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BFH-Urteil vom 17.12.1980 (I R 220/78) BStBl. 1981 II S. 383

Die steuerrechtliche Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses i. S. des § 7a Abs. 5 KStG 1968 setzt voraus, daß der Gewinnabführungsvertrag eine dem § 302 Abs. 1 und 3 AktG entsprechende Vereinbarung über die Verlustübernahme enthält.

KStG 1968 § 7a Abs. 5 Nr. 3.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - einer GmbH - und dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ist streitig, ob das Einkommen in den Streitjahren (1971 bis 1974) der Klägerin oder - weil ein Organschaftsverhältnis vorliegt - ihrer Gesellschafterin zuzurechnen ist. Einzige Gesellschafterin war bis einschließlich 1972 die Einzelfirma F (Firma F) und danach die F GmbH & Co. KG (KG).

Die Klägerin vertrieb gegen Provision die Erzeugnisse ihrer Gesellschafterin. Am 14. Dezember 1971 schlossen beide für die Dauer von fünf Jahren einen Ergebnisabführungsvertrag, dessen § 5 folgenden Wortlaut hat:

"Da die ... GmbH im Innenverhältnis der Vertragschließenden ausschließlich für Rechnung der Firma F ... handelt, weist sie auch weiterhin keine Gewinne oder Verluste mehr aus. Sie ist vielmehr verpflichtet, den ganzen Gewinn nach Ablauf des Geschäftsjahres an die Firma F ... abzuführen bzw. mit dieser das Einkommen i. S. § 7a KStG zu verrechnen, andererseits übernimmt die Firma F ... einen etwaigen Verlust der ... GmbH."

Die Klägerin hat später ferner die Durchschrift einer nicht unterschriebenen Neufassung des Ergebnisabführungsvertrages vom 6. Juni 1973 vorgelegt.

Das FA ging bei den Veranlagungen für die Jahre 1971 und 1972 zunächst von einem steuerlich wirksamen Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der Firma F aus. Nach einer Betriebsprüfung vertrat es die Auffassung, für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses fehle es an einer dem § 302 Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG) entsprechenden Vereinbarung. Das FA änderte daraufhin am 23. Juli 1976 die Bescheide für 1971 und für 1972 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO). Gleichzeitig veranlagte das FA die Klägerin erstmalig für die Jahre 1973 und 1974.

Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 5. November 1970 bei dem damals zuständigen FA H angefragt, ob das Organschaftsverhältnis, das ursprünglich in einem Vertrag vom 10. Dezember 1956 begründet war, im Hinblick auf § 7a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) weiter anerkannt werden könne. Das FA H verwies die Klägerin an das inzwischen zuständig gewordene FA (den Beklagten) und hielt den Vorgang in einem Aktenvermerk fest. Auf die Übersendung des Ergebnisabführungsvertrages vom 14. Dezember 1971 reagierte das beklagte FA nicht und veranlagte 1971 und 1972 erklärungsgemäß.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 43 - EFG 1979, 43 -).

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt insbesondere die Verletzung des § 7a Abs. 5 KStG. Ihrer Ansicht nach entspricht die im Ergebnisabführungsvertrag vereinbarte Verlustübernahme der Regelung in § 302 AktG.

Im übrigen verstoße das FA gegen Treu und Glauben, wenn es nach anfänglicher Anerkennung des Vertrages vom 14. Dezember 1971 und entsprechender Veranlagung die Bescheide nunmehr im Wege der Gesamtaufrollung ändere.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. (1971 und 1972)

1. In dem Ergebnisabführungsvertrag vom 14. Dezember 1971 ist die Verlustübernahme durch den Organträger nicht entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart (§ 7a Abs. 5 Nr. 3 KStG). Es kann offenbleiben, ob mit dem Ausdruck "etwaiger Verlust" in § 5 Satz 2 des Ergebnisabführungsvertrages entsprechend § 302 Abs. 1 AktG der mögliche Jahresfehlbetrag der Klägerin gemeint ist und ferner, ob auf eine dem § 302 Abs. 1, 2. Halbsatz AktG entsprechende Vereinbarung verzichtet werden kann. Entscheidend ist im Streitfall, daß der Ergebnisabführungsvertrag keine Vereinbarung enthält, die den Vorschriften des § 302 Abs. 3 AktG entspricht. Nach § 7a Abs. 5 Nr. 3 KStG ist eine solche Vereinbarung notwendige Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung einer Organschaft (übereinstimmend Jurkat, Die Organgesellschaft im Körperschaftsteuerrecht, Rdnr. 500; Laube, Betriebs-Berater 1989 S. 1532 - BB 1969, 1532 -; Schmidt, GmbH-Rundschau 1971 S. 9 - GmbHR 1971, 9 -; vgl. auch Lademann, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz 1977, § 17 Anm. 5; Felix/Streck, Körperschaftsteuergesetz 1977, Kommentar, § 17 Anm. 11).

