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BFH-Urteil vom 17.9.1981 (V R 127/76) BStBl. 1982 II S. 45

Die Ursprungsbescheinigung nach § 8 BHG 1968/ BerlinFG kann noch bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG über eine Klage gegen die erstmalige endgültige Steuerfestsetzung oder den Berichtigungsbescheid vorgelegt werden (Aufgabe der Urteile vom 25. Januar 1962 V 138/59 U, BFHE 74, 311, BStBl III 1962, 120, und vom 23. April 1964 V 25/62, HFR 1964, 285, StRK, Berlinhilfegesetz, § 7, Rechtsspruch 11, und Fortführung der Rechtsprechung in den Urteilen vom 28. Februar 1980 V R 118/76, BFHE 130, 118, BStBl II 1980, 415, und vom 29. Januar 1981 V R 43/77, BFHE 133, 103, BStBl II 1981, 542).

BerlinFG §§ 8, 1 Abs. 8.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Inhaberin eines in Berlin (West) belegenen Verlages, in dem eine Fachzeitschrift herausgegeben wird. Die Zeitschrift wird in Berlin (West) gedruckt und auch an Abonnenten im Bundesgebiet im Postzeitungsdienst vertrieben. Soweit die Zeitschrift in das Bundesgebiet an Unternehmer geliefert wurde, nahm die Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1969/1971 die Umsatzsteuerkürzungen nach § 1 Abs. 1 des Berlinhilfegesetzes (BHG 1968) bzw. des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Anspruch. Sie wurde zunächst gemäß ihren Erklärungen veranlagt.

Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung wurde festgestellt, daß die für die Inanspruchnahme der Umsatzsteuerkürzungen erforderlichen Ursprungsbescheinigungen des Senators für Wirtschaft lediglich für das Jahr 1970, nicht jedoch für die Jahre 1969 und 1971 vorlagen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ daraufhin berichtigte Umsatzsteuerbescheide für 1969 und 1971, in denen er die Umsatzsteuerkürzungen für Zeitschriftenlieferungen in das Bundesgebiet für 1969 in Höhe von 1.720,51 DM und für 1971 in Höhe von 3.265,20 DM rückgängig machte.

Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) der Klägerin, die im Einspruchsverfahren für die Jahre 1969 und 1971 nachträglich die erforderlichen Ursprungsbescheinigungen des Senators für Wirtschaft vorgelegt hatte, die begehrten Kürzungsansprüche zugebilligt und die Umsatzsteuern neu festgesetzt. Zur Begründung hat es u. a. unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. April 1964 V 25/62 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 285 - HFR 1964, 285 -, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Berlinhilfegesetz, § 7, Rechtsspruch 11) ausgeführt, der Grundsatz, daß die erforderlichen Belege bis zur erstmaligen Veranlagung beigebracht sein müßten, sei nicht schematisch anzuwenden. Angesichts der besonderen Umstände des Falles sei es dem Prüfer unschwer möglich gewesen, sowohl die Herstellung der Zeitschrift in Berlin (West) anhand der Druckereirechnungen als auch die Versendung in das Bundesgebiet anhand der vorhandenen Versendungsbelege festzustellen. Es stelle eine Überspannung von Anforderungen an den Buchnachweis dar, wenn in solchen Fällen die Überprüfung, ob ein Gegenstand in Berlin (West) hergestellt sei, auch ohne die Ursprungsbescheinigung unschwer möglich sei und die Klägerin die erforderlichen Belege alsbald nach Feststellung ihres Fehlens beigebracht habe.

