315 DM fest.

Während des Laufes des Klageverfahrens hat die Stadtsparkasse aufgrund eines Beweisbeschlusses mitgeteilt, die im Mai 1971 an sie abgetretene Grundschuld habe am 25. April 1974 zur Sicherung einer Forderung in Höhe von 499.750, 41 DM gedient. Daraufhin hat das FA am 24. Mai 1977 einen geänderten Bescheid erlassen und die Steuer auf 35.297,50 DM festgesetzt. Die Klägerin hat diesen Bescheid zum Gegenstand ihrer Klage gemacht und begehrt Aufhebung der Steuerfestsetzung.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage nur zum Teil stattgegeben und die Steuer auf 14.315 DM herabgesetzt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, bei Schenkung eines Grundstücks unter Ehegatten unter Übernahme dinglicher Belastungen durch die beschenkte Ehefrau spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, daß der Schenker im Innenverhältnis von der persönlichen Schuld befreit sein solle. Dies gelte insbesondere, wenn der Wert des geschenkten Grundstücks die persönlichen Schulden weit übersteige. Daß letzteres der Fall sei, ergebe sich aus der Bestellung und Abtretung einer weiteren Eigentümergrundschuld durch die Klägerin.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Grundstücksübertragung unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -) aus der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG), nämlich aus dem Wert der von der Klägerin übernommenen Grundstücksbelastungen. insoweit ist sie von der Grunderwerbsteuer nicht nach § 3 Nr. 2 GrEStG befreit.

Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind u. a. Schenkungen unter Lebenden i. S. des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) von der Grunderwerbsteuer befreit. Schenkungen unter Auflagen sind gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG nur insoweit von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz ausgenommen, als der Wert des Grundstücks (§ 12 GrEStG) den Wert der Auflage übersteigt. Grunderwerbsteuerrechtlich stellt sich die einer Schenkung beigefügte Auflage soweit sie die Bereicherung des Beschenkten vermindert, anders als im bürgerlichen Recht als Gegenleistung dar (vgl. Urteil des Senats vom 17. September 1975 II R 42/70 BFHE 117, 280, BStBl II 1976, 126). § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG dient auf diese Weise der Gleichstellung der gemischten Schenkung und der Auflagenschenkung im grunderwerbsteuerrechtlichen Bereich.

Das FG konnte nicht ohne weitere Sachaufklärung davon ausgehen, daß die Klägerin den Schenker im Innenverhältnis von der persönlichen Schuld in Hohe des L Nominalbetrages der dinglichen Belastungen, die sie übernommen hat, befreite. Allerdings soll bei einer Schenkung eines mit einem Grundpfandrecht belasteten Grundstücks zwischen Ehegatten nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 16. Juni 1928 II A 294/28 (Steuer und Wirtschaft 1928 Nr. 624 - StuW 1928, 624 -) eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, daß der Beschenkte den Schenker von der persönlichen Schuld befreit, auch wenn hierüber keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde. Der Senat, der in seinem Urteil vom 13. Juli 1960 II 173/58 U (BFHE 71, 436, BStBl III 1960, 412) eine Grundschuld betreffend diesem Urteil noch beigetreten ist, vermag an dieser Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten. Im Hinblick auf die vielfältigen vermögensrechtlichen Ansprüche unter Ehegatten (Anspruch auf Zugewinnausgleich, Anrechnung von Schenkungen, Abgeltung der Arbeitsleistung der Ehefrau, vgl. auch Urteil des Senats vom 11. Juni 1980 II R 13/78, BFHE 131, 89, BStBl II 1980, 607) kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, daß keine ausdrücklichen Vereinbarungen im Innenverhältnis getroffen werden. Eine tatsächliche Vermutung i. S. einer allgemein anerkannten Lebenserfahrung besteht daher nicht.

Das FG wird nunmehr Feststellungen darüber zu treffen haben, ob und ggf. inwieweit die Klägerin im Innenverhältnis den Schenker von seinen Verbindlichkeiten befreien sollte. Sollte es zum Ergebnis kommen, daß die Klägerin ihren Ehemann im Innenverhältnis nicht von Verbindlichkeiten befreien sollte, so ist der Wert der übernommenen Belastung unter Berücksichtigung des Wertes von Ausgleichsansprüchen gegenüber dem Ehemann zu schätzen (vgl. In diesem Zusammenhang BFHE 71, 436, BStBl III 1960, 412 und das Urteil vom 27. Januar 1965 II 92/62 U, BFHE 81, 552, BStBl III 1965, 199). Das gilt auch, wenn nicht eine Schenkung unter Auflage, sondern eine reine Schenkung eines belasteten Grundstücks vorliegt (Urteil vom 20. April 1977 II R 48/76, BFHE 122, 355, BStBl II 1977, 676).