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BFH-Urteil vom 29.4.1981 (IV R 23/78) BStBl. 1981 II S. 726

1. Gibt ein alter, nicht mehr erwerbsfähiger Steuerpflichtiger seinen Gewerbebetrieb auf, so kann ein Erlaß der auf den Betriebsaufgabegewinn entfallenden Steuer aus persönlichen Billigkeitsgründen trotz vorhandenen Vermögens geboten sein, wenn der Steuerpflichtige auf das ihm verbliebene Vermögen für seinen Unterhalt angewiesen ist. Von der Steuer ist in einem solchen Fall so viel zu erlassen, daß der Steuerpflichtige in der Lage bleibt, eine Versicherung über sofort fällige Leibrentenbezüge gegen eine Einmalprämie abzuschließen, und zwar in einer Höhe, die ihm eine bescheidene Lebensführung ermöglicht.

2. Die Erlaßwürdigkeit geht nicht in jedem Fall dadurch verloren, daß der Steuerpflichtige in der Zeit vor der Entscheidung über den Erlaßantrag einen über ein bescheidenes Maß hinausgehenden Verbrauch gehabt hat.

AO § 131 Abs. 1 Satz 1; AO 1977 § 227 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Finanzbehörden einen Antrag auf Erlaß von Steuern zu Recht abgelehnt haben.

Die im Jahre 1898 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Inhaberin eines Damen- und Herrenmodegeschäfts. Zum Betriebsvermögen dieses Unternehmens gehörte das Gebäudegrundstück Y-Straße 1 in X. Im Jahre 1971 gab die Klägerin ihren Betrieb auf, wobei sie das Geschäftsgrundstück veräußerte. Nach ihren Darlegungen war die Betriebsaufgabe erforderlich geworden, weil das Gebäude in einem Umlegungsgebiet gelegen sei und nach den Plänen des Umlegungsausschusses der Stadt X abgerissen und neu aufgebaut habe werden müssen, hierzu sei sie aber wegen ihres Alters und ihrer finanziellen Verhältnisse nicht mehr in der Lage gewesen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte die Klägerin für das Jahr 1971 zur Einkommensteuer. Dabei legte das FA einen laufenden Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 290.865 DM und einen - im wesentlichen aus der Veräußerung des Geschäftsgrundstücks herrührenden - Veräußerungsgewinn in Höhe von 829.636 DM zugrunde. Die Einkommensteuer wurde auf 99.735 DM, die Ergänzungsabgabe auf 2.992 DM und die Kirchensteuer auf 9.973 DM festgesetzt. Der Bescheid ist bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 15. Januar 1976 beantragte die Klägerin, die Einkommensteuer und Ergänzungsabgabe 1971 zu erlassen. Das FA lehnte den Antrag ab. Auch ein weiterer Erlaßantrag vom 30. März 1976 blieb erfolglos.

Gegen die den Erlaß ablehnenden Verfügungen erhob die Klägerin Beschwerde. Zur Begründung führte sie aus, es sei unbillig, die Einkommensteuer und Ergänzungsabgabe 1971 einzuziehen. Denn dies würde zu einer Gefährdung ihrer Existenz führen. Sie sei wegen ihres Alters nicht mehr in der Lage, sich eine neue Existenz aufzubauen. Da sie nie Beiträge zur Kranken-, Renten- oder Lebensversicherung gezahlt habe, müsse sie ihren Lebensunterhalt - einschließlich ihrer Krankheitskosten - mit dem ihr verbliebenen Vermögen bestreiten; dieses werde bald aufgezehrt sein. Sie verfüge noch über Mittel in Höhe von 206.000 DM. Bei Entrichtung der Steuern würden diese Mittel auf 100.000 DM schrumpfen. Die Zinsen, die sie aus diesem Betrag erzielen könnte, würden für ihren Lebensunterhalt nicht ausreichen, zumal sie auch ihren kranken (im Jahre 1933 geborenen) Sohn unterhalten müsse.

Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde als unbegründet zurück.

