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BFH-Urteil vom 10.2.1982 (II R 3/80) BStBl. 1982 II S. 351

Eine Darlehensforderung kann wegen überdurchschnittlicher Verzinsung nur dann gemäß § 12 Abs. 1 BewG 1965 höher bewertet werden, wenn der Gläubiger längere Zeit (mindestens vier Jahre) mit den erhöhten Zinsen rechnen kann. Maßgebend ist dabei, welche Laufzeit des Darlehens am Bewertungsstichtag zu erwarten ist, nicht aber, welche formellen Kündigungsmöglichkeiten der Schuldner nach § 247 Abs. 1 BGB hat.

BewG 1965 § 12 Abs. 1; BGB § 247 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

1. Am 18. März 1970 schloß der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) mit der X-KG (KG) einen schriftlichen "Darlehensvertrag" (Vertrag I). In § 1 dieses Vertrages heißt es, der Kläger habe "mit Wirkung ab 1. Januar 1970 von seinem Vater ... im Schenkungswege einen Betrag in Höhe von DM 30.000 aus dessen Kapitalkonto (bei der KG) mit der Maßgabe erhalten, diesen Betrag der Schuldnerin als Darlehen zu belassen. Die Schenkung (sei) durch Umbuchung vom Kapitalkonto des ... (Vaters) erfolgt". Das Darlehen sollte nach § 2 des Vertrages mit 12 % jährlich verzinst werden und gemäß § 3 des Vertrages auf 10 Jahre unkündbar sein. Nach Ablauf dieser Zeit konnte jeder Vertragspartner zum 30. Juni oder 31. Dezember mit halbjährlicher Frist kündigen.

2. Am 4. Januar 1971 wurde der Vertrag I durch einen schriftlichen "Nachtrag" ergänzt (Vertrag II). Darin heißt es u.a. "der Gläubiger (habe) mit Wirkung ab 1. Januar 1971 von seinem Vater im Schenkungswege weitere DM 30.000 unter den gleichen Voraussetzungen wie in § 1 des Vertrages vom 18. März 1970 erhalten". Gemäß § 2 des Vertrages II sollte der Zinssatz für das gesamte Darlehen ab 1. Januar 1971 15 % betragen. Die zehnjährige Kündigungsfrist sollte nach § 3 für die Darlehenserhöhung ab 1. Januar 1971 laufen.

3. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) besteuerte die "Einräumung (je) einer verzinslichen Darlehensforderung" in Höhe von 30.000 DM als Schenkung des Vaters an den Kläger. Die Forderungen bewertete das FA gemäß § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG 1965) mit insgesamt 91.130 DM, weil der 12 %ige und später 15 %ige Jahreszins seines Erachtens überhöht war. Es hielt 8 % Zinsen für angemessen (vgl. Abschn. 56 Abs. 6 der Vermögensteuer-Richtlinien für die Vermögensteuer-Hauptveranlagung 1972 - VStR 1972 -).

Mit seinem Einspruch begehrte der Kläger vergeblich, die Forderungen bei der Berechnung der Steuer mit dem Nennwert anzusetzen.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) Nürnberg durch Urteil vom 4. Oktober 1979 VI 20/77 die Steuer herab. Sie sei nach dem Nennwert der Forderungen zu berechnen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Zuwendung der Darlehensforderungen an den Kläger durch dessen Vater unterliegt der Schenkungsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959).

1. Nach Auffassung des FG sind die Darlehensforderungen mit ihrem Nennbetrag von insgesamt 60.000 DM zu bewerten. Ein höherer Wertansatz gemäß § 12 Abs. 1 BewG 1965 sei nur dann möglich, wenn nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag damit zu rechnen gewesen sei, daß dem Kläger über einen längeren Zeitraum überdurchschnittliche Zinserträge zustehen würden. Diese Sicherheit habe der Kläger aber schon deshalb nicht gehabt, weil die KG gemäß § 247 Abs. 1 BGB die Darlehen trotz der fest vereinbarten Laufzeit von 10 Jahren habe kündigen können.

Diesen Überlegungen des FG schließt sich der Senat nur im Ausgangspunkt an, wonach die höhere Bewertung voraussetzt, daß der Forderungsinhaber am Bewertungsstichtag für längere Zeit mit einem höheren Zinsgenuß rechnen kann. Kurzfristige Abweichungen vom Normalzins haben keinen Einfluß, wobei Zeiträume von weniger als vier Jahren in diesem Sinne kurzfristig sind (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Mai 1971 III R 7/69, BFHE 102, 407, BStBl II 1971, 642).

