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BFH-Urteil vom 27.1.1982 (I R 5/78) BStBl. 1982 II S. 374

1. Einkünfte einer Schweizer Kapitalgesellschaft aus ihrer (typischen) stillen Beteiligung an dem Handelsgewerbe einer inländischen Kommanditgesellschaft rechnen zu den Dividenden im Sinn des Art. 10 Abs. 1, 2 und 6 DBA-Schweiz 1971. Der inländische Schuldner dieser Einkünfte hat die darauf entfallende Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen.

2. Eine bestehende stille Gesellschaft wird nicht durch eine Vereinbarung beendet, daß der Geschäftsinhaber künftig ohne Zustimmung des stillen Gesellschafters neue Gesellschafter aufnehmen sowie Form und Gegenstand seines Unternehmens ändern darf.

EStG 1971 § 20 Abs. 1 Nr. 2, § 43 Abs. 1 Nr. 2, § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 bis 5, § 49 Abs. 1 Nr. 5, § 50 Abs. 4; DBA-Schweiz 1971 Art. 3 Abs. 1 Buchst. e, Art. 10 Abs. 1, 2, 6, Art. 28 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine KG -, hatte 1964 mit der in der Schweiz ansässigen A-GmbH einen Vertrag geschlossen, aufgrund dessen die A-GmbH gegen eine zunächst 50 %ige, später 25 %ige Beteiligung am Gewinn und Verlust der Klägerin einen rückzahlbaren Betrag von sfr zur Verfügung stellte.

In dem Vertrag ist im einzelnen ausgeführt, daß sich die A-GmbH mit ihrer Einlage als stille Gesellschafterin an der Klägerin beteiligt, die stille Beteiligung sich auf den Geschäftsbereich der Klägerin, wie er sich aus deren Gesellschaftsvertrag ergibt, erstreckt, der A-GmbH gewisse Überwachungsrechte (Einblick in die Jahresbilanz, Bucheinsicht) zustehen, der Vertrag deutschem Recht, insbesondere den gesetzlichen Bestimmungen über die stille Gesellschaft, unterliegt und für Meinungsverschiedenheiten ein Schiedsgericht zuständig ist. Bei Auflösung der stillen Gesellschaft sollte sich die Einlage in ein unverzinsliches Darlehen verwandeln, welches in 20 gleichen halbjährlichen Raten zu tilgen war. Die Führung der Geschäfte war in § 3 des Vertrags wie folgt geregelt: Sie obliegt der Klägerin; der Zustimmung der A-GmbH bedürfen Änderungen der Rechtsform und des Gesellschaftsgegenstands der Klägerin sowie die Aufnahme neuer Gesellschafter (ausgenommen die Nachfolge von Todes wegen).

Die Klägerin buchte Mitte Mai 1964 geleistete Einlagen der A-GmbH auf Einlagekonto I. Auf einem Einlagekonto II wurden die stehengebliebenen Gewinnanteile der A-GmbH erfaßt.

In der Gewerbesteuererklärung 1972 wies die Klägerin die Gewinnanteile der A-GmbH, die dieser als stiller Gesellschafterin für das abgelaufene Geschäftsjahr gebührten, mit DM aus. Von diesem Betrag hat die Klägerin keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt. Aus diesem Grunde forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) mit dem gegen die Klägerin gerichteten Haftungsbescheid Kapitalertragsteuer nebst Ergänzungsabgabe an.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Die stille Beteiligung der A-GmbH sei inzwischen in ein partiarisches Darlehen umgewandelt worden. Das ergebe sich aus dem Bestätigungsschreiben der Klägerin vom 6. Dezember 1971, wonach der die Geschäftsführung der stillen Gesellschaft betreffende § 3 des Vertrags wie folgt geändert worden sei:

Die Führung der Geschäfte obliege der Klägerin.

Die Entscheidung, in welcher Art und in welchem Umfang der gesamte Geschäftsbereich bzw. Teilgeschäftsbereiche der Klägerin fortgeführt werden, liege allein bei der Klägerin und bedürfe nicht der Zustimmung der A-GmbH. Ansprüche der A-GmbH auf unveränderte Fortführung des Handelsgeschäfts der Klägerin seien ausgeschlossen.

