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BFH-Urteil vom 24.6.1981 (I R 143/78) BStBl. 1981 II S. 749

Das für die Steuerfreiheit einer rechtsfähigen Unterstützungskasse den Zugehörigen des Betriebs zustehende Recht einer beratenden Mitwirkung kann in der Weise eingeräumt werden, daß satzungsmäßig und tatsächlich bei der Unterstützungskasse ein Beirat gebildet wird, dem Arbeitnehmer angehören. Diese müssen jedoch die Gesamtheit der Betriebszugehörigen repräsentieren, d.h. sie müssen von diesen unmittelbar oder mittelbar gewählt worden sein.

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 7; KStDV § 11 Nr. 3.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein eingetragener Verein, als körperschaftsteuerfreie Unterstützungskasse (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) anzuerkennen ist.

Die Satzung des Klägers hat u.a. folgenden Wortlaut:

"...

§ 2

Vereinszweck

Der Verein ist eine soziale Einrichtung der Firma ... in ... und den mit ihr wirtschaftlich verbundenen Unternehmen ... -

Ausschließlicher Zweck des Vereins ist die einmalige, wiederholte oder laufende Unterstützung von Betriebsangehörigen der Firma, früheren Betriebsangehörigen der Firma oder deren Hinterbliebenen in Fällen der Not, des Alters, der Berufsunfähigkeit oder des Todes, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Personen Vereinsmitglieder sind oder nicht.

§ 3

...

Die Entscheidung über die Gewährung und die Höhe einer Zuwendung trifft der Vorstand nach billigem Ermessen. Der Vorstand kann Richtlinien aufstellen, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen und deren Höhe im einzelnen festgelegt werden.

...

§ 6

Erwerb der Mitgliedschaft

Die Mitglieder des Vereins müssen der Firma angehören oder angehört haben.

Über die Aufnahme von Mitgliedern entscheidet aufgrund schriftlichen Aufnahmeantrags der Vorstand. Der Antragsteller erhält über seine Aufnahme schriftlichen Bescheid.

...

§ 8

Organe

Organe des Vereins sind der Vorstand, der Beirat und die Mitgliederversammlung.

§ 9

Der Vorstand

Der Vorstand des Vereins sind die jeweiligen persönlich haftenden Gesellschafter der Firma ... in ...

...

Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins und entscheidet in allen Angelegenheiten, in denen nicht ausdrücklich die Mitgliederversammlung zur Entscheidung berufen ist. ...

§ 10

Der Beirat

Dem Vorstand steht ein aus zwei Mitgliedern bestehender Beirat zur Seite. Er besteht aus je einem Vertreter der Angestellten und Arbeiter, die mindestens 5 Jahre dem Betrieb angehören müssen. Die Beiratsmitglieder werden von der Mitgliederversammlung gewählt.

§ 11

Geschäftsführung

Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins. Der Beirat wirkt dabei im Innenverhältnis in der Weise mit, daß der Vorstand 1. die Entscheidungen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für die Unterstützungsgewährung oder -entziehung gegeben sind, 2. die Festsetzung der Unterstützungshöhe, 3. sonstige Verfügungen über das Vereinsvermögen ..., nur nach Anhörung des Beirats vornehmen kann. Der Beirat kann von sich aus dem Vereinsvorstand Fälle von Bedürftigkeit von Betriebsangehörigen zur Kenntnis bringen.

..."

Der Kläger hatte bei seiner Gründung am 3. Juli 1957 sieben Mitglieder. Dazu gehörten außer dem persönlich haftenden Gesellschafter der Firma ..., X, mindestens zwei Prokuristen der Firmengruppe und der spätere Prokurist S. Nach einem Protokoll vom 9. Juni 1972 hatte der Kläger - wie schon längere Zeit zuvor - fünf Mitglieder. Dazu gehörten außer X noch mindestens zwei Prokuristen der Gruppe.

In dem für die Entscheidung wesentlichen Zeitraum wurden in der Firmengruppe etwa 3.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat bzw. Betriebsräte gibt es in der Gruppe erst seit Anfang 1972. Unterstützungsleistungen wurden auch an die früher im Unternehmen als Gesellschafterin tätig gewesene Mutter des X geleistet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) verneinte die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung u.a. aus:

Es sei nicht sichergestellt, daß der Betrieb der Kasse nach dem Geschäftsplan und nach Art und Höhe der Leistungen eine soziale Einrichtung darstelle. Hierzu sei erforderlich, daß den Leistungsempfängern oder den Arbeitnehmervertretungen des Betriebs "satzungsmäßig und tatsächlich" das Recht zustehe, an der Verwaltung sämtlicher Beträge, die der Kasse zufließen beratend mitzuwirken (§ 11 Nr. 3 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung - KStDV - a. F.). Da keine Arbeitnehmervertretungen bestanden hätten, hätten die Leistungsempfänger oder deren Vertreter beteiligt werden müssen. Entschieden über die Verwendung der Mittel habe jedoch allein der Vorstand. Der ihn beratende Beirat habe seine Legitimation nicht von den als Leistungsempfänger in Frage kommenden Belegschaftsmitgliedern erhalten und habe nicht als deren Vertreter handeln können; denn er sei nicht von diesen Belegschaftsmitgliedern gewählt gewesen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG sowie mangelnde Sachaufklärung bzw. Nichtberücksichtigung entscheidungserheblicher Tatsachen.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuerschuld für die Jahre 1966 bis 1971 auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Zwar ist der Kläger eine rechtsfähige Unterstützungskasse i. S. des § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG in der für die streitigen Veranlagungszeiträume geltenden Fassung. Indes hat er die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b KStG nicht erfüllt. Es war in den streitigen Veranlagungszeiträumen nicht sichergestellt, daß der Betrieb der Kasse nach Art und Höhe der Leistungen eine soziale Einrichtung darstellte.

