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BFH-Urteil vom 3.6.1981 (II R 169/79) BStBl. 1981 II S. 684

Wurde der begünstigte Zweck dadurch verwirklicht, daß minderjährige Kinder des Erwerbers zusammen mit dessen geschiedener Ehefrau das Einfamilienhaus bewohnten, so kann im Falle einer durch Wohnortwechsel bewirkten Zweckaufgabe die Nachversteuerung dadurch ausgeschlossen sein, daß für den Auszug bei der geschiedenen Ehefrau zwingende berufliche Gründe vorliegen.

Schleswig-Holsteinisches GrESBWG § 7 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

1975 kauften der Kläger und Revisionskläger (Kläger) sowie seine damalige Ehefrau ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in B je zur ideellen Hälfte. Das Haus wurde vom Kläger und seiner Familie bezogen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte mit einer internen Verfügung den Grundstückserwerb gemäß § 2 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes (GrESBWG) von der Grunderwerbsteuer frei.

Die Ehe des Klägers wurde 1977 geschieden. Während der Kläger nach N zog, blieb die geschiedene Ehefrau mit den Kindern in dem Haus wohnen.

In der Folgezeit bemühte sich die geschiedene Ehefrau, eine Arbeitsstelle zu finden, was ihr schließlich in N gelang. Wegen der schlechten Verkehrsverbindungen zwischen Beschäftigungs- und Wohnort hätte sie häufig ein Taxi benutzen müssen. Die dadurch entstehenden Kosten würde sie nicht haben tragen können. Sie entschloß sich daher, in die Nähe ihres Arbeitsplatzes zu ziehen. Mit Rücksicht darauf verkauften der Kläger und seine geschiedene Ehefrau das Haus 1977.

Nachdem dem FA die Welterveräußerung bekanntgeworden war, zog es den Kläger zur Grunderwerbsteuer zuzüglich eines Nachversteuerungszuschlags (§ 7 Abs. 4 GrESBWG) heran. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Die hierauf erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) mit der Begründung abgewiesen, wegen der Zweckaufgabe innerhalb der Fünfjahresfrist sei die Nachversteuerung gerechtfertigt. Sie sei auch nicht im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG unzulässig, da beim Kläger selbst keine zwingenden beruflichen Grunde für die Weiterveräußerung vorgelegen hätten.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt der Kläger sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben. Er rügt Verletzung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Auf die Revision des Klägers werden unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einspruchsentscheidung und der Grunderwerbsteuerbescheid, soweit dieser den Kläger betrifft, aufgehoben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil aufgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG eine Nachversteuerung ausgeschlossen ist.

1. Der Abschluß des auf Erwerb des halben Miteigentumsanteils gerichteten Kaufvertrages stellt einen steuerbaren Rechtsvorgang dar, der jedoch aufgrund des § 2 Nr. 1 GrESBWG nicht steuerpflichtig war; denn nach dieser Vorschrift ist unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen der Erwerb eines Eigenheims durch natürliche Personen, die das Hausgrundstück zur eigenwohnlichen Nutzung oder zur Nutzung durch Angehörige übernehmen, von der Besteuerung ausgenommen. Zu den Angehörigen in diesem Sinne zählen der Ehegatte sowie Verwandte in gerader Linie (vgl. § 8 Abs. 2 Buchst. a und b des Zweiten Wohnungsbaugesetztes - II. WoBauG -), so daß die nutzungsmäßigen Voraussetzungen der Steuerfreiheit dadurch erfüllt wurden, daß der Kläger mit seiner damaligen Ehefrau und den Kindern das erworbene Hausgrundstück bezog.

