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BFH-Urteil vom 7.8.1981 (VI R 104/78) BStBl. 1981 II S. 800

Der Unterschiedsbetrag zwischen der Miete für eine Dienstwohnung und dem geringeren Nutzungswert einer zweiten, dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehenden Wohnung, die er benutzen könnte, wenn er nicht in der Dienstwohnung wohnen müßte, kann nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden.

EStG §§ 9, 12 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit 1972 Hausmeister in der Hauptschule in A. Er bewohnt seitdem eine Dienstwohnung im Schulgebäude. Dazu ist er nach dem mit ihm abgeschlossenen Arbeitsvertrag verpflichtet. Bis 1972 hat er ein eigenes Haus in A bewohnt. 1975 schenkte er dieses Haus seiner Tochter. An einigen Räumen des Hauses behielt er sich das dingliche Wohnrecht vor. Diese Räume standen im Veranlagungszeitraum 1976 (Streitjahr) leer. Ihr Nutzungswert betrug im Streitjahr 1.680 DM. Die Miete für die Dienstwohnung betrug im Streitjahr 3.036 DM.

Der Kläger gab für das Streitjahr eine Einkommensteuererklärung ab. Darin erklärte er den Nutzungswert des dinglichen Wohnrechts als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Miete für die Dienstwohnung machte er als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgelehnt, weil der Kläger im Streitjahr keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe. Die Einkommensteuererklärung behandelte das FA als Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich. In dem Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid für das Streitjahr lehnte es den Abzug der Miete für die Dienstwohnung als Werbungskosten ab.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Differenz zwischen der Miete für die Dienstwohnung und dem Nutzungswert des Wohnrechts (3.036 DM ./. 1.680 DM = 1.356 DM) als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung anerkannt.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 9, 12 Nr. 1 EStG. Es ist der Auffassung, daß weder die arbeitsrechtliche Verpflichtung zum Bezug der Dienstwohnung noch das Vorhandensein einer zweiten Wohnung die Annahme von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit rechtfertigen könnten. Die Miete für die Dienstwohnung sei auch keine gemischte Aufwendung im Sinne des Beschlusses des Großen Senats vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17), weil die Wohnung keinen beruflichen Einschlag habe. Selbst wenn man gemischte Aufwendungen unterstelle, fehle es an einem objektiven Aufteilungsmaßstab. Der Nutzungswert des dinglichen Wohnrechts sei kein solcher Maßstab.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die Differenz zwischen der vom Kläger im Streitjahr gezahlten Miete für die von ihm genutzte Dienstwohnung und dem Nutzungswert des dinglichen Wohnrechts kann nicht als Werbungskosten bei der Einkunftsart nichtselbständige Arbeit abgezogen werden. Einem solchen Abzug steht das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG entgegen.

Nach ständiger Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368) sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit - über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus - alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Hingegen dürfen Beträge, die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendet werden, nicht abgezogen werden, und zwar auch nicht als Werbungskosten (§ 12 Nr. 1 EStG). Zu diesen nicht abzugsfähigen Aufwendungen gehört auch die Miete für eine Familienwohnung (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 3. November 1932 VI A 1128/32, RStBl 1933, 78; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 12 EStG Anm. 3a, 3; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 12 Anm. 3 Stichwort: "Wohnung und Hausrat"; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 12 Anm. IV 1 S. 13); denn das Innehaben einer Wohnung zählt zu den allgemeinen und elementaren Lebensbedürfnissen eines jeden Menschen.

Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, daß das Innehaben einer Wohnung auch betrieblich oder beruflich mitveranlaßt sein kann, und zwar auch dann, wenn die Wohnung nicht teilweise zu betrieblichen (beruflichen) Zwecken benutzt wird. Dabei kann der Grad der betrieblichen oder beruflichen Mitveranlassung unterschiedlich sein. Beim Wohnen am Arbeitsort liegt eine relativ geringe betriebliche (berufliche) Mitveranlassung vor. Beim Wohnen in der Nähe des Arbeitsplatzes ist der Grad der betrieblich (beruflich) bedingten Mitveranlassung schon höher.

Noch stärker ist der Grad der beruflichen Mitveranlassung in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige aufgrund eines Arbeitsvertrages verpflichtet ist, eine Dienstwohnung zu beziehen. In allen diesen Fällen aber ist die betriebliche (berufliche) Mitveranlassung nicht so intensiv, daß der privaten Benutzung keine Bedeutung mehr zukommt; denn selbst bei einer Dienstwohnung steht das der privaten Lebensführung zuzuordnende allgemeine Wohnbedürfnis im Vordergrund.

Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 ist die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG dahingehend auszulegen, daß Aufwendungen, die sowohl privat als auch betrieblich (beruflich) veranlaßt sind, nur dann in einen privaten (nicht abziehbaren) und einen betrieblichen oder beruflichen (abziehbaren) Teil aufgeteilt werden dürfen, wenn objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen, und wenn der betrieblich (beruflich) veranlaßte Teil nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Ist eine solche Trennung nicht möglich, fallen die gesamten Aufwendungen unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG.

Im Streitfall kommt das Aufteilungsverbot und damit auch das Abzugsverbot zur Anwendung. Die Benutzung der Dienstwohnung durch den Kläger ist - wie dargelegt - teils privat, teils beruflich veranlaßt. Eine Aufteilung des Mietzinses kommt nicht in Betracht, weil es nicht möglich ist, die Miete für die Dienstwohnung nach objektiven Merkmalen zutreffend und leicht nachprüfbar in einen privaten und einen beruflich veranlaßten Teil aufzuteilen.

Der vom FG gewählte Vergleich der Mietzahlungen mit dem Nutzungswert des dinglichen Wohnrechts ist kein geeigneter objektiver Aufteilungsmaßstab. Abgesehen davon, daß der Kläger mit seiner Ehefrau das Haus, das er seiner Tochter geschenkt hat, früher ganz und nicht nur in dem Umfang des vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts bewohnt hat, muß ein Vergleich mit einer zur Verfügung stehenden zweiten Wohnung auch deshalb ausscheiden, weil diese zweite Wohnung keinen objektiven Maßstab für das augenblickliche Wohnbedürfnis eines Steuerpflichtigen bildet. Dieses Wohnbedürfnis wird stark von subjektiven Elementen geprägt. In der Regel steigt es mit der Größe und dem Komfort einer zur Verfügung stehenden Wohnung. Es ist daher - solange keine Raume einer Wohnung dauernd leerstehen, wofür im Streitfall kein Anhaltspunkt gegeben ist - kaum feststellbar, ob die Größe einer von einem Steuerpflichtigen bewohnten Wohnung seine Wohnbedürfnisse befriedigt oder übersteigt; denn in der Regel wird das Wohnbedürfnis den Gegebenheiten angepaßt. Das gilt auch für Dienstwohnungen.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich auch, daß bei einer Dienstwohnung, die ausschließlich zu Wohnzwecken benutzt wird kein zutreffender objektiver Abgrenzungsmaßstab dafür gefunden werden kann, in welchem Umfang eine private und in welchem Umfang eine betriebliche (berufliche) Veranlassung gegeben ist.

Dafür, daß die Mietaufwendungen des Klägers nicht zutreffend und leicht nachprüfbar in einen privat und in einen beruflich veranlaßten Teil aufgeteilt werden können, spricht auch das BFH-Urteil in RStBl 1933, 78. Nach dieser Entscheidung sind die Kosten für eine Familienwohnung auch dann nichtabziehbare Kosten der Lebensführung, wenn mit Rücksicht auf den Beruf der Wohnsitz an einem teueren Ort genommen werden muß.

Dem gefundenen Ergebnis steht weder § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG noch das BFH-Urteil vom 12. Juni 1975 IV R 159/74 (BFHE 116, 270, BStBl II 1975, 769) entgegen. In diesem Urteil hat der BFH zwar den Wohnwagen eines Schaustellers dem Betriebsvermögen zugerechnet und dazu ausgeführt, daß dieses Ergebnis § 12 Nr. 1 EStG nicht widerspreche, weil durch den hinter der Regelung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG stehenden Rechtsgedanken zum Ausdruck komme, daß das Wohnen eine so enge Verbindung zu einem Betrieb haben könne, daß ihm ein betrieblicher Charakter beizumessen sei. In der genannten Entscheidung sind dafür die Bordwohnung auf einem Frachtschiff und der Wohnwagen gewisser Schausteller als Beispiele angeführt. Damit ist jedoch keine Aussage über die Behandlung von Mietaufwendungen für eine Wohnung im Betrieb getroffen worden. Es wird damit nur gesagt, daß die Wohnung als solche in den bezeichneten Fällen zum Betriebsvermögen gehören kann. Was die Behandlung der Mietaufwendungen für derartige Wohnungen angeht, so muß aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG entnommen werden, daß auch in diesen Fällen, in denen die Wohnung eines Steuerpflichtigen einem Betriebsvermögen zuzurechnen ist, der Mietwert der Wohnung nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden darf. In § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG wird bestimmt, daß der Nutzungswert der zum Betriebsvermögen gehörenden Wohnung eines Land- und Forstwirts zu seinen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehört. Dadurch wird ein Land- und Forstwirt einem Steuerpflichtigen im Ergebnis gleichgestellt, der in einer Mietwohnung wohnt und den Mietzins für diese Wohnung aus seinem versteuerten Einkommen bezahlen muß.

Da das FG bei seiner Entscheidung von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war diese nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die Klage abzuweisen.