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BFH-Urteil vom 7.10.1981 (II R 85/80) BStBl. 1982 II S. 79

Der besondere Freibetrag des § 1 Abs. 2 Nr. 3 GrEStEigWoG steht einem Grundstückskäufer entsprechend dem Urteil vom 3. Dezember 1980 II R 139/79 (BFHE 132, 340, BStBl II 1981, 328) auch dann zu, wenn vereinbarungsgemäß der Erwerb des Erbbaurechtes erst mit Abschluß des Grundstückskaufvertrages wirksam werden soll.

Offen bleibt, ob der besondere Freibetrag auch demjenigen Käufer zusteht, welcher Erbbaurecht und Grundstück gleichzeitig oder kurz nacheinander von derselben Person erwirbt.

GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 1 Abs. 2 Nr. 3.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. Februar 1978 je zur ideellen Hälfte ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Erbbaurecht von den Eheleuten P. Dabei vereinbarten sie, daß der Vertrag erst wirksam werden sollte, wenn die Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks (Eheleute T) das diesen gleichzeitig gemachte Angebot zum Abschluß eines Kaufvertrags über den Grund und Boden bis zum 20. März 1978 annehmen. Die Eheleute T nahmen dieses Angebot am 14. März 1978 in notariell beurkundeter Form an.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erhob gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) für den Erwerb des Erbbaurechts keine Steuer. Dagegen setzte er für den Kauf des Grundstücks mit zwei Bescheiden Grunderwerbsteuer fest. Den Antrag der Kläger, diesen Erwerb gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG ebenfalls von der Steuer freizustellen, lehnte das FA ab. Bei Abschluß des Vertrags vom 27. Februar 1978 hätten die Kläger noch keine Wohnung in dem Haus bewohnt, wie die genannte Vorschrift voraussetze. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Auf die gemeinschaftliche Klage hob das Niedersächsische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 4. März 1980 III 462-463/78 die Steuerbescheide auf. Die beiden notariell beurkundeten Verträge über den Erwerb des Grundstücks und des Erbbaurechts seien als eine Einheit anzusehen. Der Erwerb des Grundstücks sei daher ebenso wie der Erwerb des Erbbaurechts gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG steuerfrei.

Mit seiner Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist teilweise begründet.

1. Der Erwerb des Grundstücks ist steuerfrei gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG.

Das erworbene Grundstück war bei Abschluß des Kaufvertrags über dieses Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, dessen wesentlicher Bestandteil das aufstehende, zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dienende Zweifamilienhaus war. Erbbauberechtigte waren die Kläger; denn gleichzeitig mit Abschluß des Grundstückskaufvertrags hatten sich die bisherigen Inhaber des Erbbaurechts verpflichtet, dieses auf die Kläger zu übertragen. Daß die Kläger schon als Erbbauberechtigte im Erbbaugrundbuch eingetragen waren, ist nicht notwendig (vgl. dazu das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Dezember 1980 II R 139/79, BFHE 132, 340, BStBl II 1981, 328).

Erforderlich ist außerdem, daß eine Wohnung in dem Zweifamilienhaus von den Klägern "bewohnt wird". Hierbei genügt es, daß die Kläger künftig binnen fünf Jahren seit Erwerb des Erbbaurechts diese Wohnung bewohnen werden; denn die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG kann nicht für sich allein, sondern nur im Zusammenhang mit den Nrn. 1 bis 3 des § 1 Abs. 1 Satz 1 des genannten Gesetzes ausgelegt werden (BFHE 132, 340). Daß die Kläger die Wohnung ein Jahr lang bewohnen werden, ist für die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG nicht erforderlich (BFHE 132, 340).

2. Der Senat verkennt nicht, daß es in Fällen der vorliegenden Art naheliegt, beide Erwerbsvorgänge grunderwerbsteuerrechtlich als eine Einheit anzusehen und § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG auch auf den Erwerb des Grundstücks anzuwenden. Der Senat folgt dieser Ansicht des FG aber deshalb nicht, weil dann insgesamt nur der Freibetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStEigWoG gewährt werden könnte. Damit würden Fälle der vorliegenden Art ohne Grund anders behandelt werden als diejenigen Sachverhalte, über welche mit den BFH-Urteilen vom 2. Juli 1980 II R 132/79 (BFHE 130, 574, BStBl II 1980, 729) und in BFHE 132, 340, BStBl II 1981, 328 entschieden wurde; dort hat der Senat für den Erwerb des Grundstücks den besonderen Freibetrag gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 GrEStEigWog zugestanden.

Ob der letztgenannte besondere Freibetrag auch demjenigen Käufer zusteht, welcher Erbbaurecht und Grundstück gleichzeitig oder kurz nacheinander von derselben Person erwirbt, kann hier offenbleiben.

3. Nach den Ausführungen unter II. 1. ist der Erwerb des Grundstücks durch die Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG nur dann steuerfrei, wenn die Kläger entsprechend ihrer glaubhaften Erklärung innerhalb der nach Nr. 2 maßgebenden Fünfjahresfrist eine Wohnung in dem aufstehenden Haus bewohnen werden. Da § 3 GrEStEigWoG für die Fälle des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 nicht gilt, muß das FA die Kläger nach § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung vorläufig von der Steuer freistellen. Der Senat legt die Klageanträge dahin aus, daß sie auch diese vorläufige Freistellung als das Geringere gegenüber der beantragten ersatzlosen Aufhebung der Steuerbescheide und der Einspruchsentscheidungen mit einschließen. Da die Kläger statt der uneingeschränkten Aufhebung der Steuerbescheide und der Einspruchsentscheidungen nur die Aufhebung dieser Verwaltungsakte unter Verpflichtung des FA zur vorläufigen Freistellung erreicht haben und die Klage daher nicht in vollem Umfang Erfolg gehabt hat, war sie im übrigen abzuweisen.