Insbesondere bedürften folgende Geschäftsführungsmaßnahmen nicht der Zustimmung der A-GmbH:

a) Veränderungen der Unternehmensform,

b) Aufnahme neuer Gesellschafter,

c) Veränderungen des Gesellschaftsgegenstandes.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die von der Klägerin erhobene Klage, mit der sie begehrt hatte, den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben, mit der in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1978, 10 und 188 teilweise veröffentlichten Entscheidung ab.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts. Nach Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (DBA-Schweiz 1971) stehe der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) das Besteuerungsrecht zu, wenn eine inländische "Gesellschaft" Dividenden ausschütte. Die Klägerin sei als Kommanditgesellschaft organisiert und daher "keine Gesellschaft" im Sinne des Abkommens. Hierzu rechneten nach der Definition des Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Schweiz 1971 nur juristische Personen, nicht aber Personenhandelsgesellschaften. Wenn dem Begriff "Gesellschaft" auch Personengesellschaften zugeordnet würden, widerspreche das dem Wortlaut des Abkommens und den Absichten der Vertragstaaten. Die Definition der Gesellschaft in Art. 3 des Abkommens sei gerade im Hinblick auf den Art. 10 DBA-Schweiz 1971 über die Behandlung der Dividenden abgefaßt worden. Zwar würden nach Art. 10 Abs. 6 DBA-Schweiz 1971 auch Einnahmen aus stillen Beteiligungen vom Dividendenbegriff umfaßt. Die ausschüttende Gesellschaft müsse aber eine juristische Person sein. Das Abkommen sei insoweit eindeutig. Art. 10 DBA-Schweiz 1971 finde daher im Streitfall keine Anwendung. Die Besteuerung der Einkünfte der A-GmbH aus ihrer inländischen Beteiligung sei vielmehr gemäß Art. 21 DBA-Schweiz 1971 der Schweiz zugewiesen. Eine Quellenbesteuerung stehe der Bundesrepublik auch nicht aus Art. 28 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 zu. Dort seien wiederum, nur die Dividenden, weiterhin Zinsen und Lizenzgebühren genannt. Hierzu rechneten aber nicht die Einkünfte aus stillen Beteiligungen an Personengesellschaften und die Gewinne aus partiarischen Darlehen.

Durch die Vereinbarung vom 6. Dezember 1971 sei das Vertragsverhältnis mit der A-GmbH derart geändert worden, daß es von da ab nicht mehr als stille Gesellschaft einzustufen sei. Es sei ein wesentliches Merkmal für eine stille Gesellschaft entfallen, daß nämlich der Geschäftsinhaber (Klägerin) wesentliche Grundlagen und die Rechtsform seines Geschäfts ohne Zustimmung des stillen Gesellschafters nicht ändern dürfe. In dem geänderten § 3 des Vertrags sei eindeutig eine Verpflichtung der Klägerin zur unveränderten Fortführung des Handelsgeschäfts ausgeschlossen worden. Habe somit keine stille Gesellschaft mehr bestanden, sei eine Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer entfallen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und den Haftungsbescheid des FA aufzuheben.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er führt aus, nach Art. 10 Abs. 6 DBA-Schweiz 1971 umfasse der Begriff "Dividende" auch die Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter im Sinne des deutschen Rechts und aus partiarischen Darlehen. Nach Abs. 2 dieses Artikels werde die Besteuerung dieser Einnahmen der Bundesrepublik zugewiesen. Eine unterschiedliche Zuweisung des Besteuerungsrechts bei stillen Gesellschaftsverhältnissen, bei denen der Inhaber des Handelsgeschäfts eine juristische Person, eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person sei, sowie bei entsprechenden partiarischen Darlehen lasse sich weder aus dem Abkommenstext noch aus der Entstehungsgeschichte des Abkommens oder aus dem Willen der Vertragstaaten entnehmen. Während der Geltungsdauer des vorangegangenen DBA-Schweiz hätten zwischen der deutschen und der schweizerischen Steuerverwaltung unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Einnahmen aus stillen Beteiligungen und partiarischen Darlehen bestanden. Durch das neue Abkommen sei jetzt Klarheit geschaffen worden. Wie sich aus der amtlichen Denkschrift zu Art. 10 des Abkommens ergebe, sei die deutsche Seite mit ihrer Auffassung durchgedrungen. Der BMF habe sich mit der eidgenössischen Steuerverwaltung wegen der Anwendung des Abkommens auf den Streitfall in Verbindung gesetzt. Die eidgenössische Steuerverwaltung habe mitgeteilt, daß sie hinsichtlich der Besteuerung von Erträgen aus typischen stillen Beteiligungen im Sinne des deutschen Rechts (und Erträgen aus partiarischen Darlehen) grundsätzlich die Auffassung des BMF teile und demgemäß diese Erträge für die Anwendung des Abkommens wie Dividenden zu behandeln seien, ungeachtet dessen, daß sie nicht von einer "Gesellschaft" im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Schweiz 1971 stammten. Damit bestehe zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Einvernehmen über die vorgenannte Qualifizierungsfrage.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Klägerin ist zu Recht als Haftungsschuldnerin für die nicht einbehaltene und nicht abgeführte Kapitalertragsteuer und Ergänzungsabgabe für den an die A-GmbH ausgeschütteten Betrag für das in 1972 endende Wirtschaftsjahr in Anspruch genommen worden.

