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BFH-Urteil vom 3.12.1980 (II R 162/78) BStBl. 1981 II S. 326

Erwirbt jemand ein innerhalb des Anwendungsbereiches eines für rechtsverbindlich gehaltenen Bebauungsplanes belegenes unbebautes Grundstück zur Bebauung, das jedoch wegen seines Zuschnitts und wegen nicht ausreichender Wasserversorgung noch nicht bebaubar ist, so ist eine im Zusammenhang mit dem Beschluß zur Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes angeordnete Veränderungssperre i. S. des § 14 BBauG auch dann kein die Nachversteuerungsfrist unterbrechendes Ereignis i. S. des § 4 Abs. 11 Satz 1 GrEStG in der in Hessen geltenden Fassung, wenn mit dem neuen Bebauungsplan Planvorstellungen verwirklicht werden sollen, die von den Festsetzungen des bisher für rechtsverbindlich gehaltenen Bebauungsplanes abweichen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt des Erwerbes des Grundstückes der Zeitpunkt des Eintritts der Bebaubarkeit noch nicht absehbar ist.

GrEStG Hessen § 4 Abs. 11 Satz 1 (bis 1970: Abs. 10 Satz 1).

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. September 1968 kauften die Kläger zu je einem ideellen Drittel ein unbebautes Grundstück. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) verfügte antragsgemäß, daß von der Erhebung der Grunderwerbsteuer teilweise vorläufig abgesehen werde.

Als sich herausstellte, daß das Grundstück nach Ablauf von fünf Jahren seit der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung noch unbebaut war, setzte das FA durch drei endgültige Steuerbescheide vom 20. März 1975 gegen die Kläger eine Grunderwerbsteuer von je ... DM fest. Die Einsprüche, mit denen geltend gemacht wurde, daß die fünfjährige Bebauungsfrist nicht zugrunde gelegt werden dürfe, blieben ohne Erfolg. Auf die Klagen hat das Finanzgericht (FG) die angefochtenen Steuerbescheide sowie die Einspruchsentscheidungen aufgehoben. Es hat die Auffassung vertreten, daß die fünfjährige Frist des § 4 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der in Hessen geltenden Fassung (GrEStG) aufgrund eines der Bebauung entgegenstehenden Hindernisses unterbrochen worden sei (vgl. § 4 Abs. 11 Satz 1 - bis 1970 Abs. 10 Satz , - GrEStG).

Zur baurechtlichen Lage hat es folgende Ausführungen gemacht: Das erworbene Grundstück sei in einem Gebiet gelegen, für das ein Teilbebauungs- und Teilfluchtlinienplan der Gemeinde A aus dem Jahre 1957 bestanden habe, der eine Ein- und Zweifamilienhausbebauung in aufgelockerter Bauweise vorgesehen habe und zur Zeit des Grundstückserwerbs allgemein für rechts verbindlich angesehen worden sei. Der Zuschnitt des Grundstücks, das an der Straße nur 10m breit sei, habe mit dem Teilbebauungsplan nicht übereingestimmt. Die Erschließung sei nicht gesichert gewesen, weil die Wasserversorgung für das gesamte Baugebiet nicht ausreichend gewesen sei. Es sei die Absicht der Gemeinde A gewesen, eine Baulandumlegung anzuordnen und die Wasserversorgung zu sichern. Wann das Grundstück baureif sein würde, habe von der Gemeinde A im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs nicht angegeben werden können.

Am 1. Oktober 1970 habe die Gemeindevertretung beschlossen, einen neuen qualifizierten Bebauungsplan aufzustellen, weil nunmehr der Bebauungsplan aus dem Jahre 1957 mangels Genehmigung durch den Regierungspräsidenten als unwirksam angesehen worden sei. Im zeitlichen Zusammenhang damit sei eine Veränderungssperre beschlossen und nach Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde ortsüblich bekanntgemacht worden. Die Veränderungssperre sei frühestens im November 1973 außer Kraft getreten.