Im vorliegenden Fall waren die Darlehen zunächst für 10 Jahre unkündbar; dieser Zeitraum reichte über die vorgenannte Vierjahresfrist hinaus. Unerheblich ist entgegen der Ansicht des FG, daß die KG nach § 247 Abs. 1 BGB die Darlehen vorzeitig hätte kündigen können. Maßgebend für die Bewertung einer Darlehensforderung nach § 12 Abs. 1 BewG 1965 ist nicht, welche formellen Kündigungsmöglichkeiten der Schuldner nach § 247 Abs. 1 BGB hat, sondern welche Laufzeit des Darlehens nach den Umständen des Falles zu erwarten ist (vgl. dazu auch das BFH-Urteil vom 22. Februar 1974 III R 5/73, BFHE 111, 534, BStBl II 1974, 330). Andernfalls wäre - worauf das FA zu Recht hinweist - die höhere Bewertung einer hochverzinslichen Darlehensforderung überhaupt nicht möglich, was dem Wortlaut und dem Sinn des § 12 Abs. 1 BewG 1965 widerspricht.

Der bisher festgestellte Sachverhalt erlaubt keine Entscheidung darüber, ob nach den Verhältnissen der Bewertungsstichtage mit einer baldigen Kündigung der Darlehen durch die KG gemäß § 247 Abs. 1 BGB zu rechnen war. Die Tatsache allein, daß Schenker und Beschenkter miteinander verwandt waren, ist nicht ausschlaggebend (BFH-Urteil vom 10. März 1970 II 83/62, BFHE 99, 133, BStBl II 1970, 562). Allerdings konnten betriebliche Gründe gegen die baldige Kündigung sprechen.

Sollte mit einer vorzeitigen Kündigung nicht zu rechnen gewesen sein, so muß geprüft werden, ob nach den Verhältnissen an den Bewertungsstichtagen die Verzinsung von 12 bzw. 15 % eine angemessene oder überhöhte Gegenleistung für die Überlassung des Kapitals war. Dabei sind einmal die allgemeinen Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt zu berücksichtigen, d.h. es ist auch zu prüfen, ob für eine Anlage dieser Art damals 12 bzw. 15 % Zinsen gezahlt wurden. Außerdem sind die Risiken zu berücksichtigen, welche im konkreten Fall durch die Verzinsung abgegolten werden mußten (z.B. schlechte finanzielle Lage der Schuldnerin). Erst die Kenntnis dieser Umstände läßt eine Entscheidung zu, welcher Wert den Darlehensforderungen gemäß § 12 Abs. 1 BewG 1965 zuzumessen ist.

2. Die Entscheidung des FG läßt sich auch nicht mit dem vom Kläger vorgetragenen Argument rechtfertigen, "der Schenkungsvorgang und die Darlehensgewährung (seien) zwei gesonderte und selbständige Rechtsgeschäfte".

Eine einheitliche Schenkung kann auch in zwei Akten vollzogen werden (BFHE 99, 133 unter 2. Abs. 2 der Gründe), und der zugewendete Gegenstand muß sich nicht in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben. Es genügt, daß dieser Gegenstand im Wege der sog. mittelbaren Schenkung von einem Dritten mit den finanziellen Mitteln des Schenkers beschafft wird (vgl. die BFH-Urteile vom 7. April 1976 II R 87-89/70, BFHE 119, 300, BStBl II 1976, 632, und vom 12. Dezember 1979 II R 157/78, BFHE 129, 507, BStBl II 1980, 260). Nach dem Urteil des FG "sind sich die Verfahrensbeteiligten darüber (einig), daß die am 1. Januar 1970 vorgenommene, unentgeltliche Übertragung der Forderung in Höhe von 30.000 DM eine Schenkung im Sinne der §§ 516 ff. BGB darstellt. Dasselbe gilt für die Übertragung von weiteren 30.000 DM, die lt. Nachtragsvereinbarung vom 4. Januar 1971 mit Wirkung ab 1. Januar 1971 erfolgt ist". Weiter heißt es in dem angefochtenen Urteil, "zutreffend gehen die Verfahrensbeteiligten weiter davon aus, daß die beiden übertragenen Forderungen (Kapitalforderungen) für Zwecke der Schenkungsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Bewertungsgesetz zu bewerten sind. ... § 12 Abs. 1 Bewertungsgesetz besagt, daß Kapitalforderungen und Schulden mit dem Nennwert anzusetzen sind, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder einen geringeren Wert begründen". Daraus ergibt sich, daß das FG die Tatsache feststellen wollte und festgestellt hat, der Wille des Klägers und seines Vaters sei auf die Schenkung der Darlehensforderungen gegen die KG gerichtet gewesen, und zwar in der Gestalt, in welcher diese Forderungen durch die Verträge I und II geschaffen wurden (sog. mittelbare Schenkung, vgl. BFHE 129, 507, BStBl II 1980, 260).