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BFH-Beschluß vom 27.1.1982 (II B 38/81) BStBl. 1982 II S. 326

1. Eine Rechtsfrage hat dann keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie mangels Zulässigkeit der Klage im Revisionsverfahren nicht geklärt werden kann.

2. Hat das FG über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 FGO entschieden, so besteht für eine anschließende Anfechtungsklage gegen den die Aussetzung der Vollziehung ablehnenden Verwaltungsakt des FA (in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung der OFD) kein Rechtsschutzbedürfnis.

FGO §§ 40, 69 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, 5; VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Kläger kauften durch notariell beurkundeten Vertrag vom 9. Dezember 1972 je zur ideellen Hälfte eine Eigentumswohnung. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) sah zunächst durch innerdienstliche Verfügung von der Festsetzung einer Grunderwerbsteuer ab. Mit Steuerbescheiden vom 19. Oktober 1979 setzte das FA gegen die Kläger Grunderwerbsteuer fest. Der steuerbegünstigte Zweck sei nicht erfüllt, weil die Eigentumswohnung weder von den Klägern noch von ihren Angehörigen innerhalb der Fünfjahresfrist bezogen worden sei.

Die Kläger legten Einspruch ein mit der Begründung, ihre Heranziehung zur Grunderwerbsteuer sei verfassungswidrig. Über den Einspruch ist, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden.

Der Antrag der Kläger auf Aussetzung der Vollziehung wurde am 20. November 1979 vom FA zurückgewiesen. Hiergegen legten die Kläger Beschwerde ein. Vor Entscheidung über die Beschwerde seitens der Oberfinanzdirektion (OFD) beantragten die Kläger beim Finanzgericht (FG) die Aussetzung der Vollziehung der strittigen Steuer. Dieser Antrag ist vom FG mit Beschluß vom 18. April 1980 VIII 875/80 GrE abgelehnt worden.

Am 10. September 1980 wies die OFD die Beschwerde der Kläger gegen die die Vollziehungsaussetzung ablehnende Verfügung des FA vom 20. November 1979 zurück.

Mit ihrer Klage verfolgten die Kläger ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung weiter.

Das FG hielt die Klage für zulässig, wies sie jedoch als unbegründet ab.

Mit ihrer Beschwerde beantragen die Kläger, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob das Grunderwerbsteuerrecht noch verfassungsmäßig sei.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.

Die Zulassung der Revision scheitert daran, daß die von den Klägern als grundsätzlich aufgeworfene Frage der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Grunderwerbsteuerrechts im vorliegenden Fall im Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte. Vorrangig wäre vielmehr die Frage der Zulässigkeit der Klage zu prüfen. Diese Prüfung würde zu dem Ergebnis führen, daß die Klage auf Aussetzung der Vollziehung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist. Unter diesen Umständen kann eine Klärung der von den Klägern aufgeworfenen und von ihnen für grundsätzlich gehaltenen Frage nicht erreicht werden (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Beschlüsse vom 23. Juni 1967 VI B 16/67, BFHE 89, 117, BStBl III 1967, 531, und vom 28. April 1972 III B 40/71, BFHE 105, 335, BStBl II 1972, 575; ferner Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, Tz. 74 S. 32; Prütting, Die Zulassung der Revision, S. 127 ff.).

Das fehlende Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich daraus, daß die Kläger gegen den die Vollziehungsaussetzung ablehnenden Verwaltungsakt (in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung der OFD) zu einer Zeit Klage erhoben haben, als das FG einen gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bereits abgelehnt hatte.

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs hat zwar dahin entschieden, daß dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zustehe, ob er die Frage der Vollziehungsaussetzung im Klageverfahren oder im Beschlußverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO klären lassen wolle (vgl. den Beschluß vom 4. Dezember 1967 GrS 4/67, BFHE 90, 461, BStBl II 1968, 199). Er hat aber zugleich die Auffassung vertreten, daß sich der Steuerpflichtige für eines der beiden Verfahren entscheiden müsse. Solange eines der beiden Verfahren schwebe, könne ein weiteres Verfahren so lange nicht eingeleitet werden, als jenes Verfahren nicht durch Rücknahme des Antrags oder der Klage beendet werde. Hieraus folgt nach Auffassung des erkennenden Senates, daß beide Verfahren grundsätzlich auch nicht nacheinander durchgeführt werden können.

Die Ausführungen des Großen Senats deuten allerdings darauf hin, daß er die beiden Verfahren nacheinander dann für zulässig hält, wenn zunächst im Klageverfahren ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist und sich der Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde lag, geändert hat. Diese Auffassung läßt sich möglicherweise damit rechtfertigen, daß ein anschließendes Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO bei verändertem Sachverhalt deshalb sachgerecht sein könnte, weil nur bei Vorliegen eng begrenzter Voraussetzungen ein durch Urteil rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren wieder aufgenommen werden kann.

Für den umgekehrten Fall des Nacheinander eines Beschlußverfahrens nach § 69 Abs. 3 FGO und eines Klageverfahrens, über den sich der Große Senat nicht geäußert hat, muß etwas anderes gelten. Da ein Beschluß gemäß § 69 Abs. 3 FGO nach dem letzten Satz dieses Absatzes jederzeit geändert und aufgehoben werden kann und jeder Beteiligte gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände die Änderung oder Aufhebung des Beschlusses beantragen kann, besteht kein Bedürfnis, nach einem abgeschlossenen Beschlußverfahren noch ein Klageverfahren zuzulassen. Hat jemand das Beschlußverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gewählt, so stehen ihm auch nach Abschluß dieses Verfahrens ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung, um zu einer Korrektur des unanfechtbaren Beschlusses des FG zu gelangen. Das Klageverfahren ist deshalb unzulässig.