2. Eine Aufgabe des begünstigten Zwecks mit der Folge einer Nachversteuerung (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG) ist nicht dadurch eingetreten, daß die Ehe des Klägers geschieden wurde und der Kläger aus dem Haus auszog, das fortan von seiner geschiedenen Ehefrau und den Kindern bewohnt wurde. Zwar fiel durch den Auszug des Klägers dessen eigenwohnliche Nutzung fort und die geschiedene Ehefrau des Klägers gehörte nicht länger zu dessen Angehörigen (vgl. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. I, II. WoBauG § 8 Anm. 2), so daß fortan vom Kläger der Zweck der eigenwohnlichen Nutzung und einer Nutzung durch den Ehegatten nicht mehr weiterverfolgt worden ist. Dagegen hat der vom Kläger erworbene Miteigentumsanteil an dem Haus zunächst auch weiterhin dem begünstigten Zweck gedient, den zu den Angehörigen des Klägers zählenden Kindern eine Wohnung zu bieten.

Der Umstand, daß damit der ursprünglich verfolgte Zweck fortan lediglich in eingeschränktem Umfang beibehalten wurde, läßt sich nicht als steuerschädlich ansehen. Der Inanspruchnahme einer Befreiung von der Grunderwerbsteuer steht nicht einmal entgegen, daß ein zunächst verfolgter Zweck vollständig aufgegeben wird, sofern nur ein anderer begünstigter Zweck an dessen Stelle tritt (vgl. Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, 10. Aufl., § 4 Tz. 139 sowie Anhang Tz. 835 und 1193).

3. Eine grundsätzlich steuerschädliche Zweckaufgabe seitens des Klägers liegt insoweit vor, als der Kläger zusammen mit seiner geschiedenen Ehefrau das Grundstück veräußert hat und die Kinder des Klägers mit dessen geschiedener Ehefrau aus dem Haus ausgezogen sind. Die hierin liegende Zweckaufgabe in sonstiger Weise (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESBWG) hat jedoch ausnahmsweise nicht die Möglichkeit einer Nachversteuerung eröffnet, da sie auf zwingenden beruflichen Gründen beruht, was eine Nachversteuerung ausschließt (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG).

Mit seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 27. Mai 1981 II R 61/79 hat der Senat dahin erkannt, daß es im Fall einer Nutzung durch Angehörige für die Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG darauf ankommt, ob in der Person des Angehörigen, nicht in der des Erwerbers, zwingende berufliche Gründe vorliegen, auf welche die Zweckaufgabe zurückzuführen ist. Bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden ist weiter zu bedenken, daß der in § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG berücksichtigte Einfluß der beruflichen Verhältnisse auf die Beibehaltung oder einen Wechsel des Wohnortes sich bei minderjährigen Kindern nicht nur aus eigenen beruflichen Umständen, die oftmals noch gar nicht vorliegen, sondern auch aus denen der Eltern ergibt oder aus denen des Elternteils, dem die Personensorge zusteht (vgl. §§ 1626, 1671 und 1631 Abs. 1 BGB).

Diese Auffassung entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG. Bei Ehegatten, die sich auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG berufen und lediglich solche beruflichen Gründe geltend machen, die nur bei einem von ihnen vorliegen, hat der Senat schon bisher nicht danach unterschieden, ob um die Nachversteuerung des Ehegatten, bei dem die Gründe gegeben sind, oder des anderen Ehegatten gestritten worden ist (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs BFH - vom 15. November 1978 II R 88/77, BFHE 127, 63, BStBl II 1979, 248). Dementsprechend ist es nach Sinn und Zweck des Gesetzes gerechtfertigt, bei der nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG eigentlich auf die Kinder des Klägers abzustellenden Prüfung, ob die Zweckaufgabe auf zwingenden beruflichen Gründen beruht, die beruflichen Umstände der geschiedenen Ehefrau des Klägers als maßgebend anzusehen.

4. Die beruflichen Verhältnisse der geschiedenen Ehefrau des Klägers rechtfertigen die Annahme, daß es ihr angesichts der ungünstigen Verkehrsverbindungen zwischen Beschäftigungs- und Wohnort mindestens nicht zumutbar war, die bisherige Wohnung beizubehalten.

5. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Senat entscheidet in der Sache selbst und hebt die Einspruchsentscheidung sowie den angefochtenen Bescheid, soweit dieser den Kläger betrifft, ersatzlos auf, da eine Nachversteuerung durch § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrESBWG ausgeschlossen ist.