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BFH-Urteil vom 9.7.1981 (IV R 35/78) BStBl. 1981 II S. 734

Ein unverzinsliches Darlehen ist auch dann mit seinem Nennwert zu aktivieren, wenn der Darlehnsnehmer anstelle von Zinsen eine andere für den Darlehnsgeber vorteilhafte Gegenleistung erbringt. Eine Teilwertabschreibung setzt den Nachweis voraus, daß der Zinsverlust höher ist als der Wert der Gegenleistung.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2.

Sachverhalt

Die klagende KG (Klägerin und Revisionsklägerin - Klägerin -) betreibt einen Zeitschriften-Verlag. In ihrem Verlag erscheint die Wochenzeitschrift X. Die Zeitschrift wird auch in Lesezirkeln geführt. Die Klägerin schloß mit den Inhabern solcher Unternehmen inhaltlich übereinstimmende Verträge. Darin verpflichtete sie sich, die Zeitschrift zu einem erheblich unter dem Einzelverkaufspreis liegenden Betrag zu liefern. Außerdem versprach sie, eine Reihe von Wochenlieferungen unberechnet zu erbringen. Schließlich sagte sie den Lesezirkelinhabern unverzinsliche Darlehen zu, die nach dem Vertragswortlaut der Unterstützung ihrer Werbearbeit dienen sollten und als Werbedarlehen bezeichnet wurden. Die Darlehen sollten mit den sonst für die Freiexemplare anfallenden Vergütungen zurückgezahlt werden. Als Gegenleistung übernahmen die Lesezirkelinhaber die Verpflichtung, die Zeitschrift bis zur Tilgung des Darlehens in ihren Lesemappen zu führen. Sie konnten die Vereinbarung nach Ablauf von drei Jahren kündigen, hatten dann aber den Darlehnsrestbetrag sogleich an die Klägerin zu zahlen.

Die Klägerin zinste die unverzinslichen Darlehen erstmals in ihrem Jahresabschluß zum 31. Dezember 1968 ab. Nach einer Betriebsprüfung ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Abzinsung nicht zu. Demgemäß wurde der Gewinnfeststellungsbescheid 1968 geändert. Das FA vertrat die Auffassung, die Klägerin habe eine Vergütung für die Kapitalüberlassung erhalten; diese liege in der Abnahme der Zeitschrift und ihrer Aufnahme in die Lesemappen über die Laufzeit des Darlehens. Die Klage blieb erfolglos.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter; sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; die Klägerin darf die Lesezirkeldarlehen nicht abzinsen.

a) Forderungen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Steuerbilanz mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten. Hierfür ist nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 4. März 1976 IV R 78/72, BFHE 121, 318, BStBl II 1977, 380, betreffend Forderungen aus Lieferungen und Leistungen; Urteil vom 23. April 1975 I R 236/72, BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875, betreffend Darlehnsforderungen) grundsätzlich der Nennwert anzusetzen; in dieser Höhe hat die Klägerin im Streitfall auch Ausgaben zur Erlangung des Darlehnsanspruchs gehabt.

Die von der Klägerin erstrebte Teilwertabschreibung hätte zur Voraussetzung, daß ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für die Forderung einen geringeren Betrag ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, Nr. 1 Satz 3 EStG). Das kann für eine unverzinsliche Darlehnsforderung in der Regel angenommen werden; ihr Teilwert ist durch Abzinsung der künftigen Rückzahlungen zu ermitteln. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Darlehnsnehmer für die Kapitalüberlassung zwar keine Zinsen, d.h. Geld oder vertretbare Sachen entrichtet, jedoch eine andersartige Gegenleistung erbringt. In diesem Fall ist ein Wertabschlag vom Darlehnsnennbetrag nicht zulässig, wenn der Wert dieser Gegenleistung den Zinsverlust ausgleicht.

Eine solche Gegenleistung kann in einem selbständig aktivierbaren Wirtschaftsgut bestehen. An Stelle von Zinsen kann aber auch eine laufende Gegenleistung vereinbart werden (vgl. BFH-Urteile vom 26. Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13, und vom 17. März 1959 I 207/58 U, BFHE 69, 153, BStBl III 1959, 320, betreffend unverzinsliche Darlehen gegen Übernahme einer Bierlieferungsverpflichtung; vom 18. Juli 1961 I 322/60 U, BFHE 73, 382, BStBl III 1961, 405, betreffend zinsloses Darlehen gegen Gewährung eines Ankaufsrechtes). Ist eine Gegenleistung vereinbart, so liegt darin ein konkreter, abgrenzbarer Vorteil, der an die Stelle von Zinsen tritt. Hiervon geht auch die Entscheidung in BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875 (betreffend unverzinsliche Darlehen an Arbeitnehmer) aus; sie hat von der Vollaktivierung der Darlehen nur deswegen abgesehen, weil die Arbeitnehmer im Hinblick auf den Zinsvorteil eine Gegenleistung nicht übernommen hätten. Im Streitfall ist ein Entgelt in Gestalt einer laufenden Gegenleistung der Lesezirkelunternehmer vereinbart worden.