Mit der Klage wiederholte die Klägerin im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Finanzbehörden seien zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die Einziehung der Steuern sachlich nicht unbillig sei. Die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei selbst dann mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes vereinbar, wenn die Veräußerung weitgehend auf Umständen beruht habe, die außerhalb des Willens des Steuerpflichtigen gelegen hätten. - Es könne auch nicht beanstandet werden, daß die Finanzbehörden einen Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen abgelehnt hätten. Es sei der Klägerin zuzumuten, ihr gesamtes Vermögen für ihren Lebensunterhalt einzusetzen. Es sei ihr ohne weiteres möglich, ihre Mittel durch Abschluß einer Versicherung über sofort fällige Leibrentenbezüge gegen Einmalprämie oder ähnliche Maßnahmen zur Sicherung ihrer Versorgung zu verwenden. Die Klägerin habe noch ein für ihren Unterhalt einsetzbares Restvermögen von 126.000 DM besessen. Ihr Lebensbedarf sei geringer als von ihr angenommen. Bei der Ermittlung ihres Lebensunterhalts habe die Finanzverwaltung zu Recht die Unterhaltsleistungen an ihren Sohn außer Betracht gelassen. - Allerdings sei zweifelhaft, ob der Klägerin nach Zahlung der gesamten Steuerschulden genügend Kapital bleiben würde, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Nach dem festgestellten Sachverhalt hätte deshalb ein Teilerlaß in Höhe von etwa 35.000 DM in Erwägung gezogen werden müssen. Dennoch sei die Ablehnung des Erlasses im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn ein Erlaß könne schon deshalb nicht gewährt werden, weil die Klägerin nicht erlaßwürdig sei. Die OFD sei zu Recht davon ausgegangen, daß sie in den Jahren 1972 bis 1975 private Aufwendungen - einschließlich der Zahlung persönlicher Steuern - in Höhe von jährlich 40.000 DM gehabt habe. Wenn sich die Klägerin mehr beschränkt hätte, dann hätte sie ein um rund 48.000 DM höheres Vermögen zur Tilgung der Steuerschuld zur Verfügung gehabt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das FG habe § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und § 131 der Reichsabgabenordnung (AO) unrichtig angewendet und gegen § 76 FGO verstoßen. Das FG habe die Ablehnung des Steuererlasses zu Unrecht als rechtmäßig angesehen. Es sei nicht richtig, im vorliegenden Fall die sachliche Unbilligkeit der Steuererhebung zu verneinen. Jedenfalls aber sei die Einkommensteuer aus persönlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Sie - die Klägerin - sei erlaßbedürftig. Bei der Ermittlung ihrer Bedürftigkeit müsse berücksichtigt werden, daß das FG das ihr nach Abzug der Steuerschulden noch verbleibende Restvermögen zu hoch angesetzt habe. Denn es habe die von ihr in den Jahren 1971 bis 1975 aufgewendeten Krankheitskosten in Höhe von mindestens 15.000 DM nicht anerkannt. Die Nichtberücksichtigung dieser Kosten stelle eine Verletzung der Ermittlungspflicht dar. Aber auch bei Abzug der Krankheitskosten stünde ihr ohne den beantragten Erlaß nur noch ein Reinvermögen zur Verfügung, das nicht ausreiche, um ihren Lebensunterhalt, selbst bei bescheidener Lebensführung, zu sichern. Zu Unrecht habe das FG hierbei unberücksichtigt gelassen, daß sie auch noch ihren kranken Sohn unterhalten müsse. - Schließlich sei es auch nicht richtig, sie als erlaßunwürdig anzusehen. Sie habe in den Jahren 1971 bis 1976 keine übermäßigen Ausgaben getätigt. Die hierzu vom FG angestellten Berechnungen seien unzutreffend.

Die Klägerin beantragt, das FA für verpflichtet zu erklären, die Einkommensteuer 1971 aus Billigkeitsgründen zu erlassen, hilfsweise, das FA für verpflichtet zu erklären, unter Beachtung der Rechtsansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) über den Erlaßantrag zu entscheiden, vorsorglich und hilfsweise, den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG. Dem FG kann nicht darin beigepflichtet werden, daß die vollständige Ablehnung des Erlaßantrags rechtmäßig war.

I. Nach der für die Beurteilung des Streitfalls zugrunde zu legenden Vorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 1 AO (nunmehr: § 227 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) können Steuern erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über einen Erlaßantrag aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603).

Ermessensentscheidungen sind im finanzgerichtlichen Verfahren dahin zu überprüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 FGO).

II. Im Streitfall hat das FG zu Unrecht angenommen, daß die Ablehnung des begehrten Erlasses ermessensfehlerfrei zustande gekommen ist.

1. Dabei kann dahinstehen, ob die Einziehung der Steuer, deren Erlaß die Klägerin beantragt, als sachlich unbillig angesehen werden kann. Eine Unbilligkeit in der Sache kommt nach der Rechtsprechung des BFH in Betracht, wenn die Tatsache der Besteuerung als solche, unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen, unbillig ist (Urteil vom 26. Oktober 1972 I R 125/70, BFHE 108, 146, BStBl II 1973, 271 m. w. N.). Entgegen der Auffassung des FG ist eine sachliche Unbilligkeit der Besteuerung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil bereits die steuerlichen Vergünstigungen nach §§ 16, 34 EStG gewährt wurden. Die Frage, ob im Streitfall die Erhebung der Steuern als sachliche Unbilligkeit anzusehen war, kann allerdings auf sich beruhen, da die Entscheidung des EG schon aus einem anderen Grunde der Aufhebung unterliegt.

