| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 30.9.1981 (II R 56/78) BStBl. 1982 II S. 82

Bei der Entscheidung, ob ein Packwagen im Gewerbe nach Schaustellerart von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren ausgenommen, sein Halten infolgedessen von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist, sind Finanzamt und Finanzgericht nicht an die Beurteilung durch die Zulassungsstelle gebunden.

KraftStG 1972 § 2 Nr. 1; KraftStDV 1961 §§ 6, 8, 9; KraftStG 1979 § 3 Nr. 1; KraftStDV 1979 §§ 5, 6; StVZO § 18 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. e, § 58 Abs. 1.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betätigte sich als Schausteller. Er stellte an verschiedenen Orten einen 14 m langen präparierten Tierkörper zur Schau. Zu dessen Beförderung verwendete er eine Sattelzugmaschine (amtliches Kennzeichen: ...) und einen Sattelanhänger (amtliches Kennzeichen: ..., zulässiges Gesamtgewicht 30.400 kg, 2 Achsen, Luftreifen). Beide Fahrzeuge waren 1975 für den Kläger zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen und sind 1976 abgemeldet worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte durch Bescheide vom 12. Mai 1975 die Kraftfahrzeugsteuer für das Halten der Sattelzugmaschine auf 7.757,50 DM, die für das Halten des Sattelanhängers auf 6.187,50 DM fest (bei jeweils jährlicher Entrichtung der Steuer); die Einsprüche wies er zurück.

Mit seiner Klage hat der Kläger begehrt, die beiden Einspruchsentscheidungen und die beiden Steuerbescheide ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzgericht (FG) hat die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer für das Halten der Sattelzugmaschine aufgehoben, im übrigen die Klage abgewiesen. Das Halten des Sattelanhängers sei nicht nach § 2 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes i.d.F. vom 1. Dezember 1972 (KraftStG 1972) steuerfrei. Denn der Sattelanhänger sei kein Fahrzeug, das von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren ausgenommen sei. Er sei zwar ein "Packwagen im Gewerbe nach Schaustellerart", erfülle aber nicht die weitere Voraussetzung des § 18 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. e der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), daß er von einer Zugmaschine "mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h mitgeführt werden" könne. Aus diesem Grunde habe die für die Zulassung von Kraftfahrzeug-Anhängern zuständige Verwaltungsbehörde (Zulassungsstelle) den Sattelanhänger für zulassungspflichtig erachtet und ihn am 11. März 1975 ordnungsgemäß zugelassen. Diese Handhabung sei "nach dem Wortlaut des § 2 Nr. 1 KraftStG für die Besteuerung von bindender Wirkung". Mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 2 Nr. 1 KraftStG 1972 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. e StVZO. Er beantragt, in Abänderung des Urteils des FG die Einspruchsentscheidung und den ihr zugrunde liegenden Steuerbescheid bezüglich des Sattelanhängers ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zutreffend entschieden, daß das Halten des Sattelanhängers der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1972) und nicht gemäß § 2 Nr. 1 KraftStG 1972 (jetzt § 3 Nr. 1 KraftStG 1979) von der Steuer befreit ist. Nach dieser Vorschrift ist von der Steuer befreit das Halten von "Fahrzeugen, die von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren ausgenommen sind". Zu den Fahrzeugen dieser Art gehören auch "Packwagen im Gewerbe nach Schaustellerart, wenn sie von Zugmaschinen mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h mitgeführt werden" oder - falls die durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit des ziehenden Fahrzeugs mehr als 25 km/h beträgt - wenn der Anhänger für eine Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h durch ein Geschwindigkeitsschild entsprechend gekennzeichnet ist (§ 18 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. e StVZO). Diese Voraussetzungen hat das FG nicht für gegeben erachtet. Seine dahingehende Tatsachenfeststellung ist für den erkennenden Senat bindend, da in bezug auf sie keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO).

Das FG hat seine Entscheidung zusätzlich mit der Bemerkung begründet: "Diese Handhabung" (nämlich, daß "die zuständige Verkehrszulassungsbehörde den Anhänger nicht zulassungsfrei belassen" hat) sei "nach dem Wortlaut des § 2 Nr. 1 KraftStG 1972 für die Besteuerung von bindender Wirkung". Das ist auch die Auffassung des FA. Es stützt sich dabei auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Saarbrücken vom 10. Juli 1970 S 6105-11-St 232.

Ihr zufolge sind "die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder" - anders als der Landesrechnungshof eines Landes - der Auffassung, die FÄ seien "hinsichtlich der Zulassungsfreiheit an die Entscheidung der Zulassungsstellen gebunden".