Mit der vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 1, 6, 8 und 10 BHG 1968/BerlinFG. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sei die für die Inanspruchnahme des Umsatzsteuerkürzungsanspruchs erforderliche Ursprungsbescheinigung (als Belegnachweis) eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Kürzungsanspruchs. Nach dem Urteil des BFH vom 25. Januar 1962 V 138/59 U (BFHE 74, 311, BStBl III 1962, 120) müsse der Belegnachweis als Bestandteil des Buchnachweises spätestens bei der erstmaligen Veranlagung vorliegen. Die Grundsätze des BFH-Urteils in HFR 1964, 285, StRK, Berlinhilfegesetz, § 7, Rechtsspruch 11 könnten auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, da die Verhältnisse hier anders lägen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Der Kürzungsanspruch nach § 1 BHG 1968/BerlinFG setzt voraus, daß ein Berliner Unternehmer an einen westdeutschen Unternehmer Gegenstände geliefert hat, welche in Berlin (West) hergestellt worden und aus Berlin (West) in den übrigen Geltungsbereich dieses Gesetzes gelangt sind. Die Voraussetzungen für die Kürzungen sind nach § 1 Abs. 8 BHG 1968/BerlinFG belegmäßig (§§ 8, 9) und buchmäßig (§ 10) nachzuweisen. Das FA vermißt in Übereinstimmung mit dem Prüfer für die Jahre 1969 und 1971 die nach § 8 BHG 1968/BerlinFG erforderlichen Ursprungsbescheinigungen, mit denen nachzuweisen ist, daß die gelieferten Zeitschriften in Berlin (West) hergestellt worden sind, ohne den Beleg- und Buchnachweis im übrigen zu beanstanden. Zutreffend ist der Hinweis des FA, daß ein ordnungsgemäßer Beleg- und Buchnachweis eine der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Kürzungsanspruchs ist. Zum Zeitpunkt, zu dem der Beleg- und Buchnachweis vorliegen muß, enthält das Gesetz keine Regelung. Die Gesetzesvorlage ist keine andere als bei den Regelungen zum Buchnachweis und dem dazugehörigen Belegnachweis in § 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) und in § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung der umsatzsteuerlichen Vorschriften des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen - NATO-Truppenstatut - vom 30. September 1963 (NATO-ZAbk-UStDV). Die hierzu vom Senat entwickelten Grundsätze zum Zeitpunkt des Buchnachweises und zum Vorliegen des dazugehörigen Belegnachweises können entsprechend angewendet werden. Denn die Ursprungsbescheinigung nimmt (ebenso wie die in § 9 BerlinFG genannten Belege) im Nachweisverfahren eine dem Ausfuhrnachweis bzw. dem Abwicklungsschein nach der NATO-ZAbK-UStDV vergleichbare Stellung ein. Sie dient auch dem Nachweis, daß eine für die Inanspruchnahme des Kürzungsanspruchs erforderliche Voraussetzung vorliegt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß mit der Ursprungsbescheinigung nicht das Warenziel, sondern die Herkunft der Ware belegt und nachgewiesen werden muß. Wie der Senat mit Urteil vom 28. Februar 1980 V R 118/76 (BFHE 130, 118, BStBl II 1980, 415 - Ausfuhrnachweis -) und vom 29. Januar 1981 V R 43/77 (BFHE 133, 103, BStBl II 1981, 542 - Abwicklungschein nach Art. 67 Abs. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen) erkannt hat, kann der belegmäßige Nachweis (Ausfuhrnachweis/Abwicklungsschein) als Bestandteil des Buchnachweises noch bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG über eine Klage gegen die erstmalige endgültige Steuerfestsetzung oder den Berichtigungsbescheid geführt werden.

Die Klägerin konnte demgemäß noch nach Ergehen des Berichtigungsbescheids den gesetzlichen Anforderungen genügen, die erforderlichen Ursprungsbescheinigungen für die Jahre 1969 und 1971 vorlegen und damit dem Berichtigungsbescheid den Boden entziehen. Die sonstigen Aufzeichnungen der Klägerin sowie den Belegnachweis hat das FA nicht beanstandet, so daß im übrigen von dem rechtzeitigen Vorliegen eines ordnungsgemäßen Buchnachweises auszugehen ist.

Daß die Klägerin das Fehlen der Ursprungsbescheinigungen bei der Abgabe der Steuererklärungen und der Inanspruchnahme der Kürzungsansprüche für 1969 und 1971 dem FA gegenüber pflichtwidrig nicht offengelegt hat, ist jedenfalls für die Gewährung der begehrten Steuerkürzung ohne Bedeutung (vgl. dazu Abs. 5 der Gründe des Urteils in BFHE 130, 118, BStBl II 1980, 415). Auf die vom FG hervorgehobene Besonderheit des Falles, daß die Herstellung der Zeitschrift in Berlin (West) für den Prüfer trotz Fehlens der Ursprungsbescheinigungen wegen der vorliegenden Druckereirechnungen leicht feststellbar war, kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Senats nicht an. Der Senat hält daher an der früheren gegenteiligen (engeren) Rechtsprechung zum letztmöglichen Zeitpunkt der Vorlage von Belegen für die Inanspruchnahme von Kürzungsansprüchen nach dem Berlinhilfegesetz/Berlinförderungsgesetz, wie sie in den Urteilen in BFHE 74, 311, BStBl III 1962, 120, und in HFR 1964, 285, StRK, Berlinhilfegesetz, § 7, Rechtsspruch 11, zum Ausdruck gekommen ist, nicht mehr fest.