1. Die A-GmbH ist nach § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1968) mit ihren Bezügen aus dem Inland beschränkt steuerpflichtig, soweit diese unter eine der in § 49 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1971) näher bezeichneten Einkunftsarten einzuordnen sind. Die Erträge der A-GmbH aus ihrer Einlage bei der Klägerin, die entweder als typische stille Beteiligung oder als partiarisches Darlehen zu qualifizieren ist, rechnen nach der hier gebotenen isolierenden Betrachtungsweise (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Januar 1976 I R 234/73, BFHE 118, 553, BStBl II 1976, 513) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinn des § 20 Abs. 1 EStG 1971. Von den dort aufgeführten Einkünften aus Kapitalvermögen unterliegt nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1971 jedoch nur eine bestimmte Auswahl der beschränkten Steuerpflicht. Es sind die Ausschüttungen aus Kapitalgesellschaften und diesen gleichzuachtenden Rechtsträgern (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1971), die Einkünfte aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1971) und näher bezeichnete Zinsen aus Kapitalforderungen, wenn diese durch inländischen Grundbesitz gesichert oder in ein inländisches Schuldbuch eingetragen sind, oder wenn es sich um Erträgnisse aus näher bezeichneten (sog. kuponsteuerpflichtigen) Forderungen und Anleihen handelt (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 und 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und b EStG 1971). Erträge aus partiarischen Darlehen sind nach dem EStG 1971 unter "Zinsen aus sonstigen Forderungen jeder Art" (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1971) einzuordnen; ausländische Gläubiger partiarischer Darlehen sind nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1971 mit daraus fließenden Einnahmen nur beschränkt steuerpflichtig, wenn ihre Darlehensforderung zugleich eine der in Nr. 5 Buchst. a und b dieser Vorschrift geforderten zusätzlichen Merkmale (z. B. Sicherung der Forderung an inländischem Grundbesitz) aufweist. Erst durch das Körperschaftsteuerreformgesetz (KStRG) vom 31. August 1976 (BGBl I, 2597, BStBl I 1976, 445; Art. 2 Nr. 13) ist dieser Rechtszustand insofern geändert worden, als nunmehr auch Erträge aus partiarischen Darlehen, sofern der ausländische Darlehensgeber nicht als Mitunternehmer anzusehen ist, der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1977). Die neuen Vorschriften sind bei der Erhebung der Kapitalertragsteuer erstmals auf Einnahmen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1976 zufließen (§ 52 Abs. 1 Satz 3 EStG 1977). Ihre Anwendung scheidet daher im Streitfall aus. Es kommt somit darauf an, ob die Einkünfte der A-GmbH als - nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegende - Erträge aus einem im Inland nicht besonders abgesicherten partiarischen Darlehen (so die Klägerin) oder als - beschränkt steuerpflichtige - Erträge aus einer typischen stillen Beteiligung (so das FA) anzusehen sind.

