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BFH-Beschluß vom 24.2.1981 (VII B 66/80) BStBl. 1981 II S. 348

Ein die Veräußerung hinderndes Recht i. S. des § 262 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist jedes materielle Recht, das ein Dritter der Vollstreckung entgegensetzen kann.

AO 1977 § 262 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Ehemann der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) schuldet dem Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) rd. 38.000 DM an Steuern und Nebenforderungen. Mit Verfügung vom 22. Juli 1980 erließ das FA gegen den Ehemann der Antragstellerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wegen Guthaben bei einer Bank. Dabei führte das FA u. a. das Konto 506 987 700 als gepfändet auf Inhaberin dieses Kontos ist die Antragstellerin. Nach Darstellung der Antragstellerin gab die Bank ihrem Prozeßbevollmächtigten die Auskunft, daß ihr Guthaben aufgrund dieser Verfügung "noch diese Woche" an das FA überwiesen werden müsse.

Am 28. Juli 1980 beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG), im Wege einer einstweiligen Anordnung die Vollziehung des genannten Beschlusses einstweilen auszusetzen.

Das FG wies den Antrag zurück.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Dem FG ist darin zu folgen, daß für den Antrag der Antragstellerin der Finanzrechtsweg nicht gegeben ist. Nach § 262 AO 1977 ist in Fällen, in denen ein Dritter behauptet, daß ihm am Gegenstand der Vollstreckung ein .die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, der Widerspruch gegen die Vollstreckung erforderlichenfalls durch Klage vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Bei der Prüfung der Frage, ob der Finanzrechtsweg gegeben ist, ist auf die Rechtsnatur des Klagebegehrens abzustellen, wie sie sich aus dem dem Klageantrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (Urteil des erkennenden Senats vom 27. März 1979 VII R 106/75, BFHE 127, 314, 317, BStBl II 1979, 442, mit weiteren Nachweisen). Anlaß für den vorliegenden Rechtsstreit war eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung des FA nach § 309 AO 1977. Diese ist ausgebracht worden wegen Forderungen des FA gegen den Ehemann der Antragstellerin und richtete sich an die Bank. Vollstreckungsschuldner war also der Ehemann der Antragstellerin, nicht etwa diese selbst. Die Antragstellerin war daher am Vollstreckungsrechtsverhältnis nicht beteiligt. Sie wurde dies auch nicht dadurch, daß das FA in der Pfändungs- und Überweisungsverfügung als Inhaber des Girokontos der Antragstellerin irrtümlich den Vollstreckungsschuldner bezeichnete. Nichts anderes tat das FA. Denn Inhalt einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung ist nach § 309 AO 1977 das Verbot an den Drittschuldner (die Bank), an den Vollstreckungsschuldner (den Ehemann der Antragstellerin) zu zahlen, und das Gebot an den Vollstreckungsschuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten. Dem Inhalt dieser Verfügung nach kann sich also die Pfändung nur auf Forderungen beziehen, die dem Vollstreckungsschuldner zustehen.

Mit ihrem Antrag wandte sich die Antragstellerin gegen die Pfändung einer Forderung durch das FA mit der Behauptung, die gepfändete Forderung stehe nicht dem Vollstreckungsschuldner zu, sondern ihr, also einer Person, die am Vollstreckungsrechtsverhältnis nicht beteiligt ist. Sie ist somit Dritte i. S. des § 262 AO 1977. Sie macht auch geltend, ihr stehe am Gegenstand der Vollstreckung der sich aus dem Girokonto ergebenden Forderung gegen die Bank - ein "die Veräußerung hinderndes Recht" (§ 262 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) zu. Es ist allgemeine Meinung, daß diese Formulierung ungenau ist und jedes materielle Recht eines Dritten meint, das der Vollstreckung des Gläubigers in den Gegenstand entgegensteht (Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 262 AO 1977 Anm. 9; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 262 Anm. 8; Kühn/Kutter, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 262 Anm. 3; Koch, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 262 Anm. 5 a). Die Pfändung einer Forderung ist nicht zulässig, wenn die Forderung nicht dem Vollstreckungsschuldner zusteht; das Recht des Dritten an der Forderung steht also der Vollstreckung entgegen (Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Anm. 21; Klein/Orlopp, a. a. O., Anm. 8 d).

Es kann dahingestellt bleiben, ob durch die Aufnahme des Girokontos der Antragstellerin in die Pfändungs- und Überweisungsverfügung des FA überhaupt hinsichtlich dieses Kontos eine wirksame Pfändung zustande gekommen ist. Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs ist, wie ausgeführt, auf die Rechtsnatur des Klagebegehrens abzustellen. Die Antragstellerin behauptet eine Wirksamkeit der Pfändung, indem sie vorbringt, sie sei dadurch in ihren Rechten beeinträchtigt. Sie macht also Rechte i. S. des § 262 AO 1977 geltend, was sie nach dieser Bestimmung nur vor den ordentlichen Gerichten tun kann.

Fehl gehen die Einwendungen der Antragstellerin. Auf die Rechtsnatur der sich aus einem Girokonto ergebenden Forderungen kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Denn wie auch immer sich diese Rechtsnatur darstellt, ändert das nichts an der Rechtsnatur des Begehrens der Antragstellerin.