| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Beschluß vom 13.8.1981 (IV R 72/77) BStBl. 1981 II S. 787

Handlungen eines örtlich unzuständigen FA unterbrechen gemäß § 147 Abs. 1 AO i. d. F. vor dem AOÄG die Verjährung, es sei denn, daß die Handlungen als unwirksam aufgehoben werden. Dieser Grundsatz gilt auch für Handlungen eines FA in Berlin gegenüber Steuerpflichtigen im übrigen Bundesgebiet.

GG Art. 23; AO i.d.F. vor dem AOÄG § 147 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) ist die Witwe und Alleinerbin des 1970 verstorbenen Kaufmanns H. Dieser betrieb zusammen mit seinem Bruder, dem Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2), einen Großhandel, und zwar in der Rechtsform von zwei in das Handelsregister eingetragenen offenen Handelsgesellschaften, nämlich der X OHG in Berlin (im folgenden OHG Berlin) und der Y OHG in Hamburg (im folgenden OHG Hamburg). An beiden Gesellschaften waren H und der Kläger zu 2 zu je 50 v. H. beteiligt. H führte die Geschäfte der OHG Hamburg, der Kläger zu 2 führte die Geschäfte der OHG Berlin.

Mit Wirkung vom 31. Januar 1961 setzten sich H und der Kläger zu 2 nach vorausgegangenen Zerwürfnissen in der Weise auseinander, daß H aus der OHG Berlin und der Kläger zu 2 aus der OHG Hamburg ausschieden und daß H das Unternehmen der OHG Hamburg und der Kläger zu 2 das Unternehmen der OHG Berlin jeweils allein fortführten.

Das für die OHG Berlin zuständige Finanzamt (FA) K vertrat seit 1954 die Auffassung, daß die beiden OHG umsatzsteuerrechtlich eine Unternehmereinheit bildeten und daß sie auch bei den einheitlichen Gewinnfeststellungen, bei der Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzung und bei der Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens als wirtschaftliche Einheit zu beurteilen seien. Demgemäß erließ das FA K für 1954 bis 1958 einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide, in denen jeweils die Gewinne beider OHG erfaßt waren. H und der Kläger zu 2 erhoben hiergegen keine Einwendungen.

In den Jahren 1962 und 1963 führte das FA K bei beiden OHG eine Betriebsprüfung für die Streitjahre 1959 bis 1961 durch und erstellte hierüber getrennte Prüfungsberichte vom 28. Juni 1963.

Gewinnfeststellungsbescheide ergingen aufgrund dieser Betriebsprüfungsberichte jedoch nicht, da wegen der Auslandsbeziehungen der OHG Berlin ab 1964 Ermittlungen der Zollfahndungsstelle Berlin und wegen der Auslandsbeziehungen beider OHG auch Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle für die Berliner FÄ beim FA Tiergarten in Berlin liefen. Die Steuerfahndungsstelle fertigte am 2. Oktober 1967 einen "Ergänzungs-Bericht über die bei der Unternehmenseinheit OHG, Berlin... und OHG, Hamburg... vorgenommene Prüfung"

Das FA K erließ demgemäß am 3. Mai 1968 einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide 1959 bis 1961, in denen es - ebenso wie für die Vorjahre - jeweils die Gewinne für beide OHG erfaßte. Auf der Grundlage dieser Gewinnfeststellungsbescheide erließen das für H zuständige Wohnsitz-FA am 21. Juli 1969 und das für den Kläger zu 2 zuständige Wohnsitz-FA K am 3. Mai 1968 Einkommensteuerbescheide für 1959 bis, 1961 mit entsprechenden Zahlungsaufforderungen.

Gegen die Gewinnfeststellungsbescheide vom 3. Mai 1968 erhoben H und der Kläger zu 2 nach erfolglosem Einspruch im Namen der OHG Hamburg Klage; gleichzeitig beantragten sie Aussetzung der Vollziehung. In diesen Verfahren machten H und der Kläger zu 2 mit Schriftsätzen vom 30. Dezember 1970 und 2. März 1971 erstmals geltend, die angefochtenen Bescheide seien schon deshalb rechtswidrig, weil ein einheitlicher Gewerbebetrieb, der die beiden OHG umfasse, nicht existiert habe und deshalb für jede OHG gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide hätten ergehen müssen.