Der erkennende Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß die A-GmbH noch während des Geschäftsjahres 1972 an der Klägerin als stille Gesellschafterin beteiligt war. Es ist unter den Beteiligten nicht streitig, daß durch den im Jahre 1964 von der Klägerin mit der A-GmbH geschlossene Vertrag ein (typisches) stilles Gesellschaftsverhältnis im Sinn des § 335 des Handelsgesetzbuchs (HGB) begründet worden ist. Die Klägerin hat sich damals mit der A-GmbH zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks zusammengeschlossen; die Schweizer Gesellschaft hat eine Vermögenseinlage geleistet, die in das Vermögen der Geschäftsinhaberin (Klägerin) übergegangen ist; sie war ferner am Gewinn, aber auch am Verlust - bis zur Höhe ihrer Einlage - beteiligt; im Falle der Auflösung der stillen Gesellschaft hatte die A-GmbH keinen Anspruch auf die Auskehrung stiller Reserven. Durch die von der Klägerin behauptete Vereinbarung vom 6. Dezember 1971 - ihr rechtswirksames Zustandekommen unterstellt - ist das Gesellschaftsverhältnis nicht aufgelöst und die Einlage nicht in ein partiarisches Darlehen umgewandelt worden. Durch diese Vereinbarung ist nur eine Einzelbestimmung des Vertrags über die stille Gesellschaft, nämlich die Bestimmung über die Geschäftsführung (§ 3), geändert worden. Die Geschäftsführung sollte nach wie vor bei der Geschäftsinhaberin (Klägerin) verbleiben. Entfallen sollte für die Zukunft die Zustimmung der stillen Gesellschafterin dazu, in welcher Art und in welchem Umfang der Geschäftsbereich der Klägerin fortgeführt wird; keiner Zustimmung sollten ferner die Änderung der Unternehmensform, die Aufnahme neuer Gesellschafter und die Änderung des Gesellschaftsgegenstandes bedürfen. Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der A-GmbH hat sich dadurch in seinem Wesen nicht derart verändert, daß das Fortbestehen eines stillen Gesellschaftsverhältnisses in Frage gestellt ist. Die Vertragspartner bleiben weiterhin zur Verfolgung des vorausgesetzten gemeinsamen Zwecks, wie er in § 2 des Gesellschaftsvertrags über den Gegenstand der stillen Gesellschaft näher umrissen ist, zusammengeschlossen. Nur die Entscheidung, in welcher Art und in welchem Umfang, in welcher Rechtsform und ggf. mit welchen neu aufzunehmenden Gesellschaftern das Unternehmen fortzuführen ist, bleibt künftig der Klägerin als Geschäftsinhaberin überlassen. Damit unterscheidet sich der Streitfall - wie auch das FG zutreffend ausgeführt hat - wesentlich von dem der Entscheidung des Senats vom 10. März 1971 I R 73/67 (BFHE 102, 242, BStBl II 1971, 589) zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort war bei Eingehung des Vertragsverhältnisses vereinbart worden, daß es allein der Entscheidung des Geschäftsinhabers unterliegt, "ob und in welchem Umfang" dieser das Geschäft fortführen wolle. Da es dem Geschäftsinhaber freigestellt war, ob er in dem vertraglich vorgesehenen Geschäftsbereich überhaupt tätig bleiben wolle, hat der Senat die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks und damit das Zustandekommen eines stillen Gesellschaftsverhältnisses verneint. In der späteren Entscheidung vom 16. August 1978 I R 28/76 (BFHE 126, 51, BStBl II 1979, 51) hat der Senat seine damalige Auffassung dahin klargestellt, der Annahme einer stillen Gesellschaft stehe nicht notwendig entgegen, daß die Vertragschließenden die Pflicht des Unternehmers zur unveränderten Fortführung des Betriebs im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen haben. Im Streitfall bleibt die Klägerin im Rahmen des Vertrags über die stille Gesellschaft weiterhin verpflichtet, das Geschäft wie auch immer fortzuführen. Mit der Änderung der vertraglichen Beziehungen über die Geschäftsführung hat sich die A-GmbH einverstanden erklärt, daß die Klägerin die Struktur ihres Unternehmens in dem abgesteckten Rahmen des neuen § 3 des Gesellschaftsvertrags auch ohne Zustimmung der stillen Gesellschafterin ändern kann. Sie hat damit für die Zukunft ihre Zustimmung zu derartigen Strukturänderungen erteilt. Schon daraus ergibt sich, ohne daß es der zusätzlichen Erwähnung in dem neuen § 3 bedurft hätte, die Rechtsfolge, daß Ansprüche der stillen Gesellschafterin auf unveränderte Fortführung des Geschäfts ausgeschlossen sind. Aufgrund der neuformulierten Bestimmungen über die Geschäftsführung war die Klägerin als die Geschäftsinhaberin in die Lage versetzt, ihre geschäftliche Tätigkeit den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen, ohne bei den einzelnen Maßnahmen erst prüfen zu müssen, ob diese der Zustimmung der stillen Gesellschafterin deshalb unterliegen, weil sie möglicherweise die Grundlagen des Geschäftsbetriebs wesentlich verändern (vgl. hierzu Koenigs, Die stille Gesellschaft, S. 143).

