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BFH-Urteil vom 6.5.1978 (II R 123/79) BStBl. 1981 II S. 585

Der Umstand, daß in einem Gebäude, das zwei Wohnungen enthält, die nicht Wohnzwecken dienenden Räume zu einer selbständigen (dritten) Einheit zusammengefaßt sind, steht der Einordnung des Gebäudes unter den Begriff des Zweifamilienhauses i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG ebensowenig entgegen wie die sichtbare Nutzung (Schaufenster) zu anderen als Wohnzwecken.

GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19. Januar 1977 das bebaute Grundstück ... Straße in S. Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein zweigeschossiges Haus mit Dachboden und einem Anbau. Die Straßenfront ist ca. 9m breit. An der Außenfront des rd. 3,5 m hohen Erdgeschosses befindet sich eine durchgehende Schaufensterfront in Höhe von rd. 2 m, die durch eine Eingangstür unterbrochen ist. Diese Tür führt in einen ca. 51 qm großen Ladenraum. Von diesem Raum gelangt man in einen Büroraum von 6,5 qm Größe. Die genannten Räumlichkeiten dienten bei Abschluß des Kaufvertrages einem Lebensmittelgeschäft. Im Erdgeschoß befinden sich außerdem noch Diele, Küche, Eß- und Wohnraum sowie Bad mit WC. Diese Räume, von denen sich einer im eingeschossigen Anbau befindet, haben eine Wohnfläche von rd. 61 qm. Die Eingangstür befindet sich an der Hinterseite des Hauses. Über sie gelangt man auch in das Obergeschoß. Dort befinden sich vier Zimmer, Küche, Bad und Flur mit einer Wohnfläche von rd. 100 qm. In der Giebelwand des Daches befinden sich zwei Fenster Der Anbau enthält noch zwei Räume, von denen einer als Lagerraum genutzt wurde und der andere leer stand.

Unter Ablehnung des Antrags der Klägerin, ihr Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) zu gewähren, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen die Klägerin Steuer in Höhe von 5.250 DM fest.

Die nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erhobene Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Steuerfestsetzung begehrt, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es ist der Auffassung, das Gebäude stelle nach äußerem Erscheinungsbild und innerer Aufteilung kein Zweifamilienhaus i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG dar.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG ist auf Antrag von der Grunderwerbsteuer ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks mit einem Zweifamilienhaus, wenn mindestens eine Wohnung vom Erwerber, seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie binnen fünf Jahren mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnt wird und das Zweifamilienhaus zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die in § 75 des Bewertungsgesetzes (BewG) enthaltene Beschreibung der Grundstücksarten bebauter Grundstücke nicht auf die in § 1 Abs. 1 GrEStEigWoG genannten Gebäude übertragbar ist. Die Frage, ob ein Gebäude i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG ein Zweifamilienhaus ist, muß vielmehr aus dem Befreiungsgesetz selbst beantwortet werden. Das Gesetz spricht von einem Zweifamilienhaus, bei dem mindestens eine Wohnung in bestimmter Weise während eines benannten Zeitraumes genutzt werden muß und gibt als weiteren Anhaltspunkt ein Mindestausmaß der Nutzung zu Wohnzwecken. Die zulässige Nutzung zu anderen als Wohnzwecken wird nicht auf bestimmte Zwecke beschränkt und auch nicht in der Weise begrenzt, daß es sich nur um eine Mitbenutzung zu gewerblichen und öffentlichen Zwecken handeln darf, die die Eigenart des Zweifamilienhauses nicht wesentlich beeinträchtigt (vgl. dagegen § 75 Abs. 5 und 6 BewG). Damit aber läßt es das Gesetz zu, daß die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken auch nach außen in Erscheinung tritt, so daß das Gebäude für jedermann sichtbar nicht ein reines Wohnhaus ist. Deshalb kann entgegen der Auffassung des FG der Umstand, daß die Vorderfront des Gebäudes im Erdgeschoß Ladenschaufenster aufweist, seiner Einordnung unter den Begriff des Zweifamilienhauses i. S. des Befreiungsgesetzes nicht entgegenstehen.

2. Auch der Umstand, daß der gewerblichen Zwecken dienende Teil des Gebäudes - wie aufgrund der Beschreibung des FG anzunehmen - eine selbständige, den Wohnungen gegenüber abgeschlossene Einheit bildet, steht der Einordnung des Gebäudes unter den Begriff des Zweifamilienhauses nicht entgegen. Das Gesetz setzt das Vorhandensein von zwei Wohnungen voraus. Irgendwelche Tatbestandsmerkmale, die einen Schluß darauf rechtfertigen, die nicht Wohnzwecken dienenden Räume dürften nur in eine der beiden oder in beide Wohnungen integriert sein, enthält das Gesetz nicht. Da die Nutzung zu anderen Zwecken als Wohnzwecken aber bis zu knapp einem Drittel der gesamten Nutzfläche heranreichen und damit ein nicht unbeträchtliches Ausmaß erreichen kann, kann nicht entscheidend auf den Umstand abgehoben werden, ob die nicht Wohnzwecken dienenden Räume zu einer selbständigen, von den beiden Wohnungen abgeschlossenen Einheit zusammengefaßt sind oder nicht.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen über die von ihm angesprochenen zwei Räume im Anbau getroffen, von denen einer offenbar dem Ladengeschäft dient und ggf. auch während der für die Befreiung maßgebenden Nutzungsdauer dienen soll, so daß der Senat nicht in der Lage ist zu berechnen, ob nach der beabsichtigten Nutzung durch die Klägerin die Nutzung zu Wohnzwecken 66 2/3 v. H. übersteigen wird.