Daraufhin setzte das Finanzgericht (FG) Berlin mit Beschluß vom 23. April 1971 FG II 2/71 antragsgemäß die Vollziehung der Gewinnfeststellungsbescheide 1959 bis 1961 vom 3. Mai 1968 mit der Begründung aus, die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide sei ernstlich zweifelhaft; es bestünden erhebliche Bedenken, ob es zulässig sei, die Gewinne für beide OHG zusammen in einem Bescheid festzustellen.

Am 5. Mai 1972 hob das FA K die Gewinnfeststellungsbescheide vom 3. Mai 1968, in denen die Gewinne für beide OHG zusammengefaßt waren, auf. Anschließend erließ das FA K für die OHG Berlin einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide für, 1959 bis 1961. Desweiteren erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte, das FA H (im folgenden FA) am 14. Juni 1973 für die OHG Hamburg einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide für 1959 bis 1961. Gegen diese Bescheide erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage, mit der sie geltend machten, die Gewinnfeststellungsbescheide hatten nicht mehr ergehen dürfen, weil die Einkommensteueransprüche bereits verjährt gewesen seien.

Das FG wies die Klage ab. Die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide seien nicht wegen Verjährung fehlerhaft. Auch habe das FA die Gewinne richtig ermittelt.

Mit der Revision beantragen die Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil, die Gewinnfeststellungsbescheide 1959 bis 1961 und die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide zu ändern.

Das FA beantragt die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Der Senat pflichtet der Vorentscheidung im Ergebnis darin bei, daß das FA nicht gehindert war, die Gewinnfeststellungsbescheide für 1959 bis 1961 zu erlassen. Die Verjährungsfrage ist im Rahmen des einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens im allgemeinen nicht zu prüfen, da nur Ansprüche verjähren können. Die Frage kann allerdings insofern Bedeutung erlangen, als Bescheide über die einheitliche Gewinnfeststellung unterbleiben müssen, wenn feststeht, daß sämtliche Steueransprüche, die auf dieser Gewinnfeststellung beruhen, verjährt sind (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. Juli 1974 III R 88/73, BFHE 113, 55, BStBl II 1974, 666, und vom 7. Dezember 1977 I B 16/77, BFHE 124, 19, BStBl II 1978, 265). Dies ist im Streitfall indessen nicht gegeben.

a) Die Verjährung der Einkommensteueransprüche gegen H und gegen den Kläger zu 2 begann gemäß § 145 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) i. d. F. vor dem Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 15. September 1965 (AOÄG) mit Ablauf des Jahres, in dem die Einkommensteueransprüche entstanden waren. Danach wären gemäß § 144 Abs. 1 und § 148 AO i. d. F. vor dem AOÄG i. V. m. § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c StAnpG die Einkommensteueransprüche 1959 mit Ablauf des Jahres 1964, die Einkommensteueransprüche 1960 mit Ablauf des Jahres 1965 und die Einkommensteueransprüche 1961 mit Ablauf des Jahres 1966 erloschen.

b) Die Verjährung wurde jedoch gemäß § 147 Abs. 1 AO i. d. F. vor dem AOÄG (i. V. m. Art. 5 Abs. 2 und 3 AOÄG) durch die in den Jahren 1962 und 1963 vom FA K bei beiden OHG, insbesondere auch bei der OHG Hamburg, durchgeführte und mit den Prüfungsberichten vom 28. Juni 1963 abgeschlossene Betriebsprüfung in vollem Umfange unterbrochen.

aa) Der Senat kann offenlassen, ob, wie die Vorentscheidung annimmt und die Revision angreift, bereits die Betriebsprüfung bei der OHG Berlin für die das FA K zweifelsfrei örtlich zuständig war, die Einkommensteueransprüche gegen H und gegen den Kläger zu 2 in vollem Umfange also auch insoweit unterbrochen hat, als diese Ansprüche auf den Gewinnen der OHG Hamburg beruhen (vgl. zur Reichweite der Unterbrechungswirkung von Gewinnfeststellungsbescheiden und demgemäß auch von Betriebsprüfungen bei Mitunternehmerschaften nach § 147 Abs. 1 AO i. d. F. vor dem AOÄG die Urteile vom 22. Oktober 1959 IV 36/59 U, BFHE 70, 61, BStBl III 1960, 24, und vom 12. November 1959 IV 46/59 U, BFHE 70, 75, BStBl III 1960, 29).