1. Nach § 11 KStDV müssen rechtsfähige Unterstützungskassen, die - wie der Kläger - den Leistungsempfängern keinen Rechtsanspruch gewähren, bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um steuerbefreit zu sein. U. a. muß den Zugehörigen des Betriebs oder den Arbeitnehmervertretungen des Betriebs satzungsmäßig und tatsächlich das Recht zustehen, an der Verwaltung sämtlicher Beträge, die der Kasse zufließen, beratend mitzuwirken (§ 11 Nr. 3 KStDV).

a) Die Bestimmung ist nicht - wie Höhne (Betriebs-Berater 1969 S. 530 ff. - BB 1969, 530 ff. -) meint - durch das Inkrafttreten der "weitergehenden Vorschrift" des § 56 Abs. 1 Buchst. e des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) vom 11. Oktober 1952 (BGBl I, 681) überholt, soweit der sachliche Verordnungsgeber überlassen, die Steuerbefreiung von zusätzlichen Bestimmungen in der Satzung abhängig zu machen. Der Senat bleibt insoweit bei seiner bereits im Urteil vom 20. September 1967 I 62/63 (BFHE 90, 177, BStBl II 1968, 24) vertretenen Rechtsauffassung. Er hält es nach wie vor für entscheidend, daß der Verordnungsgeber die Bestimmung auch noch lange Zeit nach Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes aufrechterhalten hat und daß es auch gegenüber weitergehenden gesetzlichen Regelungen einen guten Sinn hat, die Voraussetzungen der beratenden Mitwirkung in der Satzung festzuhalten (ebenso Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 4 KStG Rdnr. 110, EK-Lieferung 117). Zwar geht die Mitbestimmung nach § 56 BetrVG weiter als die beratende Mitwirkung nach § 11 Nr. 3 KStDV. Die Bedeutung des § 11 Nr. 3 KStDV zeigt sich gerade in den Fällen, in denen die Arbeitnehmer keinen Betriebsrat gebildet haben (zur Zulässigkeit trotz § 8 BetrVG vgl. Fitting/Kraegeloh/Auffahrth, Betriebsverfassungsgesetz, 9. Aufl., § 8 Anm. 2; Frey, Arbeit und Recht 1965 S. 33). Entgegen der Auffassung von Höhne reicht es nicht aus, daß den Betriebsangehörigen die Mitberatung abstrakt zusteht, weil sie jederzeit einen Betriebsrat bilden könnten (Höhne, a.a.O., S. 531). Denn die Betriebsangehörigen mögen im einzelnen Fall an einem Betriebsrat zur Ausübung einer sehr weitgehenden Mitbestimmung nicht interessiert sein. Damit muß jedoch nicht der freiwillige Verzicht verbunden sein, wenigstens an den der Unterstützungskasse zufließenden Beträgen beratend mitzuwirken.

b) Da in den Streitjahren in den Unternehmen der X-Gruppe keine Betriebsräte errichtet waren, mußte nach § 11 Nr. 3 KStDV den Zugehörigen des Betriebs das Recht zustehen, an der Verwaltung der Kassenbeträge beratend mitzuwirken. Dies konnte in der Weise geschehen, daß die beratende Mitwirkung einem Beirat übertragen wurde, in den Vertreter der Belegschaft gewählt wurden. In diesem Falle sind die Voraussetzungen des § 11 Nr. 3 KStDV aber nur dann erfüllt, wenn die Beiratsmitglieder die Gesamtheit der Betriebszugehörigen repräsentieren, d.h. wenn sie von diesen unmittelbar oder mittelbar gewählt werden. Der Senat kann offenlassen, ob in bestimmten Fällen eine Wahl der Beiratsmitglieder durch die Mitglieder der Unterstützungskasse selbst genügt. Jedenfalls reicht ein solches Verfahren dann nicht aus, wenn - wie hier - die Zahl der Mitglieder der Unterstützungskasse im Verhältnis zur Zahl der Betriebszugehörigen verschwindend gering ist und zudem die Möglichkeit, Mitglied der Unterstützungskasse zu werden, allein von der Entscheidung des Vorstandes abhängt, in dem Betriebsangehörige nicht vertreten sind (vgl. auch Brendle/Schaaff, RWP - Blattei 14 Steuer-R/D Körperschaftsteuer II B 4 S. 22).

2. Die vom Kläger vorgebrachten Verfahrensrügen greifen bei dieser Beurteilung nicht durch. Der Senat kann es auch offenlassen, ob die Steuerbefreiung des Klägers nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG möglicherweise auch noch - wie das FG meint - aus anderen Gründen zu verneinen wäre.