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BFH-Urteil vom 27.5.1981 (II R 71/79) BStBl. 1981 II S. 681

Gibt ein arbeitslos gewordener Erwerber, dessen gesunkenes Familieneinkommen nicht mehr ausreicht, neben den sonstigen Ausgaben die Grundstücksbelastungen zu tragen, den begünstigten Zweck durch Weiterveräußerung unter Verlegung des Wohnortes an einen Ort mit günstigerem Arbeitsmarkt auf, so ist eine Nachversteuerung ausgeschlossen.

Schleswig-Holsteinisches GrESBWG § 7 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

1975 kauften die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sowie seine Ehefrau je zur ideellen Hälfte ein mit einem Eigenheim bebautes Grundstück in ..., das sie bezogen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte den Erwerb zunächst durch interne Verfügung gemäß § 2 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes (GrESBWG) von der Grunderwerbsteuer frei.

1976 wurde der Kläger von seinem damaligen Arbeitgeber entlassen. Seine Bemühungen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, blieben zunächst ohne Erfolg. Infolge der Arbeitslosigkeit sank das Familiennettoeinkommen auf monatlich ... DM, wovon pro Monat ... DM zur Abdeckung der Grundstücksbelastungen und ... DM für sonstige Nebenkosten aufzubringen waren. Angesichts dessen sahen sich der Kläger und seine Ehefrau gezwungen, das Grundstück zu veräußern, was 1977 geschah. Danach zogen sie nach ...

Daraufhin setzte das FA gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG gegen den Kläger Grunderwerbsteuer zuzüglich eines Zuschlags (§ 7 Abs. 4 GrESBWG) fest. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das FG führte aus, der Kläger sei nicht primär durch das berufliche Ereignis der Arbeitslosigkeit, sondern durch die als deren Folgen eingetretene Verminderung des Familieneinkommens zur vorzeitigen Zweckaufgabe veranlaßt worden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben. Er rügt Verletzung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Auf die Revision werden unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einspruchsentscheidung und der Grunderwerbsteuerbescheid aufgehoben, da aufgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG die Vorschriften über die Nachversteuerung nicht zur Anwendung kommen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der von der Besteuerung ausgenommene Erwerb eines steuerbegünstigten Eigenheims (§ 2 Nr. 1 GrESBWG) wird nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG steuerpflichtig, wenn der steuerbegünstigte Zweck innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb in sonstiger Weise aufgegeben wird. Der Kläger und seine Ehefrau haben innerhalb der Fünfjahresfrist durch Weiterveräußerung und Räumung die Verwendung des bebauten Grundstücks als Eigenheim beendet, so daß grundsätzlich eine Nachversteuerung geboten war. Die Nachversteuerung war jedoch ausnahmsweise nicht zulässig, weil der begünstigte Zweck wegen zwingender beruflicher Gründe aufgegeben worden ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG).

2. Mit der Verwendung des Tatbestandsmerkmals der zwingenden beruflichen Gründe hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß Beweggründe für die Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes, die dem außerberuflichen Bereich zuzuordnen sind, keine die Nachversteuerung ausschließende Wirkung haben sollen, selbst wenn sie für die Aufgabe der Nutzung zwingend waren. Das Gesetz bietet jedoch weder in seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck einen Anhaltspunkt für die Annahme, daß eine Nachversteuerung gleichwohl zum Zuge kommen sollte, wenn der Entschluß, den begünstigten Zweck aufzugeben, nicht unmittelbar oder nicht nur auf zwingenden beruflichen Gründen, sondern auch auf außerberuflichen Gründen beruht.

Unter beruflichen Gründen ist nicht etwa nur eine Versetzung oder ein sonstiger Wechsel des Ortes zu verstehen, an dem der Beruf ausgeübt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1978 II R 88/77, BFHE 127, 63, 64, BStBl II 1979, 248). Hierunter fallen vielmehr grundsätzlich alle Umstände der Berufsaufnahme, -ausübung und -aufgabe. Für die Frage, inwieweit solche Umstände sich als zwingende Gründe ansehen lassen, kommt es darauf an, ob sie dafür ursächlich sind, daß die Beibehaltung des begünstigten Zweckes unmöglich oder unzumutbar wird.

Der vorliegende Fall macht es nicht erforderlich, der Frage nachzugehen, ob und inwieweit unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Zweckes, die Mobilität zu fördern, der § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG auch dann als verwirklicht anzusehen ist, wenn eine auf zwingenden beruflichen Gründen beruhende Zweckaufgabe nicht mit einem Wechsel des Wohnortes verbunden ist. Denn der Kläger und seine Ehefrau haben das Grundstück mit dem Eigenheim nicht nur weiterveräußert und sind aus diesem ausgezogen, sondern sie haben gleichzeitig ihren Wohnort nach ... verlegt, wo der Kläger bessere Aussichten hatte, eine neue Arbeitsstelle zu finden.

3. Die Arbeitslosigkeit des Klägers liegt ausschließlich in der beruflichen Sphäre. Sie bewirkte, daß sich der Kläger einem Arbeitsmarkt zuwandte, von dem er wegen des größeren Angebotes erwarten konnte, schneller als an seinem bisherigen Wohnort wieder in Arbeit vermittelt werden zu können. Die durch Veräußerung und Räumung beim Umzug nach ... eingetretene Zweckaufgabe beruht mithin auf zwingenden beruflichen Gründen, womit die Zulässigkeit einer Nachversteuerung ausgeschlossen ist. Daß auch finanzielle Gründe mit maßgebend waren, ... zu verlassen, steht der Annahme zwingender beruflicher Gründe als Ursache für die Zweckaufgabe nicht entgegen.

4. Das angefochtene Urteil, das von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war aufzuheben. Der Senat entscheidet in der Sache selbst und hebt die Einspruchsentscheidung sowie den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid ersatzlos auf.