Nachdem die Gemeinde A in die Stadt B eingemeindet worden sei, sei der Bebauungsplanentwurf im April/Mai 1972 offengelegt worden. Aufgrund von Einwendungen von Trägern öffentlicher Belange sei es zu Verzögerungen in der weiteren Bearbeitung des Bebauungsplanes gekommen. Am 15. November 1975 sei ein Umlegungsbeschluß der Stadt B ortsüblich bekanntgemacht worden.

Zur Frage der Erfüllung der Voraussetzungen für die Unterbrechung der Bebauungsfrist (§ 4 Abs. 11 GrEStG) hat das FG die Auffassung vertreten, daß die von der Gemeinde A angeordnete Veränderungssperre ein Bauhindernis gewesen sei, das zur Unterbrechung der Bebauungsfrist geführt habe. Denn die Anordnung der Bebauungssperre habe gegenüber der baurechtlichen Lage im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks Erschwernisse für die Klägerin ausgelöst. Unerheblich sei, ob die Veränderungssperre ursächlich für die Fristüberschreitung gewesen sei ob das Bauvorhaben auch ohne diese Veränderungssperre fristgerecht hätte verwirklicht werden können.

Mit seiner durch den erkennenden Senat zugelassenen Revision hat das FA geltend gemacht daß das angefochtene Urteil auf einer Verletzung des § 4 Abs. 11 GrEStG beruhe. Das Grundstück sei im Zeitpunkt des Erwerbs mangels Umlegung und Erschließung nicht bebaubar gewesen. Die vorübergehende Veränderungssperre habe diesen rechtlichen Zustand nicht geändert. Deshalb könne die Veränderungssperre nicht als Hindernis i. S. des § 4 Abs. 11 GrEStG angesehen werden.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die strittige Grunderwerbsteuer ist dadurch entstanden, daß das erworbene Grundstück bei Ablauf der fünfjährigen Nachversteuerungsfrist noch nicht bebaut war (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).

Die Nachversteuerungsfrist ist entgegen der, Auffassung der Kläger nicht durch ein Bebauungshindernis i. S. des § 4 Abs. 11 Satz 1 (bis 1970: Abs. 10 Satz 1) GrEStG unterbrochen worden. Dies hätte nach der Rechtsprechung des Senats vorausgesetzt, daß nach dem Erwerb des Grundstücks ein Hindernis eintrat, das der Verwirklichung des begünstigten Zwecks entgegenstand (Urteil vom 2. Februar 1977 II R 4/72, BFHE 121, 531, BStBl II 1977, 484). Ein solches Hindernis läßt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen.

Als die Kläger das Grundstück kauften, war es nicht bebaubar. Es lag zwar ein damals für rechtsverbindlich gehaltener Teilbebauungs- und Fluchtlinienplan der Gemeinde A aus dem Jahr 1957 vor. Das erworbene Grundstück war jedoch wegen der Straßenfront von nur 10 m erst nach einer Umlegung bebaubar. Auch war die Wasserversorgung nicht gesichert. Ein nachträgliches Hindernis kann nicht darin gesehen werden, daß die Herstellung der Baureife durch die Gemeinde nicht den von den Klägern erwarteten Lauf nahm (BFHE 121, 531, 534, BStBl II 1977, 484).

Auch die im Zusammenhang mit Beschluß der Gemeinde A vom 1. Oktober 1970 angeordnete Veränderungssperre war kein Hindernis i. S. des § 4 Abs. 11 Satz 1 GrEStG. Es mag, zwar sein, daß die Veränderungssperre nicht die in dem Teilbebauungs- und Fluchtlinienplan aus dem Jahr 1957 vorgesehene Ein- und Zweifamilienhausbebauung in aufgelockerter Bauweise, sondern eine nunmehr geplante verdichtete Bebauung sichern sollte und daß deshalb die neuen Planvorstellungen (zumindest zunächst) den Bauplänen der Kläger nicht förderlich waren. Gleichwohl vermag der Senat in der Veränderungssperre deshalb kein nachträgliches Hindernis i. S. des § 4 Abs. 11 Satz 1 GrEStG zu sehen, weil das Grundstück im Erwerbszeitpunkt ohnehin nicht bebaubar war und überdies die Gemeinde nach einer am 15. August 1968 erteilten Auskunft nicht in der Lage war, einen Termin für eine Bebauung des Grundstücks anzugeben. Bei dieser Sachlage haben die Kläger trotz des § 4 Abs. 11 Satz 1 GrEStG das grunderwerbsteuerrechtliche Risiko der rechtzeitigen Bebauung des erworbenen Grundstücks zu tragen.

