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BFH-Urteil vom 13.3.1981 (III R 132/79) BStBl. 1981 II S. 600

Die mit der Feststellung der Satzung errichtete Gründergesellschaft einer später durch Eintragung ins Handelsregister entstandenen Aktiengesellschaft ist jedenfalls dann vermögensteuerpflichtig, wenn auf sie Vermögen übertragen wurde, sie nach außen geschäftlich in Erscheinung getreten ist und der Eintragung ins Handelsregister keine ernsten Hindernisse entgegenstehen.

VStG § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Versicherungsaktiengesellschaft. Nach Feststellung der Satzung am 8. November 1972 wurde die Klägerin am 1. März 1974 behördlich zugelassen und am 26. März 1974 ins Handelsregister eingetragen. Danach nahm sie das Versicherungsgeschäft auf. Vorher hatte sie sich auf die Verwaltung des eingezahlten Grundkapitals beschränkt. Dieses betrug am 1. Januar 1973 ... Mio. DM und am 1. Januar 1974 ... Mio. DM; es war an beiden Stichtagen in erheblicher Höhe in Form von Schuldscheinforderungen angelegt. Die Zinseinnahmen beliefen sich in 1972 auf ... DM. Der Bilanzansatz der Zinsforderungen zum 31. Dezember 1973 betrug ... DM.

Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1975 veranlagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Klägerin zum 1. Januar 1973 und 1. Januar 1974 zur Vermögensteuer.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die Vermögensteuerbescheide auf. Es begründete seine in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 153 (EFG 1980, 153) veröffentlichte Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Im Gründungsstadium sei die Klägerin weder als Kapitalgesellschaft (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Vermögensteuergesetzes - VStG -) noch als nichtrechtsfähiger Verein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e VStG) vermögensteuerpflichtig gewesen. Die Veranlagung zur Vermögensteuer verstoße deshalb für beide Veranlagungszeitpunkte gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (§ 1 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -). Den Grundsätzen zur Steuerpflicht der Gründergesellschaft, die der Reichsfinanzhof (RFH) aufgestellt habe, könne nicht gefolgt werden. Im übrigen lägen aber auch die Voraussetzungen nicht vor, die von der Rechtsprechung als unverzichtbar für die Steuerpflicht der Gründergesellschaft angesehen würden. Bis zu den streitigen Veranlagungszeitpunkten sei die Klägerin mit den zugeflossenen Mitteln noch nicht nach außen hin tätig geworden. Zudem hätten der Eintragung ins Handelsregister ernste Hindernisse entgegengestanden. Die Eintragung sei der Feststellung der Satzung auch nicht alsbald gefolgt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Ansicht, das FG habe entgegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 VStG und den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen die Vermögensteuerpflicht der Klägerin verneint. Die Klägerin habe sich durch die ertragbringende Anlage ihrer Mittel am Wirtschaftsleben beteiligt. Es hätten auch keine ernsten Eintragungshindernisse bestanden. Den von der Aufsichtsbehörde verlangten Änderungen des Geschäftsplanes habe die Klägerin leicht nachkommen können. Der Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr zwischen Vertragsabschluß und Eintragung ins Handelsregister sei noch unschädlich.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, sie sei an den streitigen Stichtagen nicht vermögensteuerpflichtig gewesen. Durch die Verwaltung des eingezahlten Grundkapitals sei sie nicht geschäftlich nach außen in Erscheinung getreten. Zudem sei die Eintragung ins Handelsregister gefährdet gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a VStG, wonach inländische Aktiengesellschaften unbeschränkt vermögensteuerpflichtig sind, gilt dem Wortlaut nach für die durch die Eintragung ins Handelsregister (vgl. § 41 Abs. 1 des Aktiengesetzes - AktG -) zivilrechtlich entstandene Aktiengesellschaft. Nach ihrem Wortsinn findet diese Vorschrift gemäß den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen bereits auf die mit Feststellung der Satzung (vgl. § 23 Abs. 1 AktG) errichtete Gründergesellschaft Anwendung. Das folgt daraus, daß nach zivilrechtlicher Auffassung (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 2. Mai 1966 II ZR 219/63, BGHZ 45, 338, 348), der sich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) angeschlossen hat (vgl. dazu Urteil vom 5. Dezember 1956 II 71/56 U, BFHE 64, 74, BStBl III 1957, 28), die errichtete und die mit der Eintragung in das Handelsregister entstandene Aktiengesellschaft wesensgleich sind. Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung des BFH dahin ergänzt, daß eine Gründergesellschaft dann steuerpflichtig ist, wenn auf sie Vermögen übertragen wurde, sie nach außen geschäftlich in Erscheinung getreten ist, der Eintragung ins Handelsregister keine ernsten Hindernisse entgegenstehen und diese tatsächlich nachfolgt (vgl. Urteile vom 18. Juli 1969 III R 41/66, BFHE 96, 422, BStBl II 1969, 677; vom 11. April 1973 I R 172/72, BFHE 109, 190, BStBl II 1973, 568, und vom 9. März 1978 V R 90/74, BFHE 125, 212, BStBl II 1978, 486).

Diese Auslegung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -). Denn durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 VStG i.V. m. den von der Rechtsprechung entwickelten und seit jeher (vgl. z.B. RFH-Urteil vom 19. September 1923 VI e A 85/23, RFHE 12, 326) angewandten Rechtsgrundsätzen sind Beginn und Umfang der Besteuerung der errichteten Aktiengesellschaft hinreichend bestimmt und begrenzt (vgl. dazu Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 14. Dezember 1965 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253, 267, und Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Anm. 13 zu § 1 und Anm. 15 zu § 2 AO).

2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Klägerin sowohl zum 1. Januar 1973 als auch zum 1. Januar 1974 gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a VStG vermögensteuerpflichtig war. Sie war mit der Feststellung ihrer Satzung am 8. November 1972 als Gründergesellschaft errichtet. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hatten die Gründer noch vor dem 1. Januar 1973 Vermögen auf die Gesellschaft übertragen. Durch die geschäftsmäßige Anlage des Geldes ist sie vor diesem Stichtag nach außen wirtschaftlich tätig geworden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 8. April 1960 III 129/57 U, BFHE 71, 190, BStBl III 1960, 319). Es bedurfte dazu nicht der Aufnahme der Versicherungsgeschäfte. Die Eintragung ins Handelsregister war nach den Feststellungen des FG nicht durch ernste Hindernisse gefährdet. Die Aufsichtsbehörde hatte keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Gründung erhoben, sondern solche Änderungen des Geschäftsplanes verlangt, die von den Organen der Gesellschaft erfüllt werden konnten und vor dem 1. März 1974 tatsächlich bewirkt wurden. Die Klägerin wurde auch ins Handelsregister eingetragen. Damit waren im Streitfall die wesentlichen von der Rechtsprechung für den Beginn der Steuerpflicht geforderten Merkmale erfüllt.

3. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie auf einer anderen Rechtsauffassung beruht.