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BFH-Urteil vom 30.1.1981 (III R 116/79) BStBl. 1981 II S. 560

1. Die Annahme inländischen Betriebsvermögens i.S. von § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG setzt voraus, daß im Inland tatsächlich ein Gewerbe betrieben wird. Im Bewertungsrecht gilt nicht jede Tätigkeit einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft im Inland schon kraft Rechtsform als Gewerbebetrieb.

2. Hat eine ausländische Kapitalgesellschaft im Inland eine Zweigniederlassung i.S. von § 13 HGB errichtet, so spricht jedenfalls dann, wenn die Niederlassung im Handelsregister eingetragen ist, eine - widerlegbare - Vermutung dafür, daß das ausländische Unternehmen im Inland eine Betriebstätte i.S. von § 16 StAnpG unterhält.

BewG §§ 97 Abs. 3, 121 Abs. 2 Nr. 3; StAnpG § 16 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2; HGB § 13.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kapitalgesellschaft amerikanischen Rechts, ist eine Geschäftsbank mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Im Jahre 1971 betrieb sie die Eröffnung einer Zweigniederlassung in X. Zu diesem Zweck zahlte sie am 3. September 1971 ...Mio DM auf ein inländisches Bankkonto ein. Am 15. Oktober 1971 mietete sie Geschäftsräume an, die mit Einrichtungsgegenständen ausgestattet wurden. Ende 1971 erteilte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften (§ 53 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 32 des Gesetzes über das Kreditwesen - KWG - vom 10. Juli 1961, BGBl I 1961, 881). Am 28. Dezember 1971 wurde die Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen. Als Zeitpunkt des Geschäftsbeginns teilte die Klägerin dem Bundesaufsichtsamt den 5. Januar 1972 mit. Auf diesen Tag wurde auch die Eröffnungsbilanz erstellt.

Da die Klägerin zu dem hier streitigen Stichtag keine Erklärung zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens abgab, schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Einheitswert zum Hauptfeststellungszeitpunkt.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Einheitswertbescheid ersatzlos auf. Es begründete die Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Am 1. Januar 1972 sei die Klägerin beschränkt vermögensteuerpflichtig gewesen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Vermögensteuergesetzes (VStG) i.V.m. § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) habe allenfalls inländisches Betriebsvermögen i.S. des § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG der Vermögensteuer unterliegen können. Da die Klägerin am 1. Januar 1972 im Inland aber noch kein Gewerbe betrieben habe, seien die Geschäftsräume in X zum Stichtag noch nicht als Betriebstätte anzusehen. Nach § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) erfordere ein Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung mit Gewinnabsicht, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstelle. Notwendig sei, daß die eigentliche betriebliche Tätigkeit aufgenommen sei. Maßnahmen, die hierfür lediglich die Voraussetzungen schüfen, seien zur Begründung eines Gewerbebetriebes nicht ausreichend. Die eigentliche betriebliche Tätigkeit, die Ausübung von Bankgeschäften, sei im Streitfall erst am 5. Januar 1972 aufgenommen worden.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Ansicht, § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG und § 1 Abs. 1 GewStDV seien unrichtig angewendet worden. Der Begriff des Gewerbebetriebes habe in beiden Vorschriften den gleichen Inhalt. Der Bundesfinanzhof (BFH) vertrete in ständiger Rechtsprechung, gestützt auf das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 19. Februar 1936 VI A 806/34 (RFHE 39, 160, RStBl 1936, 766), die Rechtsauffassung, daß die gewerbliche Tätigkeit in aller Regel mit der ersten Vorbereitungshandlung beginne (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1977 I R 115/74, BFHE 124, 52, BStBl II 1978, 193, mit weiteren Nachweisen). Danach liege ein Gewerbebetrieb bereits dann vor, wenn Tätigkeiten ausgeführt würden, die objektiv erkennbar auf die Vorbereitung der eigentlichen Geschäftstätigkeit gerichtet seien. Im Streitfalle ergebe sich aus den Gesamtumständen, daß die bis zum Stichtag getroffenen Maßnahmen über den Rahmen bloßer Vorbereitungshandlungen hinausgegangen seien.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie trägt unter anderem vor, reine Vorbereitungshandlungen könnten nicht ein im Inland betriebenes Gewerbe begründen. Sie könnten auch nicht eine feste örtliche Anlage zu einer Betriebstätte i.S. von § 16 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) machen. Nur die tatsächliche Aufnahme der Bankgeschäfte durch eine Betriebstätte oder einen ständigen Vertreter führe zu einem Gewerbebetrieb. Am Stichtag sei eine solche Tätigkeit aber noch nicht ausgeführt worden.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Nach § 97 Abs. 3 BewG bilden bei einer Körperschaft, die wie die Klägerin weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat, nur die Wirtschaftsgüter einen gewerblichen Betrieb, die im maßgeblichen Feststellungszeitpunkt zum inländischen Betriebsvermögen gehören. Als inländisches Betriebsvermögen gilt nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG Vermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist.

