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BFH-Urteil vom 26.11.1980 (II R 125/78) BStBl. 1981 II S. 284

Ermittlung des Kapitalwerts einer Kaufpreisrente bei Berechnung der Grunderwerbsteuer für einen Kaufvertrag über ein Grundstück, an dem den Verkäufern Miteigentum nach Bruchteilen zusteht.

BGB §§ 157, 420, 432, 433 Abs. 2, §§ 841, 747 Satz 2, § 1008 ff.; GrEStG NW § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1, § 13; BewG 1965 § 1 Abs. 1, § 14 Abs. 4; AOAnwG NW § 1 Abs. 1 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), kaufte 1973 ein in Nordrhein-Westfalen liegendes bebautes Grundstück. Das Eigentum an diesem Grundstück stand den drei Verkäufern nach Bruchteilen zu, und zwar A zu 1/2, seinem Bruder B zu 1/4 und dessen Ehefrau E ebenfalls zu 1/4. Als Kaufpreis hatte die Klägerin an die Verkäufer einen einmaligen Betrag von 100.000 DM ("zur Abgeltung aufstehender Gebäulichkeiten") und "eine monatliche Kaufpreisrente von DM 3.500" ("für den Grund und Boden") zu zahlen. Die Beteiligten streiten über den Kapitalwert der Kaufpreisrente. Über sie war im wesentlichen folgendes vereinbart:

Die Rente war "beginnend am 1. Dezember 1973, allmonatlich jeweils am Ersten eines jeden Kalendermonats im voraus... an die Verkäufer zu zahlen, und zwar auf Lebzeiten von B zu dessen Händen, nach dessen Tode an A auf dessen Lebenszeit und alsdann an E auf deren Lebenszeit". Jeder der Verkäufer sollte "unmittelbar anteilig rentenberechtigt" sein. Dem "Überlebenden beziehungsweise Längstlebenden der Verkäufer" sollte "die Rente in vollem Umfange" zustehen. Falls die Ehefrau des Verkäufers A, "Frau AE ... den Längstlebenden der drei Verkäufer überleben" sollte, sollte "ihr die gleiche Rente in gleichem Umfange nach dem Tode des Längstlebenden der drei Verkäufer auf ihre Lebenszeit in vollem Umfange zustehen". Jeder der Verkäufer sollte berechtigt sein, "anstelle der vorbezeichneten Rente einen einmaligen Kaufpreisbetrag als Kaufpreisrest zu verlangen". Dieses Wahlrecht sollten sie "nur einheitlich ausüben" können. Am Tage des Vertragsabschlusses waren A 62 Jahre, B 61 Jahre, E 48 Jahre und AE 63 Jahre alt. "Alle Zahlungen aufgrund dieses Kaufvertrages" sollten "mit befreiender Wirkung wie folgt zu leisten" sein: "Solange alle drei Verkäufer leben an B und E zu je 1/4 und an A zu 1/2. Bei Vorversterben eines Berechtigten geht dessen Zahlungsanspruch an den jeweiligen Ehegatten auf dessen Lebenszeit wie vorbezeichnet über, bei Vorversterben eines Ehepaares - somit beider Ehegatten - an das längstlebende Ehepaar - unter sich zu gleichen Teilen - jedoch in jedem Falle nur auf den Längstlebenden allein und in vollem Umfange wie vorbezeichnet, jedoch auf Frau AE nur für den Fall deren Längstlebens."

Die Klägerin ist der Auffassung, die Kaufpreisrente müsse den Miteigentumsanteilen der Veräußerer entsprechend aufgeteilt und nach dem jeweiligen Lebensalter der Veräußerer getrennt kapitalisiert werden. Das führe gemäß § 14 Abs. 1 und 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965 zu einem Kapitalwert der Rentenverpflichtung für A von 210.000 DM, für B von 105.000 DM, für E von 147.000 DM, zusammen also von 462.000 DM. Die Grunderwerbsteuer sei somit aus einem Wert der Gegenleistung von (462.000 DM + 100.000 DM =) 562.000 Dazu berechnen und betrage sonach (7 v. H. aus 562.000 DM =) 39.340 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hingegen ist der Ansicht, die vereinbarte Aufteilung der Rentenzahlung stelle eine interne Regelung dar, die für die Ermittlung des Kapitalwerts der Rente keine rechtliche Bedeutung habe, zumal der monatliche Rentenbetrag bis zum Tode des Längstlebenden in vollem Umfang erhalten bleibe. Der Kapitalwert der Rente betrage gemäß § 14 Abs. 1 und 2 BewG 1965 das 14fache der einjährigen Nutzung, also (14 x 3.500 DM x 12 =) 588.000 DM. Der Vervielfacher 14 sei deshalb anzuwenden, weil die Dauer der Leistung von der Lebenszeit mehrerer Personen abhänge, so daß gemäß Abs. 4 des § 14 BewG 1965 "das Lebensalter des Jüngsten maßgebend" sei. Der Wert der Gegenleistung betrage somit (588.000 DM + 100.000 DM =) 688.000 DM. Das FA setzte dementsprechend durch Bescheid vom 19. Juli 1974 die Grunderwerbsteuer auf (7 v. H. aus 688.000 DM =) 48.160 DM fest; den Einspruch wies es zurück. Die Steuer ist entrichtet.

