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BFH-Urteil vom 21.7.1981 (VIII R 128/76) BStBl. 1982 II S. 36

Schuldzinsen für einen Kredit zur Anschaffung einer GmbH-Beteiligung sind in vollem Umfang Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn auf Dauer gesehen ein Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben erwartet werden kann.

EStG 1974 § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Arbeitnehmer - technischer Leiter - im Betrieb einer GmbH. Diese erhöhte 1974 das Stammkapital von 35.000 DM auf 100.000 DM. Von dem Erhöhungsbetrag übernahmen der bisherige Alleingesellschafter 20.000 DM, der Kläger 15.000 DM und ein weiterer neuer Gesellschafter 30.000 DM. Der Kläger finanzierte den Erwerb seiner im Privatvermögen gehaltenen Gesellschaftsrechte mit einem Darlehenskredit. Die mit Verlust arbeitende GmbH nahm im Jahr 1974 keine Ausschüttungen vor.

Für den Veranlagungszeitraum 1974 machte der Kläger die auf den Kredit entfallenden Schuldzinsen von 1.155 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte in der Einspruchsentscheidung die Schuldzinsen nicht als Werbungskosten an, weil ihnen kein Ertrag aus den GmbH-Anteilen gegenübergestanden habe.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Einkommensteuer unter Zugrundelegung eines zu versteuernden Einkommensbetrags von 37.248 DM gemäß § 32a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1974 (EStG) auf 7.988 DM fest. Zur Begründung führte es aus: Es sei mit dem Werbungskostenbegriff nicht vereinbar, Schuldzinsen für einen Kredit zum Erwerb eines GmbH-Anteils schon deshalb vom Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen auszuschließen, weil die Beteiligung im Veranlagungszeitraum keine Erträge abgeworfen habe. Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der der Abzug nur bis zur Höhe der Wertpapiererträge zulässig sei (z.B. Urteil vom 26. November 1974 VIII R 266/72, BFHE 114, 229, BStBl II 1975, 331), etwas anderes ergebe, sei ihr nicht zu folgen. Entscheidend für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen sei allein, ob ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer Einkunftsart bestehe. Dies sei stets der Fall, wenn ein Vermögenswert objektiv geeignet sei, einen Ertrag zu erbringen. Im Streitfall bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beteiligung an der GmbH ungeeignet sei, auf längere Sicht Erträge abzuwerfen, welche die Schuldzinsen ausgleichen würden. Dagegen spreche insbesondere der Umstand, daß der Kläger die Beteiligung in Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse erworben habe. Daß bei der Anschaffung der Gesellschaftsanteile auch die Hoffnung auf eine Wertsteigerung eine Rolle gespielt haben könne, ändere die Rechtslage nicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 20 EStG). Es macht geltend: Die zu Kreditkäufen von Aktien ergangene Rechtsprechung des BFH sei auch beim Erwerb von GmbH-Anteilen anzuwenden. Denn auch dieser diene in der Regel sowohl einer nicht steuerbaren Vermögensmehrung als auch der Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen. Es komme hinzu, daß bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung wegen der häufigeren Thesaurierung von Gewinnen nicht in gleichem Maße wie bei Aktiengesellschaften mit regelmäßigen Ausschüttungen gerechnet werden könne. Die Auffassung, daß bei ertragbringenden Vermögenswerten eine Aufteilung der Aufwendungen nicht zulässig sei, stehe auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH, wonach Zinsen für Schulden zum Erwerb einer Schachtelbeteiligung als Betriebsausgaben abgezogen werden könnten, soweit die steuerfreien Einnahmen aus der Schachtelbeteiligung den Betrag der Schuldzinsen nicht deckten (Urteile vom 21. Februar 1973 I R 26/72, BFHE 109, 27, BStBl II 1973, 508; vom 25. Oktober 1966 I 26/64, BFHE 87, 243, BStBl III 1967, 92). Im übrigen sei die Steuerfestsetzung des FG unzutreffend; bei einem zu versteuernden Einkommensbetrag von 37.248 DM ergebe sich nach der Splittingtabelle ein Steuerbetrag von 7.968 DM.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten. Er meint, wenn an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Beteiligung, die der Steuerpflichtige im Privatvermögen halte, mit Kredit erworben werde, so seien die Schuldzinsen für den Kredit bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nur in Höhe der Einnahmen als Werbungskosten abziehbar.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Schuldzinsen für das zum Erwerb der GmbH-Beteiligung aufgenommene Darlehen sind Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§§ 9, 20 EStG).

1.-4. Die hier nicht wiedergegebenen Rechtsausführungen der Entscheidung entsprechen der Begründung des Urteils vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76 unter 1.-4. (BFHE 134, 113).

5. Die Vorentscheidung steht mit diesen Grundsätzen im Einklang.

Ihr kann entnommen werden, daß der Erwerb der GmbH-Beteiligung durch die Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte veranlaßt war. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich, daß der Kläger zumindest langfristig einen Überschuß aus der Beteiligung erwarten konnte.

Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt auch nicht den Schluß zu, daß für den fremdfinanzierten Erwerb der GmbH-Beteiligung die Absicht der Erzielung eines alsbaldigen Veräußerungsgewinns maßgebend war. Hiergegen spricht bereits der Umstand, daß der Kläger der GmbH als Geschäftsführer verbunden war und ihr im Wege der Einlage langfristig benötigtes Kapital zuführte. Es kommt hinzu, daß bei GmbH-Anteilen die Möglichkeit einer kurzfristigen Realisierung steuerfreier Kursgewinne eingeschränkt ist, weil kein leicht erkennbarer Kurswert vorhanden ist und die Wertermittlung häufig schwierige und langwierige Untersuchungen und Berechnungen voraussetzt.

Die bloße Möglichkeit, Gewinne in der Kapitalgesellschaft zu thesaurieren, schließt noch nicht die Anerkennung vorweggenommener Werbungskosten aus. Es bedarf vielmehr konkreter Anhaltspunkte dafür, daß aufgrund der individuellen Gestaltung der Verhältnisse der GmbH und/oder ihrer Gesellschafter eine Thesaurierungsabsicht betrieben wird, die vorwiegend einer Realisierung von Wertsteigerungen durch Anteilsveräußerung dienen soll. Umstände dieser Art sind jedoch weder vom FA vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auf die Entscheidung ohne Einfluß ist es schließlich, wenn sich der Kläger an der GmbH nicht nur in Erwartung der Ausschüttung von Gewinnen beteiligt haben sollte, sondern auch, um durch die Zuführung von Kapital den Fortbestand der GmbH und damit gleichzeitig seinen eigenen Arbeitsplatz zu erhalten. Denn der wirtschaftliche Zusammenhang der Aufwendungen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen steht im Vordergrund und verdrängt die Beziehung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1961 VI 158/59 U unter Nr. 1, BFHE 73, 449, BStBl III 1961, 431).

6. Die Berechnung der Einkommensteuer durch das FG beruht auf einer offenbaren Unrichtigkeit. Wie sich aus der Splittingtabelle ergibt, beträgt die Einkommensteuer bei einem zu versteuernden Einkommensbetrag von 37.248 DM nur 7.968 DM. Die Einkommensteuerfestsetzung war deshalb nach § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu berichtigen. Der erkennende Senat ist für diese Berichtigung zuständig (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 IV 280/65, BFHE 102, 509, BStBl II 1971, 703; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 107 Rdnr. 4).

 

 

 

   
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