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BFH-Beschluß vom 17.3.1982 (VII B 113/81) BStBl. 1982 II S. 413

1. Die dem FG durch § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO eingeräumte Befugnis zur Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO wird durch Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG nicht berührt.

2. Die Regelungen über die bedingte Steuerschuld in der MinöStDV hatten bereits in § 15 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 MinöStG a. F. eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage.

FGO § 69 Abs. 3 Sätze 1 und 5; VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 2; MinöStG i.d.F. vom 21. Dezember 1970 §§ 8, 15 Abs. 2 Nrn. 1 und 4; MinöStDV i.d.F. vom 16. Dezember 1974 § 36 Abs. 5.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Beschwerdegegnerin) war ein Mineralölsteuerlager bewilligt worden. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt - HZA -) setzte gegen sie mit Steuerbescheid vom 9. Dezember 1977 Mineralölsteuer fest mit der Begründung, die Beschwerdegegnerin habe steuerbegünstigtes Heizöl an K ausgeliefert. K habe in dem fraglichen Zeitraum (1. Januar bis 20. März 1976) im Gegensatz zur Zeit davor und danach keinen gültigen Erlaubnisschein gehabt. Die Mineralölsteuerschuld habe deshalb nicht auf K übergehen können. Auf andere Zwischenhändler habe die bedingte Mineralölsteuerschuld nicht übergehen können, weil sie an dem Mineralöl keinen Besitz erlangt hätten. Die bedingte Mineralölsteuerschuld sei deshalb in der Person der Beschwerdegegnerin unbedingt geworden, weil sie das Heizöl an einen nicht zum Bezug Berechtigten ausgeliefert habe (§§ 36 Abs. 5 Satz 2, 23 Abs. 3 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes - MinöStDV - i. d. F. der Fünfzehnten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes vom 16. Dezember 1974 - 15. ÄndVO -, BGBl I, 3521).

Mit Schriftsatz vom 24. September 1980 hatte die Beschwerdegegnerin beantragt, die Vollziehung des Steuerbescheides auszusetzen. Das Finanzgericht (FG) hatte den Antrag durch Beschluß vom 13. November 1980 IV 473/80 A abgelehnt.

Auf den an das FG gerichteten Antrag der Beschwerdegegnerin hob dieses durch Beschluß vom 6. April 1981 IV 9/81 A den Bescheid des HZA vom 11. September 1980 (eine Verfügung, mit der das HZA einen Antrag der Beschwerdegegnerin auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte) sowie seinen Beschluß vom 13. November 1980 auf und setzte die Vollziehung des Steuerbescheids aus.

Das FG ließ gegen seinen Beschluß die Beschwerde zu.

Das HZA legte mit folgender Begründung Beschwerde ein:

Das FG habe seinen früheren Beschluß, mit dem die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt worden sei, auf Antrag der Beschwerdegegnerin aufgehoben. Der Antrag sei unzulässig, da er nicht den Voraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG entspreche.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

1. Soweit das FG den Bescheid des HZA vom 11. September 1980 aufgehoben hat, ist die Beschwerde schon deshalb begründet, weil sich aus § 69 Abs. 3 FGO nur die Befugnis des Gerichts zur Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts, nicht aber die Befugnis zur Entscheidung über einen Verwaltungsakt ergibt, durch den die Behörde über die Aussetzung der Vollziehung entschieden hat.