2. Das FG ist bei der Frage, ob im Streitfall die Voraussetzungen für einen Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen vorgelegen haben, zum Teil von unrichtigen rechtlichen Erwägungen, zum Teil auch von einem noch nicht hinreichend geklärten Sachverhalt ausgegangen.

a) Persönliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde. Die wirtschaftliche Existenz ist gefährdet, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann.

Es entspricht der ständigen Verwaltungspraxis (vgl. den im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen - BdF - und den obersten Finanzbehörden der Länder ergangenen Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 8. März 1971 - S 2242 A - 3/69; Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B - Eildienst - 1971 S. 130 - DStZ B 1971, 130-), daß die Besteuerung der bei einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe aufgedeckten stillen Reserven im Erlaßwege nach § 131 AO gemindert wird oder ganz unterbleiben kann, wenn die Betriebsveräußerung(-aufgabe) altersbedingt war und eine volle steuerliche Erfassung der stillen Reserven dazu führen würde, daß der notwendige Lebensunterhalt des Steuerpflichtigen nicht sichergestellt wäre und der Steuerpflichtige Sozialhilfe in Anspruch nehmen müßte.

b) Zum notwendigen Lebensunterhalt gehören nicht nur die Mittel für Nahrung, Kleidung, Wohnung und ärztliche Behandlung, sondern auch für den notwendigen Hausrat und die sonst erforderlichen Gegenstände des täglichen Lebens. Auch Unterhaltsleistungen für die mit dem Steuerpflichtigen in Hausgemeinschaft lebenden Angehörigen (§ 10 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -, § 15 AO 1977), soweit sie von dem Steuerpflichtigen unterhalten werden müssen, gehören dazu; das gilt insbesondere für den Unterhalt von erwachsenen Kindern, die wegen Krankheit nicht in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten.

Ob im Streitfall die Klägerin gegenüber ihrem Sohn zur Unterhaltsleistung verpflichtet war, kann hiernach für die Bemessung des lebensnotwendigen Bedarfs der Klägerin von Bedeutung sein. Die vom FG hierzu getroffenen Feststellungen reichen indessen für eine abschließende Entscheidung dieser Frage nicht aus. Die Klägerin hatte bereits im Rahmen des Erlaßverfahrens vor der Finanzverwaltung mehrere ärztliche Bescheinigungen über den Krankheitszustand ihres Sohnes vorgelegt. Sie hatte außerdem beim FA angefragt, durch welche amtliche Stelle die Arbeitsunfähigkeit ihres Sohnes bescheinigt werden könne, damit dies im Erlaßverfahren berücksichtigt werden könne. Diese Anfrage haben das FA und die OFD nicht beantwortet. Auch den im finanzgerichtlichen Verfahren gestellten Anträgen der Klägerin, ein amtsärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand des Sohnes und eine Auskunft des Arbeitsamts X über die Aussichtslosigkeit einer Arbeitsvermittlung einzuholen, ist das FG nicht gefolgt. Das FG hat vielmehr, ohne diese Frage weiter aufzuklären, die Auffassung vertreten, die Unterhaltsleistungen an den Sohn der Klägerin seien von der Finanzverwaltung zu Recht außer Betracht gelassen worden.

c) Für die Frage, ob, die Existenz eines Steuerpflichtigen gefährdet ist, spielt dessen Vermögenslage eine entscheidende Rolle.

Grundsätzlich ist der Steuerpflichtige gehalten, zur Zahlung seiner Steuerschulden alle verfügbaren Mittel einzusetzen und auch seine Vermögenssubstanz anzugreifen. Davon ausgenommen sind allerdings die Fälle, in denen die Verwertung der Vermögenssubstanz den Ruin des Steuerpflichtigen bedeuten würde. Das gilt insbesondere für alte, nicht mehr erwerbsfähige Steuerpflichtige. Ihnen muß wenigstens so viel von ihrem Vermögen belassen werden, daß sie damit für den Rest ihres Lebens eine bescheidene Lebensführung bestreiten können. In diesem Zusammenhang kann es als brauchbare Erwägung angesehen werden, einem alten und nicht mehr erwerbsfähigen Steuerpflichtigen von seinem Vermögen so viel zu belassen, daß er in der Lage ist, eine Versicherung über sofort fällige Leibrentenbezüge gegen eine Einmalprämie abzuschließen und zwar in einer Höhe, die ihm die Möglichkeit einer bescheidenen Lebensführung gestattet.