a) Die Annahme inländischen Betriebsvermögens i.S. von § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG setzt zunächst voraus, daß im Inland tatsächlich ein Gewerbe betrieben wird. Im Bewertungsrecht gilt nicht jede Tätigkeit einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft im Inland schon kraft Rechtsform als Gewerbebetrieb. Nur bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften bilden - unabhängig davon, ob sie tatsächlich ein Gewerbe i.S. des § 1 Abs. 1 GewStDV betreiben oder nicht - alle ihnen gehörenden Wirtschaftsgüter einen gewerblichen Betrieb (§ 97 Abs. 1 BewG). Dagegen ist das der Einheitsbewertung nach deutschem Recht unterliegende Vermögen bei Kapitalgesellschaften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, auf dasjenige inländische Betriebsvermögen beschränkt, das einem im Inland betriebenen Gewerbe tatsächlich dient (§ 97 Abs. 3 BewG i.V.m. § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG). Die Vorschrift des § 97 Abs. 3 BewG durchbricht insoweit für alle beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen die - von § 95 BewG abweichende - Sonderregelung des § 97 Abs. 1 BewG, wonach bei den dort abschließend aufgezählten unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen bereits aufgrund deren Rechtsform ein gewerblicher Betrieb anzunehmen ist. § 97 Abs. 3 BewG verweist damit - i.V.m. § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG - bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Annahme eines Gewerbebetriebs im Inland auf den Begriff des gewerblichen Betriebs i.S. von § 95 BewG.

Den Worten "Betrieb eines Gewerbes" in § 95 BewG wird entnommen, daß der Begriff des gewerblichen Betriebs i.S. von § 95 BewG dem des Gewerbebetriebs i.S. von § 1 Abs. 1 GewStDV entspricht (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 95 BewG Anm. 2; Rössler/Troll/ Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 12. Aufl., § 95 BewG Anm. 9). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Danach setzt das Vorliegen eines gewerblichen Betriebs eine selbständige nachhaltige Betätigung im Inland voraus, die mit Gewinnabsicht unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht als Ausübung der Landwirtschaft oder als Vermögensverwaltung anzusehen ist. Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist gegeben, wenn ein Unternehmen im Inland eine Tätigkeit entfaltet, die objektiv erkennbar darauf abzielt, die Leistungen des Unternehmens zu bewirken und sie der Allgemeinheit anzubieten. Dabei sind sämtliche Aktivitäten der Gesellschaft im Inland in die Betrachtung einzubeziehen und im Zusammenhang zu würdigen (vgl. BFH-Urteil vom 29. August 1973 I R 214/71, BFHE 110, 348, BStBl II 1974, 6).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Klägerin in dem hier maßgeblichen Feststellungszeitpunkt im Inland ein Gewerbe betrieben hat. Bereits vor diesem Stichtag hatte sie die Niederlassung mit dem vorgesehenen Dotationskapital in Höhe von ...Mio DM ausgestattet und das Geld auf einem inländischen Bankkonto angelegt. Dies sowie das Anmieten und Einrichten der Geschäftsräume, das Einstellen von Personal, das Erwirken der kreditrechtlichen Erlaubnis und der Eintragung der Zweigniederlassung ins Handelsregister noch vor dem 1. Januar 1972 waren geschäftliche Tätigkeiten der Klägerin im Inland, die - zumindest zusammengenommen - deren Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im Inland bereits vor dem hier streitigen Stichtag begründeten. Diese Aktivitäten der Klägerin im Inland gingen über bloße Vorbereitungshandlungen hinaus.

b) Weitere Voraussetzung für das Vorliegen inländischen Betriebsvermögens i.S. von § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG ist, daß für den Gewerbebetrieb im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist. Als Betriebstätte ist insbesondere eine Zweigniederlassung anzusehen (vgl. § 16 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 StAnpG). Hat eine ausländische Kapitalgesellschaft - wie die Klägerin - im Inland eine Zweigniederlassung i.S. von § 13 HGB errichtet, so spricht jedenfalls dann, wenn die Niederlassung im Handelsregister eingetragen ist (vgl. RFH-Urteil vom 6. Oktober 1925 II A 397/25, RFHE 17, 205; BFH-Urteil vom 23. März 1977 II R 68/70, BFHE 122, 557, BStBl II 1977, 700), eine - allerdings widerlegbare - Vermutung dafür, daß das ausländische Unternehmen im Inland eine Betriebstätte i.S. von § 16 StAnpG unterhält. Denn nach § 13 Abs. 3 HGB hat das Gericht der Zweigniederlassung vor deren Eintragung zu prüfen, ob diese errichtet ist, d.h. ob sie ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen hat (vgl. dazu Nickel in Bandasch, Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., Randnote 7 zu § 13 HGB; Hildebrandt/Steckhan in Schlegelberger, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., Randnote 13 zu § 13 HGB). Anhaltspunkte dafür, daß die Eintragung im Handelsregister am 28. Dezember 1971 zu Unrecht erfolgt war, liegen aber nicht vor. Insbesondere hat die Klägerin dazu nichts vorgetragen.

2. Im Streitfall wird das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland nicht durch das "Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern" vom 22. Juli 1954 i.d.F. des Protokolls vom 17. September 1965 - DBA-USA - (BGBl II 1966, 746; BStBl I 1966, 865) eingeschränkt. Nach Art. II Abs. 1 Buchst. c) (aa) i.V.m. Art. XIV A Nr. 2 DBA-USA ist als Betriebstätte jede feste Geschäftseinrichtung anzusehen, in der die Tätigkeit eines gewerblichen Unternehmens eines der Vertragstaaten ausgeübt wird. Der Begriff "Betriebstätte" umfaßt insbesondere auch eine Zweigniederlassung (Art. II Abs. 1 Buchst. c) bb) des Abkommens). Diese liegt vor.

3. Die Vorentscheidung war aufzuheben, da ihr eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde liegt. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zur Höhe des Betriebsvermögens keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Der Rechtsstreit wird daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).