War somit die A-GmbH mit den streitigen Einkünften, die als solche aus der Beteiligung an einer stillen Gesellschaft zu qualifizieren sind, beschränkt steuerpflichtig, hätte die Klägerin als die Schuldnerin der Kapitalerträge Kapitalertragsteuer und Ergänzungsabgabe einbehalten und abführen müssen (§ 43 Abs. 1 Nr. 2, § 44 Abs. 1, 3 und 4 EStG 1971, § 3 Nr. 3, § 4 Abs. 1, § 6 des Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer - ErgAbgG -). Der Steuerabzug ist in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen (§ 44 Abs. 3 Satz 2 EStG 1971), das war im Streitfall der Tag der Gutschrift.

2. Der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer und der Ergänzungsabgabe steht das DBA-Schweiz 1971 nicht entgegen. Werden in einem der beiden Vertragstaaten die Steuern von Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren im Abzugswege (an der Quelle) erhoben, so wird das Recht zur Vornahme des Steuerabzugs durch das Abkommen nicht berührt (Art. 28 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971). Was unter Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren zu verstehen ist, ist an anderen Stellen des Abkommens erläutert (für Dividenden in Art. 10 Abs. 6, für Zinsen in Art. 11 Abs. 2, für Lizenzgebühren in Art. 12 Abs. 2 des Abkommens). Daß Art. 28 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 auf diese Definitionen zurückgreift, ergibt sich aus dem Zusammenhang der Abkommensvorschriften. Sonst könnte der Steuerabzug an der Quelle nicht durchgeführt werden. Einnahmen aus der Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter sind in Art. 28 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 zwar nicht ausdrücklich erwähnt; sie fallen aber unter die in Art. 10 Abs. 6 des Abkommens enthaltene Bestimmung des Begriffs der Dividende. Danach umfaßt der Ausdruck "Dividenden" nicht nur Einnahmen aus Anteilen an Kapitalgesellschaften, sondern weiterhin die Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter im Sinne des deutschen Rechts, aus Gewinnobligationen und aus partiarischen Darlehen.