Der Senat kann des weiteren offenlassen, ob das FA K zu einer Betriebsprüfung bei der OHG Hamburg in den Jahren 1962 und 1963 wirklich örtlich unzuständig war. Das ist keineswegs so selbstverständlich, wie die Revision offenbar annimmt; denn bis zum Jahre 1970 sind alle Beteiligten, insbesondere sowohl H und der Kläger zu 2 als auch die FÄ in Hamburg und Berlin davon ausgegangen, daß nur ein gewerbliches Unternehmen mit Geschäftsleitung in Berlin vorliegt, das als wirtschaftliche Einheit bezeichnet wurde und das möglicherweise bereits zivilrechtlich entgegen dem durch die Handelsregistereintragungen begründeten Anschein nur von einer einzigen Gesellschaft getragen war und dessen Gewinne demgemäß auch nur in einem Feststellungsbescheid zu erfassen waren. Diese übereinstimmende Auffassung aller Beteiligten könnte es nahelegen, die Vorschriften des § 75 AO oder des § 78 AO, wenn nicht unmittelbar, so doch mindestens sinngemäß anzuwenden.

bb) Der Senat unterstellt zugunsten der Revision, daß eine Betriebsprüfung bei der OHG Berlin die Einkommensteueransprüche gegen H und gegen den Kläger zu 2 nur insoweit unterbrochen hat, als diese auf Gewinnen der OHG Berlin beruhen, und daß das FA K für eine Betriebsprüfung bei der OHG Hamburg in den Jahren 1962 und 1963 örtlich unzuständig war. Das kann der Revision aber nicht zum Erfolg verhelfen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH unterbrechen auch Handlungen eines örtlich unzuständigen FA gemäß § 147 Abs. 1 AO i. d. F. vor dem AOÄG die Verjährung (Urteile vom 26. Juni 1958 V z 219/57 U, BFHE 67, 181, BStBl III 1958, 340; vom 12. Januar 1965 VII 189/64, Steuerrechtsprechung in Karteiform -StRK-, Reichsabgabenordnung, § 79, Rechtsspruch 5), es sei denn, daß die Handlungen des örtlich unzuständigen FA auf ausdrückliche Rüge der örtlichen Unzuständigkeit hin als unwirksam aufgehoben worden sind (vgl. Urteil vom 17. Dezember 1976 III R 37/75, BFHE 121, 151; nunmehr aber auch § 127 der Abgabenordnung -AO 1977- und Urteil vom 2. Juli 1980 I R 74/77, BFHE 131, 180, BStBl II 1980, 684). An dieser Rechtsprechung hält der Senat ungeachtet der dagegen im Schrifttum erhobenen Einwände (Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 147 AO, Rdnr. 2) aus den bereits im Urteil VII 189/64 entwickelten Gründen fest.

Auch der Gesichtspunkt der verbandsmäßigen Zuständigkeit vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da eine solche Zuständigkeit der Reichsabgabenordnung fremd ist (Urteile vom 29. Oktober 1970 IV R 247/69, BFHE 101, 91, BStBl II 1971, 151; vom 23. November 1972 VII R 42/67, BFHE 108, 10, BStBl II 1973, 198).

Die genannten Rechtsgrundsätze greifen entgegen der Annahme der Revision auch ein, wenn ein FA in Berlin für ein im übrigen Bundesgebiet ansässiges Unternehmen unter Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeit einen Steuerbescheid erläßt oder bei diesem Unternehmen eine Betriebsprüfung vornimmt.

Art. 23 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) erstreckt den Geltungsbereich des Grundgesetzes auch auf das Gebiet von Berlin. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) z. B. in seiner Entscheidung vom 21. Mai 1957 2 BvL 6/76 (BVerfGE) 7, 1) ausdrücklich festgestellt, daß Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ist. Daran ist der Senat gebunden (vgl. § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht -BVerfGG-). Das Grundgesetz gilt in und für Berlin, soweit nicht aus der Besatzungszeit stammende und noch heute aufrechterhaltene Vorbehalte der drei westlichen Besatzungsmächte seine Anwendung beschränken (z. B. BVerfGE 7, 1/7; 36, 1/17, 32). Nr. 4 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 (hier zitiert in der deutschen Übersetzung nach Finkelnburg, Juristische Schulung 1967 S. 542/543 -JuS 1967, 542/543-) schränkt die Geltung des Grundgesetzes in und für Berlin lediglich dahin ein,

a) daß "Berlin keine abstimmungsberechtigte Mitgliedschaft in Bundestag und Bundesrat erhalten" und

b) "auch nicht durch den Bund regiert werden wird"

