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BFH-Urteil vom 21.10.1981 (I R 83/78) BStBl. 1982 II S. 225

Ein Säumniszuschlag ist nicht schon deshalb wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, weil ein bei Steuerfälligkeit vorhandener Gegenanspruch nach Ablauf der Schonfrist aufrechenbar wird und der Steuerpflichtige damit aufrechnet.

AO §§ 124, 131 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1; StSäumG § 1 Abs. 1 Satz 1; StSäumVO § 1 Abs. 1; FGO §§ 101 Satz 2, 102.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte am 10. Dezember 1975 eine Einkommensteuervorauszahlung in Höhe von ... DM zu leisten. Er überreichte am 16. Dezember 1975 dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) einen Scheck über ... DM, sowie die Umsatzsteuervoranmeldung für Oktober 1975, in der er einen Vorsteuerüberschuß in Höhe von ... DM erklärt hatte. Gleichzeitig verlangte er, den Überschuß der Vorsteuerbeträge und den Scheckbetrag mit der geschuldeten Einkommensteuervorauszahlung in Höhe von ... DM, der Kirchensteuervorauszahlung in Höhe von ... DM und mit dem Betrag der gleichzeitig angemeldeten Lohn- und Lohnkirchensteuer für November 1975 in Höhe von ... DM zu verrechnen.

Wegen der verspäteten Zahlung setzte das FA einen Säumniszuschlag in Höhe von ... DM mit der Begründung fest, der Kläger habe die am 10. Dezember 1975 fällige Einkommensteuervorauszahlung erst am 16. Dezember 1975 entrichtet. Gegen die Festsetzung des Säumniszuschlages erhob der Kläger Beschwerde; ein Angestellter habe den Buchungsauftrag und die Steueranmeldungen schon am 15. Dezember 1975 abends und damit vor Ablauf der Schonfrist des § 1 Abs. 1 der Verordnung zum Steuersäumnisgesetz (StSäumVO) in den Briefkasten des FA eingeworfen. Dies rechtfertige den Erlaß des Säumniszuschlages.

Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde zurück. Der Kläger habe die Einkommensteuervorauszahlung nach Ablauf des gesetzlichen Fälligkeitstages, des 10. Dezember 1975, und nach Ablauf der fünftägigen Schonfrist entrichtet. Billigkeitsgründe rechtfertigten den Erlaß des Säumniszuschlags nicht. Die verspätete Entrichtung der Vorauszahlung beruhe weder auf einem offenbaren Versehen eines bisher pünktlichen Steuerzahlers noch liege ein Entschuldigungsgrund vor. Es handle sich nicht um eine einmalige verspätete Zahlung.

Mit der Klage behauptete der Kläger, das FA habe auf den von ihm eingereichten Unterlagen einen unrichtigen Eingangsstempel mit dem 16. Dezember 1975 angebracht. Er habe alle Unterlagen am 15. Dezember 1975 mit der Aufrechnungserklärung eingereicht, so daß ihm im Billigkeitswege der Säumniszuschlag erlassen werden müsse.

Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA, den Säumniszuschlag zum Teil aus Billigkeitsgründen zu erstatten und wies im übrigen die Klage ab.

Mit der zugelassenen Revision beantragt das FA; die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als es verpflichtet worden sei, einen Teil des Säumniszuschlages zu erstatten. Das angefochtene Urteil beruhe insoweit auf der Verletzung von Bundesrecht, als das FG sein eigenes Ermessen an die Stelle des behördlichen Ermessens nach § 131 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) gesetzt habe.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die Ansicht des FG, daß die Voraussetzungen für die Festsetzung des umstrittenen Säumniszuschlages vorgelegen hätten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Den Ausführungen der Vorinstanz ist insoweit nichts hinzuzufügen.

Gleichwohl muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Das FG hat das FA zu Unrecht verpflichtet, einen Teil des festgesetzten Säumniszuschlages aus Billigkeitsgründen zu erstatten. Zu einer entsprechenden Verpflichtung ist das FG nur befugt, wenn nur eine Ermessensentscheidung der Behörde möglich ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. September 1968 IV R 53/68, BFHE 94, 110, BStBl II 1969, 77 mit Nachweisen; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 101 Rdnr. 7 Abs. 2 mit § 102 Rdnr. 8 Anm. B). Das FG hat nicht begründet, daß dies der Fall sei.

Die Tatsache, daß nach Ablauf der Schonfrist des § 1 Abs. 1 StSäumVO für die am 10. Dezember 1975 fällig gewordene Einkommensteuervorauszahlung IV/1975 ein Umsatzsteuererstattungsanspruch aufrechenbar geworden ist, rechtfertigt es allein nicht, den wegen verspäteter Erfüllung der Einkommensteuervorauszahlung nach der Vorschrift des Gesetzes verwirkten Säumniszuschlag aus Billigkeitsgründen zu erlassen oder zu erstatten. Der Steuerpflichtige kann die Erstattung des Vorsteuerabzuges - ebenso wie die Behörde die Zahlung der Einkommensteuervorauszahlungen - erst im Zeitpunkt der Fälligkeit fordern. Das Steuersäumnisgesetz hat den Zweck, den Steuerpflichtigen durch Druck- oder Zwangsmittel dazu anzuhalten, Steuern rechtzeitig zu entrichten (BFH-Beschluß vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BFHE 122, 258, 261, BStBl II 1977, 645). Die Säumniszuschläge dienen der Verwirklichung des auf dem Steuerbescheid beruhenden Leistungsgebots, durch das angeordnet wird, die Steuer bis zum Fälligkeitstage zu bezahlen. Mit diesem Zweck wäre es nicht zu vereinbaren, auf einen wegen verspäteter Erfüllung der Einkommensteuervorauszahlungsschuld verwirkten Säumniszuschlag aus Billigkeitsgründen deshalb zu verzichten, weil dem Steuerpflichtigen am Fälligkeitstag der Einkommensteuervorauszahlung ein noch nicht fälliger Erstattungsanspruch zustand.

Das FG hat auch nicht ausreichend dargelegt, inwiefern die Verwaltungsbehörden die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben sollen (§ 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Wäre dies der Fall, so wäre der Senat möglicherweise in der Lage, den Ausspruch über die Verpflichtung des FA aufzuheben und durch Bescheidungsurteil (§ 101 Satz 2 FGO) zu erkennen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Die Vorinstanz hat in ihre Betrachtung nur die Darlegungen der OFD in der Beschwerdeentscheidung einbezogen "die sich auf die Aufrechenbarkeit von Steueranspruch und Gegenanspruch beschränken und die Verwirkung des Säumniszuschlags zutreffend begründen ...", und war der Meinung, diese Darlegungen trügen "nicht die Schlußfolgerung auf Seite 6 oben des Beschwerdebescheids, daß auch ihre Einziehung nicht unbillig sei".

Die OFD hat ihre Ansicht jedoch nicht nur auf diese Ausführungen gestützt...

Zu diesen - vom Kläger zum Teil bestrittenen - Gesichtspunkten hat sich das FG nicht geäußert. Durch die Aufhebung und Zurückverweisung erlangt die Vorinstanz Gelegenheit, dies nachzuholen und zu prüfen, ob und welche Bedeutung der von ihr festgestellten Tatsache im vorliegenden Zusammenhang zukommt, daß der Kläger stets Wert darauf gelegt hat, Steuerschulden nach Ablauf der Fälligkeit unter Vermeidung von Säumniszuschlägen durch Zahlung innerhalb der Fünf-Tage-Frist zu tilgen.