Die Klägerin meint unter Hinweis auf Ansichten im Schrifttum (insbesondere Horst Vogel, Betriebs-Berater - BB - 1978, 1021), bei den unter den Dividendenbegriff fallenden Gewinnanteilen eines stillen Gesellschafters im Sinne des Art. 10 Abs. 6 DBA-Schweiz 1971 könne es sich jeweils nur um Einnahmen aus stillen Beteiligungen an einer deutschen Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person, nicht dagegen um Bezüge aus einer stillen Beteiligung an einer deutschen Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG) oder an dem Handelsgewerbe eines deutschen Einzelkaufmanns handeln. Diese Auffassung wird hergeleitet aus Art. 10 Abs. 1 und 2 DBA-Schweiz 1971, in denen nach dem Abkommen die Besteuerung für Dividenden geregelt ist, "die eine in einem Vertragstaat ansässige Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragstaat ansässige Person zahlt"; demzufolge sei für den Begriff der Gesellschaft die Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Schweiz 1971 maßgebend, wonach der Ausdruck "Gesellschaft" im Sinne des Abkommens juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, bedeute. Diese Auffassung übersieht, daß die in dem Katalog des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis i DBA-Schweiz 1971 gebrauchten Definitionen verschiedener vom Abkommen verwendeter Ausdrücke oder Begriffe nach dem Einleitungssatz nur dann uneingeschränkt eingreifen, "wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert". Der Zusammenhang erfordert aber bei Anwendung des Art. 10 des Abkommens eine andere Auslegung des Ausdrucks "Gesellschaft". In Art. 10 Abs. 6 DBA-Schweiz 1971 sind ersichtlich die Einnahmen aus typischen stillen Gesellschaften des deutschen Rechts, Gewinnobligationen und partiarischen Darlehen ohne Rücksicht auf die Rechtsform des Schuldners der Erträge den Einnahmen aus Beteiligungen an juristischen Personen (Aktien, GmbH-Anteilen, Kuxen usw.) gleichgestellt. Eine Einschränkung in der Weise, daß der Schuldner dieser Erträge eine juristische Person oder ein für Zwecke der Besteuerung gleichzuachtender Rechtsträger sein müsse, läßt sich aus der Fassung des Art. 10 Abs. 6 DBA-Schweiz 1971 nicht entnehmen und würde zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen. Es ist nicht einzusehen, weshalb Erträge aus stillen Beteiligungen, Gewinnobligationen oder partiarischen Darlehen unterschiedlich behandelt werden sollen, je nachdem, welche Rechtsform der Schuldner dieser Erträge jeweils besitzt (vgl. Debatin, Der Betrieb - DB - 1972, 2033; Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, Kommentar zu Art. 3 DBA-Schweiz 1971, Abschn. 3 d, S. 420, 421; zu Art. 10 DBA-Schweiz 1971, Abschn. 2 c - cc -, S. 542).

Der Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften des Abkommens führt ebenfalls zu einer Gleichbehandlung ohne Rücksicht auf die Rechtsform des Schuldners. Nach Art. 11 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 fallen die in Art. 10 Abs. 6 des Abkommens genannten Erträge aus stillen Beteiligungen, Gewinnobligationen und partiarischen Darlehen nicht unter den für Zwecke des Abkommens definierten Begriff der Zinsen. Für die Vermögensbesteuerung schreibt Art. 22 Abs. 4 des Abkommens vor, daß Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschaft im Sinn des deutschen Rechts, Gewinnobligationen und partiarische Darlehen in dem Vertragstaat besteuert werden können, in dem der Schuldner ansässig ist. Auf die Rechtspersönlichkeit des Schuldners (bei der stillen Beteiligung des Geschäftsinhabers, in dessen Vermögen die stille Einlage eingebracht worden ist) wird in Art. 22 Abs. 4 des Abkommens nicht eingegangen. Zwischen der Besteuerung des Vermögensgegenstandes selbst - der stillen Beteiligung oder der mit Gewinnbeteiligung ausgestatteten Forderung - und den Erträgen aus diesem Vermögensgegenstand besteht aber ein innerer Zusammenhang. Beide Besteuerungen müssen parallel verlaufen.

