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BFH-Urteil vom 2.4.1982 (VI R 48/80) BStBl. 1982 II S. 498

Bei im Bahnpostbegleitdienst eingesetzten Postbeamten muß die Anwendung der in den LStR für den Verpflegungsmehraufwand bei Dienstreisen vorgesehenen Pauschbeträge nicht deshalb zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen, weil diese Bediensteten in regelmäßiger Wiederkehr dieselben Zielorte anfahren.

Die Feststellung und Gewichtung der für die Höhe des Verpflegungsmehraufwandes maßgebenden Umstände ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. Die Kürzung der zu erstattenden Tagessätze durch den Dienstherrn schließt die Anwendung der Pauschbeträge der LStR nicht aus.

EStG 1975 § 9 Abs. 1 Satz 1; LStR 1975 Abschn. 25 Abs. 6.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), Postbeamte, waren im Streitjahr 1976 im Bahnpostbegleitdienst eingesetzt. Sie unternahmen im jeweiligen Bahnpostwagen Hin- und Rückfahrten nach verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland und des Auslands. Hierbei mußten sie an den Zielorten meist übernachten und einen Teil der Unterbringungskosten selbst tragen (Bettengebühren). Sie wohnten in M, wo sich auch ihre Dienststelle, das Bahnpostamt M, befand.

Im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1976 machten die Kläger unter Berufung auf die nach den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1975 für den Verpflegungsmehraufwand bei Dienstreisen vorgesehenen Pauschbeträge und unter Anrechnung des vom Arbeitgeber steuerfrei gezahlten Fahrgeldes Verpflegungsmehrkosten, Bettengebühren sowie Nebenkosten (Straßenbahn) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte einen entsprechenden Abzug ab.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 rügt und zur Begründung im wesentlichen ausführt: Die Grundsätze die der Bundesfinanzhof (BFH) zur Annahme einer unzutreffenden Besteuerung entwickelt habe, seien vom FG nicht beachtet worden; dies gelte insbesondere für die Ausführungen des BFH zum gleichliegenden Fall des Schlafwagenschaffners. Auch hier würden die Reisen Besonderheiten aufweisen, die es den Klägern gestattet hätten, den etwaigen Verpflegungsmehraufwand verhältnismäßig niedrig zu halten. Neben der regelmäßigen und daher einkalkulierbaren Wiederkehr der gleichen Verhältnisse sei zu berücksichtigen, daß die Kläger während der gesamten Fahrtdauer den Bahnpostwagen nicht hätten verlassen dürfen und deshalb mitgebrachte Brote und warme Getränke aus Thermosflaschen hätten zu sich nehmen müssen.

Auch der Dienstherr der Kläger gehe offenbar von verminderten Aufwendungen aus, da er die Tagessätze nach § 17 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) gekürzt habe.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind (Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368), soweit sie nicht oder nur unwesentlich durch die allgemeine Lebensführung mitveranlaßt sind.

Ausgaben für die Verpflegung gehören grundsätzlich zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nichtabziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind aber Verpflegungsmehraufwendungen insoweit als Werbungskosten anzuerkennen, als sie ganz überwiegend oder ausschließlich beruflich, insbesondere durch eine Dienstreise oder eine doppelte Haushaltsführung, veranlaßt sind (vgl. zuletzt Urteil vom 14. August 1981 VI R 115/78, BFHE 134, 139, BStBl II 1982, 24).

Das Vorliegen von Dienstreisen hat das FG bejaht. Es ist davon ausgegangen, daß die Kläger im Bahnpostamt M ihre regelmäßige Arbeitsstätte hatten, weil sie dort vor Antritt einer jeden Reise 3-4 Stunden Dienst verrichteten und damit einen nicht nur unbedeutenden Teil ihrer geschuldeten Leistung erbringen mußten. Der Senat ist an diese Feststellung, die mit den Grundsätzen des Urteils vom 11. Mai 1979 VI R 129/77 (BFHE 127, 546, BStBl II 1979, 474) vereinbar ist, gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Ohne Rechtsverstoß hat das FG im Streitfall die in Abschn. 25 Abs. 6 LStR vorgesehenen Pauschsätze für Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen angewendet.

