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BFH-Urteil vom 11.12.1980 (V R 34/77) BStBl. 1981 II S. 234

Der Investitionsentschluß aus Anlaß der Errichtung eines Bauwerks (Kfz-Werkhalle), das zu einem Drittel der Baukosten aus einer vor dem 9. Mai 1973 bestellten Hallenkonstruktion in Skelett-Stahlbauweise besteht, ist einheitlich, so daß gemäß § 27 Abs. 15 letzter Satz UStG 1973 für den Beginn der Herstellung der Zeitpunkt der Einreichung des Bauantrags maßgeblich ist.

UStG 1973 §§ 30, 27 Abs. 15.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt den Handel mit Landmaschinen und Kraftfahrzeugen sowie eine Kfz-Reparaturwerkstatt und eine Tankstelle in der Gemeinde B. Er errichtete in den Jahren 1973 und 1974 eine Kfz-Werkhalle, die er im August 1974 in Betrieb nahm. Die Gesamtbaukosten beliefen sich auf rd. 176.000 DM. Davon entfielen neben den Kosten für Unterbau, Installation, Heizung und sonstige Handwerkerarbeiten ein Betrag von 65.805 DM auf die Errichtung einer Halle in Skelett-Stahlkonstruktion mit Wandelementen aus Gasbeton, die der Kläger am 30. April 1973 beim Hersteller in Auftrag gegeben hatte. In der Auftragsbestätigung vom 9. Mai 1973 räumte der Hersteller dem Kläger das Rücktrittsrecht vom Vertrag für den Fall ein, daß die Baugenehmigung für die Werkhalle nicht erteilt werden sollte.

Wegen dieser Baugenehmigung führte der Kläger am 2. Mai 1973 mit seinem Gemeindebürgermeister und dem Kreisbaumeister des Landratsamtes eine Grundstücksbesichtigung durch. Diese rieten dem Kläger davon ab, den Bauantrag noch am selben Tage förmlich zu stellen, weil die zu bebauende Grundstücksfläche noch nicht vermessen war. Der Bauantrag wurde am 3. Juli 1973 bei der Gemeinde eingereicht.

Im Rahmen der endgültigen Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1974 zog der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Kläger wegen der Zuführung der Kfz-Werkhalle zur Nutzung als Anlagevermögen zur Selbstverbrauchsteuer gemäß § 30 des Umsatzsteuergesetzes i. d. F. des Art. 6 § Nr. 12 des Steueränderungsgesetzes 1973 vom 26. Juni 1973 - UStG 1973 - (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) heran und setzte die Selbstverbrauchsteuer mit 19.362,73 DM an. Gemäß § 27 Abs. 15 letzter Satz UStG 1973 sei der bei Gebäuden maßgebliche Antrag auf Baugenehmigung nach dem 8. Mai 1973, nämlich am 3. Juli 1973, gestellt worden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage hat der Kläger begehrt, die Selbstverbrauchsteuerpflicht der Zuführung der Kfz-Werkhalle zum Anlagevermögen zu verneinen und die Umsatzsteuer 1974 entsprechend niedriger festzusetzen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe ein Gebäude errichtet, so daß § 27 Abs. 15 letzter Satz UStG 1973 maßgeblich sei. Nach den anzuwendenden Vorschriften der Bayerischen Bauordnung - BayBO - (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1962 S. 1979 - BayGVBl 1962, 179 -) könne in der Verhandlung vom 2. Mai 1973 noch nicht die Stellung eines förmlichen Bauantrages im Sinne des Art. 86 BayBO gesehen werden. Von seiten des Gemeindebürgermeisters und des Kreisbaumeisters als dem leitenden bautechnischen Beamten des Landratsamtes sei auch keine verbindliche Zusage auf Erteilung einer Baugenehmigung erteilt worden, da sie hierzu nicht befugt gewesen seien.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die von ihm erstrebte Nichterhebung von Selbstverbrauchsteuer rechtfertige sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Er müsse so gestellt werden, wie wenn er den Bauantrag bereits am 2. Mai 1973 gestellt hätte. Der Gemeindebürgermeister und der Kreisbaumeister hätten ihn am 2. Mai 1973 bewogen, den formellen Bauantrag zurückzustellen. Sein daraufhin gezeigtes Entgegenkommen dürfe ihm jetzt nicht zum Nachteil gereichen. Im übrigen berufe er sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 32/75 (BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289); bezüglich der Kfz-Werkhalle sei seine Investitionsentscheidung bereits vor dem 9. Mai 1973, nämlich mit der Bestellung der Halle am 30. April 1973 gefallen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Der erkennende Senat hat in seinen Urteilen in BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289, und vom 27. September 1979 V R 60/76 (BFHE 129, 95, BStBl II 1980, 83) ausgeführt, daß die neue, durch das Steueränderungsgesetz 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) eingeführte Selbstverbrauchsteuer (§ 30 UStG 1973) aufgrund ihrer Zielsetzungen als konjunkturdämpfende Maßnahme vorrangig an den Investitionsentschluß des Unternehmers anknüpft, der sich in der Bestellung bzw. im Beginn der Herstellung eines Wirtschaftsgutes verwirklicht. Solche Investitionsentschlüsse werden gemäß § 30 i. V. m. § 27 Abs. 15 UStG 1973 von der Selbstverbrauchsteuer dann nicht erfaßt, wenn der Unternehmer sie vor dem 9. Mai 1973 getroffen hat, mag auch die Zuführung des neu geschaffenen oder erworbenen Wirtschaftsgutes nach diesem Zeitpunkt liegen. Bei der Errichtung von Gebäuden gilt gemäß § 27 Abs. 15 letzter Satz UStG 1973 als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird. Diese Vorschrift greift nur ein, wenn eine Investition sich nur als ein einheitlicher Herstellungsvorgang in bezug auf ein Wirtschaftsgut beurteilen läßt (BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289).

1. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Der Kläger hat durch fremde Unternehmer eine Kfz-Werkhalle mit den Gesamtkosten von rd. 176.000 DM errichten lassen. Bei diesem Gebäude entfielen nur 37 v. H. der Baukosten auf die Hallenkonstruktion in Skelett-Stahlbauweise. Die übrigen, fast doppelt so hohen Bauaufwendungen waren erforderlich, um eine für das Unternehmen des Klägers verwendbare Kfz-Werkhalle zu schaffen. Bei dieser Sachlage war die Hallenkonstruktion, die der Kläger am 30. April 1973 bestellt hatte, weder bautechnisch noch von ihrer Funktion her gesehen, ein abtrennbares, einem gesonderten Investitionsentschluß zugängliches Wirtschaftsgut. Alle Aufträge, die der Kläger zur Errichtung der Kfz-Werkhalle vergeben hat, bedingten einander und waren untrennbar miteinander verknüpft. Die Errichtung der Kfz-Werkhalle kann demnach nicht in verschiedene Vorgänge aufgespalten werden. Insbesondere kann nicht angenommen werden, der Kläger habe einen Investitionsentschluß durch die Bestellung einer Werkhalle in Fertigbauweise verwirklicht, so daß dahingestellt bleiben kann, ob diese bautechnische Voraussetzung gegeben war. Der Investitionsentschluß des Klägers war vielmehr auf die Errichtung einer betriebsfähigen Kfz-Werkhalle gerichtet, mithin auf die Errichtung eines auf seine betrieblichen Zwecke ausgerichteten Gebäudes. Ein Vergleich mit der Errichtung eines typengenormten Fertighauses (vgl. Art. 94 BayBO) ist nicht statthaft, da hier (auf vorbereiteten Fundamenten) vom Werkunternehmer ein vollkommen funktionstüchtiges Bauwerk dem Besteller geliefert wird.

2. Es ist mithin davon auszugehen, daß der Kläger ein Gebäude im Sinne des § 27 Abs. 15 letzter Satz UStG 1973 errichtet hat, für das als Zeitpunkt des Beginns der Herstellung der Antrag auf Baugenehmigung maßgeblich ist. Da dieser Antrag nach dem 9. Mai 1973, nämlich am 3. Juli 1973, gestellt worden ist, und die Zuführung der Kfz-Werkhalle im August 1974 erfolgte, ist der Steuertatbestand des Selbstverbrauchs im Sinne des § 30 UStG 1973 im Jahre 1974 verwirklicht. In den Vorverhandlungen vom 2. Mai 1973 kann die Stellung eines Bauantrages nicht gesehen werden. Erforderlich ist nach den hier maßgeblichen Vorschriften der Bayerischen Bauordnung ein formgerechter schriftlicher Antrag, der bei der örtlichen Gemeinde einzureichen ist (vgl. Mang/Simon, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Art. 86 Rdnr. 2).

Das FA ist nicht gehalten, aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben einen früheren .Antragstermin (nämlich den 2. Mai 1973) seiner steuerrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Die Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben wenden sich an die Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses und gebieten, daß im Rechtsverkehr jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der andere vertraut hat, nicht in Widerspruch setzt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 4 Anm. 56, 57). Dem FA kann jedoch ein in diesem Sinne widersprüchliches Verhalten nicht vorgeworfen werden. Der Kläger beanstandet vielmehr, daß das Verwaltungshandeln der Kommunalbehörde und der inneren Staatsverwaltung sich steuerrechtlich zu seinem Nachteil ausgewirkt hat. Dieses Verwaltungshandeln ist aber Gegenstand eines anderen konkreten Rechtsverhältnisses; es hat überdies zu einem Zeitpunkt stattgefunden, in dem der Ankündigungseffekt, den die Bundesregierung am 9. Mai 1973 mit dem Beschluß eines Zweiten Stabilitätsprogramms zur Dämpfung der Konjunktur und zur Bremsung des Preisanstiegs (u. a. Einführung der neuen Selbstverbrauchsteuer) setzte, nicht vorhersehbar war.