Die Auffassung, daß nach dem DBA-Schweiz 1971 das Besteuerungsrecht und das Recht zum Steuerabzug dem Staat zusteht, in dem der Schuldner der Erträge einer typischen stillen Beteiligung ansässig ist, wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Während der Geltungsdauer des DBA-Schweiz 1931/59 waren die Meinungen der deutschen und der eidgenössischen Steuerverwaltung über die Behandlung der Erträge aus typischen stillen Beteiligungen im Sinne des deutschen Rechts kontrovers. Nach deutscher Auffassung war die stille Beteiligung eines schweizerischen Unternehmens an einem deutschen Unternehmen als eine Beteiligung "an einem gesellschaftlichen Unternehmen" im Sinn des Art. 3 Abs. 4 DBA-Schweiz 1931/59 anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1969 I R 205/67, BFHE 95, 171, BStBl II 1969, 325). Die Besteuerung der Erträge aus typischen stillen Beteiligungen war daher nach deutscher Auffassung dem Betriebstättenstaat zugewiesen. Nach Schweizer Auffassung lag in Fällen der typischen stillen Beteiligung im Sinne des deutschen Rechts ein Darlehensverhältnis vor, dessen Erträge nach den Bestimmungen des Art. 6 DBA-Schweiz 1931/59 zu behandeln waren (Locher, Das schweizerisch-deutsche Doppelbesteuerungsabkommen, B § 6, IV B Nrn. 3 und 4). In den Revisionsverhandlungen über das neue deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen ist dem deutschen Standpunkt Rechnung getragen worden, daß Erträge aus typischen stillen Beteiligungen, Gewinnobligationen und partiarischen Darlehen im Quellenstaat besteuert werden können. Aus der Einordnung der Erträge aus stillen Beteiligungen, Gewinnobligationen und partiarischen Darlehen unter die Dividenden hat keiner der vertragschließenden Staaten die Auffassung hergeleitet, der Schuldner dieser Erträge müsse eine juristische Person sein. Das ergibt sich sowohl aus der Denkschrift der Bundesregierung zum Abkommen (Bundestags-Drucksache 3233 unter B zu Art. 10) als auch aus der Botschaft des schweizerischen Bundesrats an die Bundesversammlung vom 20. Oktober 1971 (BU 1971 II 1423, abgedruckt bei Locher, a. a. O., A VI 6 a, hier insbesondere zu Art. 10 unter 4 b).

Der Senat kommt somit zu dem gleichen Ergebnis, zu dem nach Mitteilung des BMF die Finanzverwaltungen der beiden Staaten im Wege eines Verständigungsverfahrens nach Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971 zu der streitigen Qualifikationsfrage gelangt sind. Es stellt sich daher nicht die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der Inhalt der Verständigungsvereinbarung sich mit den hier maßgeblichen Bestimmungen des Abkommens noch vereinbaren läßt.

3. Die Klägerin hat im Streitfall entgegen ihrer sich aus § 44 Abs. 3 EStG 1971 ergebenden Abzugsverpflichtung auf die Gewinnausschüttung an die A-GmbH keine Kapitalertragsteuer und keine Ergänzungsabgabe abgeführt. Das FA durfte somit gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG 1971 i. V. m. § 12 Abs. 1 der Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung einen Haftungsbescheid gegen die Klägerin über die ausstehende Kapitalertragsteuer und Ergänzungsabgabe erlassen. Ein Ermessensverstoß ist nicht zu erkennen. Die A-GmbH wird im Inland zur Körperschaftsteuer nicht veranlagt; die Steuer gilt durch den Abzug vom Kapitalertrag als abgegolten (§ 50 Abs. 4 EStG 1971), so daß der Fall nicht gegeben ist, daß dem endgültigen Verfahren der Veranlagung des Gläubigers zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer der Vorrang vor dem nur vorläufigen Verfahren des Steuerabzugs vom Kapitalertrag gebührt (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1961 I 40/60 S, BFHE 74, 281, BStBl III 1962, 107; vom 4. Mai 1965 I 60/63, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 44, Rechtsspruch 13; vom 3. Juli 1968 I 191/65, BFHE 93, 373, BStBl II 1969, 4). Der Senat stimmt auch der Auffassung des FG zu, daß das FA nicht erst hätte versuchen müssen, bei der im Ausland ansässigen A-GmbH die Steuer anzufordern. Es konnte sich in einem solchen Fall unmittelbar an den zur Einbehaltung und Abführung verpflichteten inländischen Schuldner der Kapitalerträge halten.