Entgegen der Annahme der Revision trifft es also nicht zu, daß sich die Bundesrepublik und Berlin wie Völkerrechtssubjekte in einem Staatenbund gegenüberstehen (s. auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., Art. 23 Rdnr. 6) und daß die "unmittelbare organisatorische Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik aufgeschoben" ist; diese organisatorische Eingliederung ist vielmehr lediglich in gewissem, durch das Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure vorgegebenen Umfange eingeschränkt.

Auf dieser Grundlage ist im wesentlichen allgemein anerkannt, daß die von Berlin übernommenen Bundesgesetze auch dort als Bundesrecht gelten (Beschluß des BVerfG vom 20. Januar 1966 1 BvR 140/62, BVerfGE 19, 377/388) und daß demgemäß auch Reichsrecht, wie etwa die Reichsabgabenordnung, in Berlin als Bundesrecht fortgilt (s. Kirn in von Münch, Grundgesetz-Kommentar' Art. 124 Rdnr. 6). Hiervon geht offensichtlich auch § 7 des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes vom 4. Januar 1952 -Drittes Überleitungsgesetz- (BGBl I 1952, 1) aus. Wäre es anders, wären z. B. Urteile des FG Berlin, die auf einer Anwendung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG), und der Reichsabgabenordnung beruhen, insoweit nicht revisibel, denn gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Revision zum BFH nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe.

Des weiteren kann nicht zweifelhaft sein, daß die von Berliner FA zum Vollzug des Einkommensteuergesetzes erlassenen Steuerbescheide und sonstigen Verwaltungsakte im ganzen Bundesgebiet und umgekehrt die von FA des übrigen Bundesgebietes erlassenen Steuerbescheide auch in Berlin Geltung haben, so wie dies entsprechend dem Wesen des landeseigenen Vollzugs von Bundesgesetzen im Verhältnis zwischen den einzelnen Ländern des übrigen Bundesgebietes gemäß Art. 83 und Art. 108 GG unstreitig der Fall ist (Beschluß des BVerfG vom 15. März 1960 2 BvG 1/57, BVerfGE 11, 6/19; vgl. auch Vogel/Wachenhausen, Bonner Kommentar, Grundgesetz, Art. 108, Rdnrn. 114 bis 120, insbesondere 118).

Es ist daher folgerichtig, auch, davon auszugehen, daß Maßnahmen der Berliner FA gegenüber Steuerpflichtigen im übrigen Bundesgebiet und in Berlin und Maßnahmen der FÄ des übrigen Bundesgebiets gegenüber Steuerpflichtigen in Berlin und im übrigen Bundesgebiet den Regeln über die örtliche Zuständigkeit (und nur diesen Regeln) und damit den Vorschriften der §§ 71 bis 79 AO unterliegen.

Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß die erwähnten Vorbehalte im Genehmigungsschreiben der Besatzungsmächte in irgendeiner Weise berührt werden, wenn Maßnahmen eines Berliner FA z. B. gegenüber einem in Hamburg ansässigen Steuerpflichtigen die gleichen Rechtswirkungen beigemessen werden wie gleichartigen Maßnahmen z. B. eines FA in Bayern gegenüber einem in Hamburg ansässigen Steuerpflichtigen.

cc) H und der Kläger zu 2 haben zu keiner Zeit Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Betriebsprüfung ergriffen und im Rahmen solcher Rechtsbehelfe gerügt, daß das FA K zu einer Betriebsprüfung bei der OHG Hamburg örtlich unzuständig gewesen sei. Demgemäß sind diese Maßnahmen auch nicht als unwirksam aufgehoben worden.