b) Die Auslegung der zwischen der Klägerin und den Lesezirkeln geschlossenen Verträge, zu der auch das Revisionsgericht befugt ist, macht deutlich, daß es der Klägerin nicht allein um den zusätzlichen Absatz einer bestimmten Zahl von Zeitschriften, sondern vor allem darum ging, daß die gelieferten Exemplare in die Lesemappen Eingang fanden. Hieran konnte sie interessiert sein, weil diese Exemplare einen großen Leserkreis erreichten und deshalb für das Anzeigengeschäft der Klägerin besondere Bedeutung hatten (vgl. dazu Seyffert, Werbelehre, 1966, Zweiter Band, S. 1256, 1267, 1277 f.). Aus diesem Bemühen erklärt sich, daß die Klägerin Lieferpreise akzeptierte, die nach ihrem Vortrag erheblich unter den Herstellungskosten lagen, und daß sie außerdem in großem Umfang Freilieferungen zusagte. In diesem Zusammenhang steht auch die Gewährung der unverzinslichen Darlehen. Den Inhabern der Lesezirkel sollte damit ein zusätzlicher Vorteil für die fortlaufende Führung der Zeitschrift in den Lesemappen eingeräumt werden. Wie die übrigen Vertragsvorteile hing auch die zinsfreie Nutzung des Darlehens davon ab, daß die Zeitschrift Bestandteil der Lesemappen blieb; bei Beendigung des Vertragsverhältnisses war der ausstehende Darlehnsbetrag nämlich sogleich zurückzuzahlen.

Demnach ist dem Revisionsvorbringen der Klägerin nicht zu folgen, sie habe für die Darlehnsgewährung keine Gegenleistung in Gestalt konkreter, abgrenzbarer Vorteile erhalten, die bei der Bewertung der Darlehen berücksichtigt werden könnten. Eine solche Gegenleistung war vorhanden. Sie bestand in der fortlaufenden Führung der Zeitschrift X in den Lesemappen. Damit wurde nach den Vorstellungen der Vertragsbeteiligten neben den übrigen von der Klägerin eingeräumten Vorteilen auch die zinslose Kapitalüberlassung abgegolten.

c) Die Klägerin kann gegen die Berücksichtigung dieser Gegenleistung nicht einwenden, im Zinsverzicht lägen Aufwendungen für Werbungszwecke, die nicht aktivierbar seien. Hätte die Klägerin den Lesezirkelinhabern für die Führung der Zeitschrift laufende Geldleistungen zugesagt, so könnte sie eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nicht mit dem Hinweis bilden, daß die Gegenleistung nicht zu einem aktivierbaren Wirtschaftsgut führe (BFH-Urteil vom 20. März 1980 IV R 89/79, BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297). Auch eine Teilwertabschreibung auf die Darlehnsforderung kann nicht aus diesem Grunde vorgenommen werden.

d) Die Klägerin kann allerdings geltend machen, der Wert der Gegenleistung erreiche nicht den Wert des Zinsverzichts; insoweit kann wie bei niedrig verzinslichen Darlehnsforderungen eine Teilwertabschreibung erforderlich werden. Wie für andere Wirtschaftsgüter gilt jedoch auch für das streitige Darlehen die Vermutung, daß sein Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung den tatsächlichen Anschaffungskosten, mithin seinem Nennwert entsprach. Diese Vermutung kann durch den Nachweis widerlegt werden, daß die Anschaffung eine Fehlmaßnahme darstellte, oder der Wert des Wirtschaftsguts durch eine Veränderung der tatsächlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse später gesunken ist (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 6/71, BFHE 107, 296, BStBl II 1973, 79; BFH-Urteil vom 19. Oktober 1972 I R 244/70, BFHE 107, 214, BStBl II 1973, 54). Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht geführt. Sie beruft sich zwar darauf, daß ihr durch die Lieferung der Zeitschriften angesichts der geringen Abnahmepreise Verluste entständen. Gleichwohl hat sie aber fortlaufend Verträge mit dem beschriebenen Inhalt abgeschlossen. Das spricht dafür, daß sich die an diese Verträge geknüpften geschäftlichen Erwartungen der Klägerin erfüllt haben und daß auch der Zinsverzicht in der Gegenleistung der Lesezirkelunternehmen seine wertmäßige Entsprechung gefunden hat.