Das Finanzgericht (FG) hat die Anfechtungsklage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die unrichtige Anwendung des § 14 Abs. 4 und 6 BewG 1965. Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Grunderwerbsteuer auf 39.340 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zu verwerfen, hilfsweise, sie zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Kaufvertrag über das bezeichnete Grundstück unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -). Die Steuer ist vom Wert der Gegenleistung zu berechnen (§ 10 Abs. 1 GrEStG). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf " der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen" (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Im vorliegenden Falle besteht der Kaufpreis in der Zahlung eines Geldbetrags von 100.000 DM und in der Zahlung einer Rente von monatlich 3.500 DM "an die Verkäufer". Der Wert dieser Gegenleistung ist zu ermitteln nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes (§ 1 Abs. 1 BewG vom 16. Oktober 1934 i. d. F. vom 10. Dezember 1965, BGBl I 1965, 1861, BStBl I 1966, 2, i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Anwendung der Reichsabgabenordnung und anderer Abgabengesetze auf öffentlich-rechtliche Abgaben, die der Gesetzgebung des Landes unterliegen und durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden, vom 4. Januar 1955, Gesetz- und Verordnungsblatt 1955 S.3, BStBl II 1955, 29). Demgemäß ist die Forderung der Verkäufer gegen die Klägerin auf Zahlung von 100.000 DM mit ihrem Nennwert anzusetzen, zumal Umstände, die einen höheren oder geringeren Wert begründen könnten, nicht festgestellt sind (§ 12 Abs. 1 BewG 1965). Die Forderung der Verkäufer gegen die Klägerin auf Zahlung einer monatlichen Rente von 3.500 DM ist, da die Dauer der Zahlung von der Lebenszeit mehrerer Personen abhängt, nach § 14 BewG 1965 zu bewerten. Demgemäß bestimmt sich ihr Wert nach dem Lebensalter des Jüngsten, also nach dem der Frau E (Abs. 4 des § 14 BewG 1965). Bei deren Alter von damals 48 Jahren ist als Wert das 14fache des Werts der einjährigen Leistung anzusehen, also (14 x 3.500 DM x 12 =) 588.000 DM.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Kaufpreisrente nicht entsprechend den Miteigentumsanteilen der Verkäufer aufzuteilen und nach dem jeweiligen Lebensalter der Verkäufer zu kapitalisieren. Denn die Rentenforderung steht den Verkäufern gemeinschaftlich zu; d. h. jeder von ihnen kann zwar die ganze Leistung fordern, jedoch nicht an sich allein, sondern nur an alle gemeinsam (§ 432 BGB, sogenannte Mitgläubigerschaft). Das folgt daraus, daß der Kaufvertrag, dem die Forderung entstammt, sich auf ein Grundstück bezieht, an dem den Verkäufern Miteigentum nach Bruchteilen zustand (§§ 1008 ff. BGB) und über das "im ganzen" sie nur gemeinschaftlich verfügen konnten (§§ 741, 747 Satz 2 BGB; vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 4. Mai 1955 IV ZR 185/54, BGHZ 17, 181, 184). Damit in Einklang steht die in § 2 des Kaufvertrags enthaltene Vereinbarung, daß die Rente "an die Verkäufer" zu zahlen ist und daß diese, "solange mehrere Rentenberechtigte vorhanden sind, das ... Wahlrecht" (d. h. das Verlangen nach "Umwandlung der Rente in einen Kaufpreisrestbetrag") "nur einheitlich ausüben" können. Die Vermutung des § 420 BGB, wonach, wenn " mehrere eine teilbare Leistung zu fordern" haben, "im Zweifel ... jeder Gläubiger nur zu einem gleichen Anteile berechtigt" ist, gilt hier nicht, weil die bezeichnete Rentenforderung - entsprechend dem Wesen der Gemeinschaft - auf eine im Rechtssinne unteilbare Leistung gerichtet ist (vgl. BGH-Urteil vom 11. Juli 1958 VIII ZR 108/57, Neue Juristische Wochenschrift 1958 S. 1723 - NJW 1958, 1723-, betreffend das Geltendmachen einer Mietzinsforderung durch eine Vermietergemeinschaft' und BGH-Urteil vom 29. Januar 1969 VIII ZR 20/67, NJW 1969, 839, betreffend die Untervermietung einer von mehreren Metern gemeinschaftlich gemieteten Sache). Die Vereinbarung, daß "jeder der Verkäufer unmittelbar anteilig rentenberechtigt" ist, ist dahin auszulegen (§ 157 BGB), daß zwar jedem von ihnen ein Anspruch auf einen entsprechenden Teil der Kaufpreisrente zusteht, dieser Anspruch sich aber ausschließlich gegen die anderen Mitgläubiger richtet, die Klägerin (Schuldnerin) wird von dieser internen Verteilung der Rente nicht betroffen. Diese Vertragsauslegung berücksichtigt, daß es für die Klägerin (Schuldnerin) günstiger ist, die monatliche Rentenschuld jeweils durch Zahlung eines Betrags an einen der Gläubiger tilgen zu können, als Teilbeträge an verschiedene Gläubiger entrichten zu müssen. Denn in dem letztgenannten Fall müßte die Klägerin mehrere Überweisungsaufträge erteilen und die Kosten der mehreren Überweisungen tragen (§ 270 Abs. 1 BGB). Sie müßte zusätzlich die Höhe der einzelnen Teilbeträge und deren Gläubiger ermitteln.