Die Behauptung der Klägerin zu 1, H habe vor der Betriebsprüfung 1963 die örtliche Unzuständigkeit des FA K für eine Betriebsprüfung der OHG geltend gemacht, ist als neues tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz unbeachtlich. Zudem ergibt sich aus dem vorgelegten Schriftwechsel lediglich, daß H 1960 nach Hamburg verzogen ist und dies dem FA mitgeteilt hat, nicht hingegen, daß er das Vorliegen eines einheitlichen gewerblichen Unternehmens mit Geschäftsleitung in Berlin in Zweifel ziehen wollte.

Daß nach Aufhebung des § 79 Abs. 2 AO die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit in allen am 1. Januar 1966 schwebenden oder danach anhängig gewordenen Verfahren ohne zeitliche Beschränkung erhoben werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1970 III R 116/69, BFHE 100, 69, BStBl II 1970, 794), ist im Streitfall unerheblich. Denn anders als in dem mit Urteil in BFHE 100, 69, BStBl II 1970, 794 entschiedenen Fall wurden die Maßnahmen der Betriebsprüfung gerade nicht angefochten und sind demgemäß auch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsbehelfsverfahrens.

c) Infolge der Unterbrechung der Verjährung durch die Betriebsprüfung des FA K in den Jahren 1962 und 1963 begann gemäß § 147 Abs. 3 AO i. d. F. vor dem AOÄG (i. V. m. Art. 5 Abs. 2 und 3 AOÄG) erneut eine Verjährung, die dann mit Ablauf des Jahres 1968 geendet hätte - unterstellt daß die streitigen Steuerbeträge nicht hinterzogen sind -. Der Ablauf dieser Verjährung wurde jedoch gemäß § 146 a Abs. 3 AO (i. V. m. Art. 5 Abs. 2 und 3 AOÄG) durch die im Jahre 1967 durchgeführte ergänzende Steuerprüfung des FA Tiergarten, Streitjahre 1959 bis 1961 erstreckte und nach deren Grundlage die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide für die OHG Hamburg vom 14. Juni 1973 ergangen sind, gehemmt.

aa) Eine erkennbar der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen dienende Steuerfahndungsprüfung ist eine Betriebsprüfung i. S. von § 146 a Abs. 3 AO und hemmt den Ablauf der Verjährung (BFH-Urteil vom 16. Januar 1979 VIII R 149/77, BFHE 127, 128, BStBl II 1979, 453). Dies gilt, wie ausgeführt, auch dann, wenn das FA, das die Steuerfahndungsprüfung durchführt, örtlich unzuständig ist (so für § 146 a Abs. 3 AO auch Tipke/Kruse, a. a. O., § 146 a AO Rdnr. 4).

Bei den von der Steuerfahndungsstelle des FA Tiergarten durchgeführten Maßnahmen handelte es sich nicht nur um einzelne Ermittlungsmaßnahmen nach Art der im BFH-Urteil vom 3. Juni 1975 VII R 46/72 (BFHE 116, 95, BStBl II 1975, 786) behandelten Einsicht in bestimmte Geschäftsunterlagen, sondern um eine umfassende Prüfung der Auslandsbeziehungen der beiden OHG. Zu dieser Schlußfolgerung konnte das FG auf der Grundlage des vorliegenden "Ergänzungsberichts" vom 2. Oktober 1967 kommen. Es bedurfte dazu keiner Beiziehung der vollständigen Akten der Steuerfahndungsstelle. Die einschlägige Verfahrensrüge der Revision ist demnach, sofern diese überhaupt formgerecht erhoben sein sollte, unbegründet.

bb) Die Ablaufhemmung nach § 146 a Abs. 3 AO dauerte bei Erlaß der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide vom 14. Juni 1973 noch an. Die Tatsache, daß das FA K die ursprünglich erlassenen Gewinnfeststellungsbescheide vom 3. Mai 1968 am 5. Mai 1972 wieder aufhob, weil Zweifel entstanden waren, ob die Gewinne bei der OHG in einem Bescheid zusammengefaßt werden dürfen, ändert hieran nichts. Denn diese Aufhebung war nicht etwa mit einer Mitteilung verbunden, daß "eine Festsetzung unterbleibt" (§ 146 a Abs. 3 letzter Halbsatz AO). Sie war vielmehr erkennbar darauf gerichtet, die Voraussetzung für den Erlaß getrennter Feststellungsbescheide für die Streitjahre für die OHG Berlin und für die OHG Hamburg auf der Grundlage der Fahndungsprüfung 1967 und der Betriebsprüfung 1963 zu schaffen.