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BFH-Urteil vom 11.12.1980 (I R 198/78) BStBl. 1981 II S. 462

Verbindlichkeiten, die zur Ablösung anderer Verbindlichkeiten eingegangen werden, welche bis zur Vollbeendigung eines Gewerbebetriebs trotz Verwertung des Aktivvermögens nicht getilgt werden konnten, haben ihre Ursache im früheren Gewerbebetrieb. Aufwendungen im Zusammenhang mit einer derartigen Umschuldung sind ebenso wie die für die neuen Verbindlichkeiten bezahlten Zinsen nachträgliche Betriebsausgaben.

EStG § 4 Abs. 4, § 24 Nr. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Seit 1972 sind sie nur noch als Arbeitnehmer tätig. Zuvor hatten sie beide (nacheinander) einen Einzelhandel mit Möbeln betrieben. Die Ehefrau (Klägerin) hatte die werbende Tätigkeit für ihren Betrieb (als letzte) spätestens zum 31. März 1971 eingestellt. Die ungedeckten (Lieferanten-)Verbindlichkeiten hatten -nach Angaben der Kläger- zu diesem Zeitpunkt noch 82.086 DM betragen. Die Kläger hatten diese Verbindlichkeiten in der Folgezeit teils unmittelbar getilgt, teils durch Aufnahme von Darlehen abgelöst. Die im Zusammenhang mit der Tilgung oder Ablösung angefallenen Zinsen und Kosten hatten sie bis zum Jahre 1973 als Sonderausgaben behandelt. Für das Jahr 1974 hatte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) einen Betrag in Höhe von 11.570 DM als Verlust aus Gewerbebetrieb anerkannt.

Von den von den Klägern für das Streitjahr 1975 geltend gemachten Schuldzinsen und Nebenkosten behandelte das FA nur einen Betrag in Höhe von 3.155 DM als nachträgliche Betriebsausgaben (aus Gewerbebetrieb); dieser Betrag bezog sich auf Schulden, die seit der Betriebsaufgabe unverändert fortbestanden hatten. Soweit die Aufwendungen Verbindlichkeiten betrafen, die erst nach Betriebsaufgabe durch Umschuldung entstanden waren, versagte das FA den Abzug. Die Umschuldungskredite stünden nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit dem aufgegebenen Betrieb; sie seien dem privaten Vermögensbereich zuzurechnen.

Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage stattgegeben. Es hat in der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S.13 (EFG 1979, 13) veröffentlichten Entscheidung 9.969 DM als weitere nachträgliche Betriebsausgaben (negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb) anerkannt.

Dagegen wendet sich das FA mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision. Es rügt Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe § 24 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unzutreffend ausgelegt. Eine steuermindernde Berücksichtigung der Schuldzinsen und Kosten nach § 4 Abs. 4 EStG scheide im Streitfall ebenfalls aus. Die betreffenden Aufwendungen seien nicht für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens getätigt worden. Die Kläger hätten die Verbindlichkeiten spätestens mit der Umschuldung aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen entnommen. Zu diesem Zeitpunkt seien sämtliche Rechtsbeziehungen zu den (früheren) Lieferanten abgebrochen und damit der letzte betriebliche Zusammenhang gelöst worden.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Die von den Klägern im Streitjahr (1975) gezahlten Zinsen und Kosten sind in voller Höhe als nachträgliche Betriebsausgaben anzuerkennen (§ 24 Nr. 2, § 4 Abs. 4 EStG).

1. Soweit die Zahlungen für Verbindlichkeiten geleistet wurden, die seit der Aufgabe der Betriebe der Kläger unverändert fortbestanden hatten, folgt dies bereits unmittelbar aus den in dem Urteil des erkennenden Senats vom 11. Dezember 1980 I R 119/78 (BStBl II 1981, 460) aufgestellten Grundsätzen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf diese Entscheidung.

2. In Ergänzung der Grundsätze im Urteil I R 119/78 sind auch diejenigen Aufwendungen als nachträgliche Betriebsausgaben (aus Gewerbe- betrieb) zu behandeln, die Verbindlichkeiten betrafen, welche erst nach Voll- beendigung der Betriebe durch Umschuldung entstanden sind. Auch diese (neuerdings eingegangenen) Verbindlichkeiten haben ihre Ursache in den früheren Gewerbebetrieben der Kläger. Durch die mit den Umschuldungen zusammenhängende Gläubigerauswechslung wurden zwar die Rechtsbeziehungen zu den (früheren) Lieferanten der Kläger gelöst. Der wirtschaftliche Zusammenhang der Verschuldung als solcher mit dem betrieblichen Bereich blieb jedoch bestehen. Die neuen Darlehen sind zum Zwecke der Ablösung (ehemals) betrieblich veranlaßter Verbindlichkeiten aufgenommen worden (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 11. Dezember 1980 I R 61/79 (BStBl II 1981, 461).