2. Für die Entscheidung über die Beschwerde ist es ohne Bedeutung, ob der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Aufhebung des Beschlusses vom 13. November 1980 nach Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG - als unzulässig - hätte abgelehnt werden können. Nach dieser Vorschrift kann ein Beteiligter die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses nach § 69 Abs. 3 FGO beantragen, wenn sich die für eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung maßgebenden Umstände gegenüber der Sach- und Rechtslage, die für die getroffene Entscheidung nach § 69 Abs. 3 FGO maßgebend waren, verändert haben oder wenn maßgebende Umstände für diese Entscheidung ohne Verschulden des Beteiligten nicht geltend gemacht worden sind. Auch wenn diese Voraussetzungen im Streitfall - wie das HZA meint - nicht vorliegen, wird dadurch die Befugnis zur Änderung oder Aufhebung des Beschlusses des FG vom 13. November 1980 nach § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO nicht berührt (herrschende Meinung; vgl. Haarmann in Der Betrieb - DB - 1978, 953, 954, und in Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1978, 203; Lohse in Deutsches Steuerrecht - DStR - 1978, 429, 430; Meyer/Ladewig in Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1978, 857). Ziel der Regelung in Art. 3 § 7 VGFGEntlG ist zwar die Entlastung der FG in Angelegenheiten wegen Aussetzung der Vollziehung, wobei die Regelung in Abs. 2 aus der Erkenntnis in Art. 3 § 7 VGFGEntlG eingefügt worden ist, daß die Zahl der Anträge auf Änderung von Entscheidungen der FG über die Aussetzung der Vollziehung aufgrund von § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO ständig zugenommen hatte, nachdem die Beschwerdemöglichkeit durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) eingeschränkt worden war (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines VGFGEntlG, Bundestags-Drucksache 8/842 S. 37, und Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, Bundestags-Drucksache 8/1530 S. 13). Der Gesetzgeber hat dazu in Art. 3 § 7 VGFGEntlG aber Regelungen getroffen, nach denen die Zulässigkeit eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung und auch auf Änderung der Entscheidung über einen solchen Antrag von bestimmten - zusätzlichen - Voraussetzungen abhängig ist. Aus der Bestimmung besonderer Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Antrags auf Änderung einer Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung kann aber nicht entnommen werden, daß dadurch die Befugnis der Gerichte zur Änderung derartiger Entscheidungen nach § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO von Amts wegen - d. h. unabhängig von einem Antrag - beseitigt werden sollte.

Aufgrund dieser Rechtslage ist der erkennende Senat im Streitfall an einer sachlichen Prüfung auch nicht dadurch gehindert, daß das FG die Voraussetzungen der Regelung in Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG möglicherweise fälschlich für gegeben erachtet und sich für verpflichtet gehalten hat, seine frühere Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung zugunsten der Beschwerdegegnerin zu ändern. Der erkennende Senat ist nicht verpflichtet, sich auf die Prüfung zu beschränken, ob das FG Art. 3 § 7 Abs. 2 VGFGEntlG richtig angewandt hat. Ihm steht vielmehr aufgrund der Beschwerde die durch diese Vorschrift nicht eingeschränkte Befugnis nach § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO zu, nach seinem Ermessen zu entscheiden, ob der Beschluß des FG vom 13. November 1980 aufzuheben oder zu ändern ist. Als Beschwerdegericht hat der Bundesfinanzhof (BFH) bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung des FG eigenes Ermessen auszuüben (Beschluß des erkennenden Senats vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475).

3. Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, daß die nunmehr bekannten Umstände die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO rechtfertigen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids sind nicht begründet.

Der Steuerbescheid ist damit begründet worden, daß die Steuerschuld durch Abgabe des Mineralöls an einen nicht zum Bezug Berechtigten unbedingt geworden sei. Gewichtige Gründe, die dagegen sprechen, daß die Mineralölsteuer nach § 36 Abs. 5 Satz 2 MinöStDV in der Person des Steuerlagerinhabers unbedingt geworden ist, weil das mit der bedingten Steuerschuld belastete Mineralöl aus dem Steuerlager an einen nicht zum Bezug dieses Mineralöls Berechtigten abgegeben wurde, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin hat der Senat keine Zweifel, daß die Regelungen in der MinöStDV über die bedingte Steuerschuld, von denen für den Streitfall § 36 Abs. 5 maßgebend ist, auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhen. Die Ermächtigung ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 MinöStG i. d. F. des Gesetzes vom 21. Dezember 1970 (BGBl I 1769).

a) Diese Ermächtigungsgrundlage entspricht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG). Nach der Auslegung dieser Vorschrift durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) genügt es, wenn Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigungsvorschrift nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus ihrem Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften des Gesetzes und aus dem von der gesetzlichen Regelung insgesamt verfolgten Ziel ermittelt werden können (vgl. Beschlüsse vom 14. Mai 1969 1 BvR 615/67 und 303/68, BVerfGE 26, 16, 27, und vom 30. Mai 1973 2 BvL 37/71, BVerfGE 35, 179, 183). Das ist hier der Fall.

§ 15 Abs. 2 Nr. 1 MinöStG lautete:

"Der Bundesminister der Finanzen ist ermächtigt, zur Durchführung des Gesetzes durch Rechtsverordnung Bestimmungen zu ... §§ 8, 8a, 10, 11 und 12, insbesondere über das anzuwendende Verfahren, zu erlassen."

In Nr. 4 des § 15 Abs. 2 MinöStG wird der BMF ermächtigt, "das Nähere über Steuerlager zu bestimmen ...".