Diese Rechtsauffassung findet indes im Gesetz keine Stütze. Nach dem Gesetz ist es Aufgabe des FA und des FG, von Amts wegen den steuererheblichen Sachverhalt zu ermitteln (früher § 204 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -, jetzt § 88 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 76 FGO). An der Wahrnehmung dieser Aufgabe waren FA und FG nicht etwa deshalb rechtlich gehindert, weil die Zulassungsstelle den Anhänger für zulassungspflichtig erachtet und ihn zum Verkehr zugelassen hatte. Denn die Zulassung oder die Nichtzulassung des Anhängers durch die Zulassungsstelle war keine tatbestandliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 2 Nr. 1 KraftStG 1972. An die der Zulassung des Anhängers vorausliegenden Tatsachenfeststellungen der Zulassungsstelle und deren rechtliche Würdigung waren FA und FG nicht gebunden, denn es gab keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift, die eine solche "erweitere Feststellungswirkung" anordnete (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., 1980, Vorbemerkung § 35 Tz. 32; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 88 Anm. 23). Sie läßt sich auch nicht ableiten aus den Vorschriften über die Beistandspflicht der Zulassungsstellen. Denn deren Pflicht, "bei der Durchführung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes mitzuwirken" (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 KraftStG 1972, § 6 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung vom 14. Juni 1961 - KraftStDV 1961 -), war auf bestimmte Handlungen begrenzt (§ 8 KraftStDV 1961). Gegen die vom FG angenommene Bindung des FA an die Entscheidung der Zulassungsstelle spricht auch, daß dem FA gesetzlich die Befugnis eingeräumt ist, sich "zur Aufklärung von Zweifeln .... das Fahrzeug vorführen und den Fahrzeugbrief, den Kraftfahrzeug- oder Anhängerschein sowie den Steuerbescheid vorlegen" zu lassen (§ 9 KraftStDV 1961, jetzt § 6 KraftStDV 1979). Von dieser Rechtsauffassung ist der BFH schon bisher ausgegangen (vgl. z.B. Urteil vom 30. Januar 1957 II 93/56 U, BFHE 64, 393, BStBl III 1957, 147, betreffend die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung eines Tiefladeanhängers).

An ihr hält er fest. Das schließt nicht aus, daß sich FA und FG die Tatsachenfeststellungen und deren rechtliche Würdigung durch die Zulassungsstelle zu eigen machen können, wenn sie ihnen zutreffend erscheinen und der Fahrzeughalter gegen sie keine Einwendungen erhebt. Der Senat teilt nicht die Ansicht von Egly/Mößlang, das FA sei, solange die Zulassung bestehe, gebunden und könne die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 1 KraftStG 1979 (= § 2 Nr. 1 KraftStG 1972) auch dann nicht gewähren, wenn es die Meinung des Fahrzeughalters teile (Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, 3. Aufl., 1981 S. 97).

Die fehlerhafte Zusatzbegründung des FG nötigt nicht, sein Urteil aufzuheben, denn die übrige Begründung reicht aus, seine Entscheidung zu rechtfertigen.

Der Kläger macht noch geltend, sein Anhänger habe "im Straßenverkehr mit äußerster Vorsicht bewegt werden" müssen und habe "allenfalls mit einer Geschwindigkeit von 25 km/h fahren" können. Daraus folgert er, daß der Anhänger durch ein Geschwindigkeitsschild ("25 km") hätte gekennzeichnet werden müssen. Ein solches Schild habe er nicht angebracht gehabt. Das bedeute zwar, daß er gegen Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung verstoßen und eine Ordnungswidrigkeit begangen habe. Das dürfe aber nicht dazu führen, daß der Anhänger als zulassungspflichtig behandelt werde mit der Folge, daß sein Halten nicht steuerfrei sei.

Diese Erwägungen des Klägers beruhen auf einem Rechtsirrtum. Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. a letzter Satz StVZO knüpft nicht an eine bestehende Pflicht zur Anbringung eines Geschwindigkeitsschildes an und schafft keine solche. Vielmehr eröffnet diese Vorschrift nur die Möglichkeit, durch Anbringen eines Geschwindigkeitsschildes der in § 58 StVZO bezeichneten Art die Zulassungsbedürftigkeit des Anhängers abzuwenden. Fehlt das Schild "25 km", so verletzen Halter und Führer keine Pflicht zum Führen des Schildes nach § 58 StVZO; sie verlieren vielmehr die Befreiung von der Zulassungsbedürftigkeit des Anhängers. Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. a letzter Satz StVZO verweist nicht auf die Voraussetzungen, unter denen ein Geschwindigkeitsschild vorhanden sein muß, sondern nur auf die Art und Weise der Kennzeichnung durch das Geschwindigkeitsschild (vgl. Lütkes/Meyer/Wagner, Straßenverkehr, Bd. 5 § 18 StVZO Anm. 20).