Wenn das FG demgegenüber § 4 Abs. 11 Satz 1 GrEStG im vorliegenden Fall anwendet, so unterstellt es im Endergebnis, daß die Bebauung ohne die Veränderungssperre rechtzeitig durchgeführt worden wäre. Hierfür aber gibt es angesichts der Auskunft der Gemeinde keine Anhaltspunkte. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß es einer nachträglichen Veränderungssperre stets die Eigenschaft eines der Bebauung entgegenstehenden Hindernisses zubilligen wollte. Andernfalls müßte die Vorschrift des § 4 Abs. 11 Satz 1 GrEStG auch dann gelten, wenn die Veränderungssperre erst gegen Ende der Bebauungsfrist beschlossen wird und deshalb ohnehin nicht mehr mit einer rechtzeitigen Bebauung gerechnet werden kann. Das aber wäre mit dem Sinn und Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren.

Der Senat entnimmt § 4 Abs. 11 Satz 1 GrEStG auch nicht, daß in jedem Einzelfall ermittelt werden müsse, welche Entwicklung ohne das als nachträgliches Hindernis denkbare Ereignis wahrscheinlich eingetreten wäre. In diesem Falle würden sich vielfach unüberwindliche Schwierigkeiten für die Ermittlung des wahrscheinlichen Geschehensablaufs ergeben. Da der Erwerber eines Grundstücks nach der Regelung des § 4 Abs. 3 GrEStG grundsätzlich grunderwerbsteuerrechtlich das Bebauungsrisiko trägt, wenn er ein nicht bebaubares Grundstück erwirbt, ist es gerechtfertigt, ihm dieses Risiko auch bei Eintritt eines nachträglichen Ereignisses, daß der Bebauung hinderlich sein könnte, nicht abzunehmen. Danach ist die Nachversteuerung im vorliegenden Fall zu Recht erfolgt.

Ob etwas anderes dann gilt, wenn das Grundstück im Erwerbszeitpunkt zwar noch nicht bebaubar ist, der Zeitpunkt des Eintritts der Bebaubarkeit aber mit großer Wahrscheinlichkeit in Kürze zu erwarten ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Daß in anderen Ländern angesichts anderer gesetzlicher Regelungen möglicherweise eine andere Rechtslage als in Hessen besteht, muß bei der Auslegung des § 4 Abs. 11 Satz 1 GrEStG unberücksichtigt bleiben. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach unterschiedliche landesrechtliche Regelungen übereinstimmend ausgelegt werden müssen. Grundsätzlich hat der Landesgesetzgeber den Gleichheitssatz nur im Bereiche seines Landes zu beachten (vgl. BVerfGE 10, 354, 371; 12, 139, 143; 12, 319, 324; 17, 319, 331, ständige Rechtsprechung). Ob sich hieran dadurch etwas geändert hat, daß dem Bund ab 1. Januar 1970 die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Grunderwerbsteuerrecht übertragen wurde, und er, beginnend mit § 77 des Städtebauförderungsgesetzes vom 27. Juli 1971 (BGBl I, 1125), hiervon zunehmend Gebrauch gemacht hat, kann dahinstehen; denn bei § 4 Abs. 11 (früher Abs. 10) GrEStG handelt es sich um Landesrecht aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I, 359). Im übrigen hat der Bundesgesetzgeber bis zur Verwirklichung des Nachversteuerungstatbestandes im vorliegenden Falle keine Gesetze erlassen, die den Bereich des Erwerbs von Grundstücken zur Bebauung mit steuerbegünstigten Gebäuden regelten.