Geht man hiervon im Streitfall aus, so erscheint es - selbst nach den der Klägerin nachteiligen Berechnungen des FG - ausgeschlossen, daß das der Klägerin verbliebene Vermögen ohne einen entsprechenden Teilerlaß ausreicht, um ihr - durch Verrentung des verbliebenen Kapitals - den notwendigen Lebensunterhalt zu sichern.

Bei der Ermittlung des der Klägerin verbliebenen Vermögens durften Zahlungen, die die Klägerin für ärztliche Hilfe und andere Krankheitskosten bis zu dem für die Entscheidung über den Erlaßantrag maßgebenden Zeitpunkt (Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung durch die OFD) gemacht hatte, nicht außer Betracht gelassen werden. Selbst wenn die Klägerin ihre Aufwendungen nicht im einzelnen nachweisen konnte, so mußte doch schon angesichts ihres Alters und ihres Gesundheitszustands davon ausgegangen werden, daß ihr in einem gewissen - durch Schätzung zu ermittelnden - Umfang Kosten entstanden sind und sich insoweit ihr Vermögen vermindert hatte.

d) Schließlich kann auch der Annahme des FG nicht gefolgt werden, eine Ablehnung des Erlasses sei schon wegen Erlaßunwürdigkeit der Klägerin nicht in Betracht gekommen.

Die von der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 14. November 1957 IV 418/56 U, BFHE 66, 398, BStBl III 1958, 153) als Voraussetzung für einen Billigkeitserlaß geforderte Erlaßwürdigkeit des Steuerpflichtigen ist nicht gegeben, wenn dieser die mangelnde Leistungsfähigkeit selbst herbeigeführt oder durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat.

So kann z. B. die schuldhafte Herbeiführung einer wirtschaftlichen Notlage (durch zu hohen Verbrauch) einem Erlaß entgegenstehen. Dagegen schließt nach den Verwaltungsvorschriften, die zum Erlaß von Lastenausgleichsabgaben ergangen sind (vgl. Verwaltungsanordnung über den Erlaß von Vermögensabgabe bei außerordentlichem Vermögensverfall vom 19. November 1963 - VerfVAO 1964 -, BStBl I 1963, 798), ein etwaiger "unangemessener Aufwand" den Erlaß nicht aus; vielmehr soll in solchen Fällen bei der für den Vermögenserlaß maßgebenden Ermittlung des "Rest-Vermögens" ein Betrag in Höhe des unangemessenen Aufwands dem vorhandenen Vermögen hinzugerechnet werden. Diese Verwaltungsregelung ist auch von der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 4. November 1977 III R 97/74, BFHE 124, 282, BStBl II 1978, 237) als ermessensgerecht angesehen worden. Die Rechtsprechung läßt erkennen, daß nicht jeder überhöhte Aufwand zur Erlaßunwürdigkeit führen kann. Die Entscheidung hierüber soll vielmehr von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Im Streitfall läßt sich jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen des FG die Erlaßwürdigkeit der Klägerin nicht verneinen, selbst wenn sie in den Jahren nach der Betriebsaufgabe etwas mehr aufgewendet haben sollte, als für eine bescheidene Lebensführung erforderlich war.

Einem Erlaß steht schließlich auch nicht entgegen, daß das Vermögen der Klägerin bei der Aufgabe ihres Betriebs von einem Treuhänder vorwiegend dazu verwendet wurde, die Geschäftsverbindlichkeiten der Klägerin zu erfüllen. Grundsätzlich muß zwar davon ausgegangen werden, daß ein Steuerpflichtiger sein Vermögen zu einer gleichmäßigen Schuldentilgung verwendet; die Steuerschulden dürfen dabei gegenüber den übrigen Schulden nicht vernachlässigt werden. Das gilt auch für die bei Aufgabe eines Geschäfts zu tilgenden Schulden. Für die Frage der Erlaßwürdigkeit kommt es allerdings auch insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 10. Aufl., Tz. 54 zu § 227 AO 1977). Die Erlaßwürdigkeit kann jedenfalls dann nicht verneint werden, wenn - wie im Streitfall - im Zeitpunkt der Befriedigung der privaten Gläubiger die Steuerschuld noch gar nicht fällig war, die für die Steuerzahlung erforderlichen Mittel aber noch vorhanden waren und hierfür sogar Sicherheit geleistet wurde.