§ 15 Abs. 2 Nr. 1 MinöStG ermächtigt nicht nur zum Erlaß von Verfahrensvorschriften, wie aus dem Wort "insbesondere" ersichtlich ist. Andererseits erstreckt sich die Ermächtigung nur auf die Durchführung des bereits grundsätzlich im ermächtigenden Gesetz Vorgeschriebenen.

§ 8 MinöStG behandelt in dem hier in Frage stehenden Abs. 2 Nr. 1 die steuerbegünstigte Verwendung von Mineralöl zum Verheizen und ordnet an, daß die Verwendung nur unter Steueraufsicht erfolgen darf, und in Abs. 5 Satz 1 ist bestimmt, daß derjenige, der Mineralöl steuerbegünstigt verwenden will, der Erlaubnis bedarf. Nach § 8 Abs. 4 StAnpG geht die "bedingte" Steuerschuld auf jeden folgenden Erwerber über, wenn Erzeugnisse oder Waren, für die unter einer Bedingung eine Steuervergünstigung gewährt worden ist, "ordnungsmäßig" weitergegeben werden. § 9 MinöStG bestimmt hinsichtlich Steuerlagern, daß auf Antrag die unversteuerte Lagerung von Mineralöl zuzulassen ist, wenn es (u. a.) der Versorgung von steuerbegünstigten Verwendern dient.

Aus diesen gesetzlichen Vorschriften ergibt sich, daß Inhalt und Zweck der Ermächtigung den Erlaß solcher Rechtsvorschriften bilden, die durch Bereitstellung eines entsprechenden Verfahrens sicherstellen, daß die Verwendung des Heizöls nur zu dem steuerbegünstigten Zweck erfolgt, und zwar auch, wenn sie zunächst in einem Steuerlager unversteuert gelagert werden. Damit ist auch das Ausmaß der Ermächtigung hinreichend bestimmt.

b) Die Regelungen in § 36 Abs. 5 MinöStDV sind Durchführungsbestimmungen im vorgenannten Sinne und halten sich im Rahmen der Ermächtigung des § 15 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 MinöStG. Sie gehen davon aus, daß für das Mineralöl im Steuerlager eine bedingte Steuerschuld besteht. Dagegen bestehen rechtlich keine Bedenken (vgl. BVerfG-Beschluß vom 8. Mai 1974 2 BvR 636/72, BVerfGE 37, 201). Diese Folge ist im MinöStG bereits begründet, wenn auch der Begriff "bedingte Steuerschuld" dort nicht ausdrücklich verwendet ist. Wird nur für die Verwendung zu bestimmten Zwecken eine Steuervergünstigung gewährt, so steht in den Fällen der Steuervergünstigung für Heizöl vor der Verwendung noch nicht fest, in welcher Höhe die Steuerschuld endgültig entstehen wird; während des Schwebezustandes kann notwendigerweise - da es abwegig erscheint, daß endgültig auf die Steuererhebung verzichtet worden ist (vgl. auch § 4 Abs. 2 StAnpG) - nur eine (im Zweifel auflösend - § 4 Abs. 1 StAnpG -) bedingte Steuerschuld vorliegen, die nur bei "ordnungsmäßiger" Weitergabe auf den jeweils folgenden Erwerber übergeht (§ 8 Abs. 4 StAnpG). Mit dieser Ordnungsmäßigkeit des Übergangs befaßt sich § 36 Abs. 5 MinöStDV. Wenn dort u. a. bestimmt ist, daß in den Fällen, in denen Mineralöl aus dem Steuerlager zur steuerbegünstigten Verwendung an einen Verwender oder Verteiler abgegeben wird, die bedingte Steuerschuld auf den Empfänger übergeht, wenn er oder sein Besitzer das Mineralöl in Besitz nimmt, und daß die Steuerschuld unbedingt wird, wenn das Mineralöl an nicht zum Bezug unversteuerten Mineralöls Berechtigte abgegeben wird, so stellt das eine dem Sinn und Zweck des MinöStG i. V. m. dem StAnpG gerecht werdende und seiner Durchführung dienende Regelung dar, die sich im Rahmen der Ermächtigung hält. Durch diese Regelungen wird erreicht, daß einerseits das Mineralöl unversteuert bleibt, solange es noch nicht dem nach § 8 MinöStG begünstigten Zweck zugeführt ist, und daß andererseits die Versteuerung des Mineralöls nach dem Gesetz herbeigeführt wird, wenn das Mineralöl einem Verwender übergeben wird, der in den Fällen der Verwendung nach § 8 Abs. 2 MinöStG die nach § 8 Abs. 5 MinöStG erforderliche Erlaubnis nicht besitzt.