Für diese Auffassung spricht bereits der Wortlaut des Gesetzes, der eine Vereinbarung über die Verlustübernahme "entsprechend den Vorschriften der § 302 des Aktiengesetzes" fordert. Diese Formulierung ist zwar hinsichtlich des Umfangs der Einbeziehung dieser aktienrechtlichen Vorschriften in die vertragliche Regelung nicht eindeutig. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, daß der Ergebnisabführungsvertrag eine dem § 302 Abs. 2 AktG entsprechende Vorschrift nicht enthalten müsse (Jurkat, a.a.O., Rdnr. 500; Laube, a.a.O.; Schmidt, a.a.O.). Indes wäre die Bezugnahme auf § 302 AktG in der gesetzlich festgelegten uneingeschränkten Form überflüssig, wenn der Ergebnisabführungsvertrag nicht mehr als allein eine Vereinbarung über die Übernahme des Verlustes durch den Organträger enthalten müßte.

Daß dies nicht genügt, ergibt sich insbesondere aus dem Zweck der Vorschrift. Der Gesetzgeber wollte den aktienrechtlichen und außeraktienrechtlichen Ergebnisabführungsvertrag in den Voraussetzungen und den steuerrechtlichen Wirkungen "soweit wie möglich" einander anpassen (vgl. Bundestags-Drucksache V/3.017 S. 9). § 17 Nr. 3 KStG 1977 enthält die gleiche Regelung. Die Absicht des Gesetzgebers folgt auch aus der allgemeinen Bezugnahme auf die steuerrechtlichen Vorschriften der aktienrechtlichen Organschaft (vgl. § 7a Abs. 5 KStG): Der Organträger in einer außeraktienrechtlichen Organschaft soll dem Organträger in der aktienrechtlichen Organschaft gleichgestellt werden. Seine Position wäre günstiger, wenn eine Vereinbarung nach § 302 Abs. 3 AktG hier nicht erforderlich wäre: Er hätte im Gegensatz zum aktienrechtlichen Organträger die Möglichkeit, die Organgesellschaft nach Ablauf des Ergebnisabführungsvertrages anzuweisen, auf den Anspruch auf Verlustausgleich und dessen gerichtliche Geltendmachung zu verzichten.

Dem Gesetzgeber stand es frei, die (steuerrechtlichen) Voraussetzungen für die Erlangung der körperschaftsteuerrechtlichen Vergünstigung einer Organschaft (vgl. § 7a Abs. 1, Halbsatz 1 KStG) im einzelnen festzulegen und dabei (u.a.) zu verlangen, daß der Ergebnisabführungsvertrag auch Vereinbarungen entsprechend § 302 Abs. 3 AktG enthält. Die Regelung in § 7 Abs. 5 Nr. 3 KStG ist für den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck nicht schlechthin ungeeignet (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 24. September 1965 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119). Entgegen der Ansicht von Brezing (GmbHR 1971, 60; ihm zustimmend Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7a KStG, Anm. 62) ist eine solche Vereinbarung nicht ohne Sinn. Sie bringt den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, sich auch über die Zeit der Geltung des Ergebnisabführungsvertrages hinaus im Interesse der Gläubiger und der Minderheitsgesellschafter der Organgesellschaft (vgl. Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, Aktiengesetz, Kommentar, § 302 Anm. 48 ff.) in bestimmter Weise an die Vertragsvereinbarungen zu binden: Die Vereinbarung "entsprechend den Vorschriften des § 302 des Aktiengesetzes" enthält insbesondere die Verpflichtung des Organträgers, von seiner Weisungsmöglichkeit gegenüber der Organgesellschaft hinsichtlich des Anspruchs auf Ausgleich während einer bestimmten Zeit keinen Gebrauch zu machen. Dies ist keine Selbstverpflichtung des Organträgers (so Brezing, a.a.O.), wie auch der übrige Inhalt des Ergebnisabführungsvertrages keine Selbstverpflichtung enthält. Die Möglichkeit, diese Vereinbarung abzuändern, berührt ihre Gültigkeit ebensowenig wie die Möglichkeit, den Ergebnisabführungsvertrag im übrigen abzuändern, dessen Wirksamkeit beeinträchtigt. Unerheblich ist ferner, ob ein Verzicht nach Ablauf der Dreijahresfrist möglicherweise zur nachträglichen Nichtanerkennung des Organschaftsverhältnisses führen würde (vgl. Schmidt/Steppert, Die Organschaft im Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerrecht, 3. Aufl., S. 60 mit weiteren Nachweisen). Der oben dargelegte Gesetzeszweck, der sich nicht ausschließlich an steuerlichen Gesichtspunkten orientieren muß, wäre gleichwohl erreicht.

Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des § 7a Abs. 5 Nr. 4 KStG erfüllt sind, d.h. ob die Abführung von Erträgen aus der Auflösung von freien vorvertraglichen Rücklagen ausgeschlossen worden ist.

2. Mit der Heranziehung der Klägerin zur Körperschaftsteuer in den Streitjahren 1971 und 1972 hat das FA nicht gegen Treu und Glauben verstoßen.

Die Voraussetzungen für eine Änderung der Freistellungsbescheide 1971 und 1972 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO sind gegeben. Die steuerlichen Auswirkungen der festgestellten neuen Tatsachen sind von einigem Gewicht, denn die Mehrsteuern liegen sowohl nach absoluten als auch nach relativen Maßstäben deutlich über der Grenze der Geringfügigkeit (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Januar 1969 I R 127/66, BFHE 95, 257, BStBl II 1969, 423, mit weiteren Nachweisen). Die Gesamtaufrollung der beiden Steuerfälle war unter diesen Umständen zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juni 1962 I 95, 110/60 S, BFHE 76, 282, BStBl III 1963, 100). Das FA setzte sich damit nicht in Gegensatz zu seinem früheren Verhalten, denn es hatte der Klägerin keine Zusage gegeben, daß es von einer steuerlichen Organschaft zwischen ihr und der Firma F ausgehen werde. Im Schweigen auf die kommentarlose Übersendung des Vertrages vom 14. Dezember 1971 liegt eine derartige Zusage ebensowenig wie in der ursprünglichen Veranlagung, auch wenn sie nicht vorläufig war (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, 504, BStBl II 1975, 582). Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß kurze Zeit nach der Zusendung des Vertrages am 29. Dezember 1971 das Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) vom 30. Dezember 1971 betreffend die körperschaftsteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche Organschaft (BStBl I 1972, 2) veröffentlicht wurde, in dessen Anlage unter Tz. 19 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß bei der Vereinbarung der Verlustübernahme die Vorschrift des § 302 Abs. 3 AktG zu berücksichtigen sei.

II. (1973 und 1974)

1. Hinsichtlich der Streitjahre 1973 und 1974 hat das FG die Klage ebenfalls zu Recht abgewiesen. Die Voraussetzungen eines steuerrechtlich zu beachtenden Organschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin und der KG sind in diesem Zeitraum ebenfalls nicht gegeben. Es fehlt eine dem § 7a Abs. 5 Nr. 3 KStG entsprechende Vereinbarung über die Verlustübernahme, falls man davon ausgeht, daß der Vertrag vom 14. Dezember 1971 auch für diesen Zeitraum weitergilt. Es kann daher offenbleiben, ob letzteres der Fall ist. Ein neuer Ergebnisabführungsvertrag ist jedenfalls für die Streitjahre 1973 und 1974 zwischen der GmbH und der KG nicht abgeschlossen worden; der Vertragstext vom 6. Juni 1973 ist nicht unterschrieben (§ 7a Abs. 5 Nr. 1 KStG i.V. m. § 126 BGB).

2. Das FA hat zutreffend den Steuersatz von 51 v.H. (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG) zugrunde gelegt, denn die Gesellschaftsanteile an der Klägerin gehören zum Vermögen der KG und an der KG ist eine GmbH beteiligt (vgl. BFH-Urteil vom 3. Oktober 1973 I R 24/72, BFHE 110, 365, BStBl II 1974, 15).

Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 KStG sind nicht gegeben. Eventuelle Gewinnabführungen an die KG sind wie verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln (BFH-Urteil vom 30. Januar 1974 I R 104/72, BFHE 111, 410, BStBl II 1974, 323). Für das Jahr 1974 hat die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen noch keinen Gewinnausschüttungsbeschluß gefaßt.