Nach der Rechtsprechung des BFH dienen die in den LStR aufgeführten Pauschbeträge der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie werden deshalb auch von den Gerichten beachtet, soweit sie nicht im Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 1976 VI R 228/74, BFHE 119, 561, BStBl II 1976, 795 mit weiteren Nachweisen). Ihre Nichtanwendung muß auf Ausnahmen beschränkt bleiben (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 180/71, BFHE 104, 241, BStBl II 1972, 257). Die Annahme eines derartigen Ausnahmefalles hat das FG rechtsfehlerfrei, insbesondere ohne Verstoß gegen Sätze der allgemeinen Lebenserfahrung, abgelehnt. Diese tatsächliche Würdigung ist auch für das Revisionsverfahren maßgebend (§ 118 Abs. 2 FGO). Das FG hat bei seiner Entscheidung berücksichtigt, daß besondere Ortskenntnisse und das Vertrautsein mit den jeweils günstigsten Eßgelegenheiten in Einzelfällen eine Minderung der Verpflegungskosten bewirken können (vgl. die Ausführungen im Urteil in BFHE 127, 546, BStBl II 1979, 474 sowie in der Entscheidung vom 29. November 1974 VI R 154/73, BFHE 114, 425). Das FG konnte im Streitfall aber in Anbetracht der Gesamtumstände der Fahrten zu dem Ergebnis kommen, daß sich aus der besonderen Ortskenntnis der Kläger nicht die Annahme herleiten läßt, die Anwendung der vorbezeichneten Pauschbeträge würde zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen. Die Kläger konnten wegen ihrer ungünstigen An- und Abfahrtszeiten in ihren Zielorten (Großstädte) meistens nicht auf Kantinen oder Imbißmöglichkeiten günstiger Preislage zurückgreifen. Daß sie sich in größerem Umfang durch Zubereitung warmer Mahlzeiten selbst beköstigen konnten, hat das FG verneint. Statt dessen waren sie - wie das FG ausgeführt hat - im wesentlichen auf die Einnahme von warmen Speisen in Gaststätten bei der Ankunft am jeweiligen Zielort angewiesen. Da sie dort meist auch übernachten mußten, waren sie gezwungen, sämtliche Mahlzeiten außerhalb ihres Wohnortes zu sich zu nehmen.

Auch wenn sich die Kläger während der Fahrt von mitgebrachten Lebensmitteln verpflegt haben sollten, steht dies einer Berücksichtigung der vorbezeichneten Pauschbeträge nicht entgegen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 16. Dezember 1981 VI R 227/80 (BFHE 135, 57, BStBl II 1982, 302) in der Selbstbeköstigung bei Binnenschiffern keinen Umstand gesehen, bei dessen Vorliegen der Ansatz des Pauschbetrages von 13 DM nach den entsprechenden Anweisungen für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung (Abschn. 27 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b LStR) zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen würde. Von diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall auszugehen. Insbesondere muß der Zukauf von für die Verpflegung auf Dienstreisen geeigneten Nahrungsmitteln nicht zwangsläufig dazu führen, daß die Anwendung der Pauschbeträge ein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis zur Folge hat. Der vorliegende Sachverhalt kann auch nicht mit dem des BFH-Urteils vom 11. August 1972 VI R 128/70 (BFHE 107, 21, BStBl II 1972, 915) verglichen werden. Denn nach den Feststellungen der Vorinstanz hatten die Kläger nicht die in jenem Fall des Schlafwagenschaffners gegebenen Verpflegungsmöglichkeiten, wie etwa eine - wenn auch nur beschränkte - Kochgelegenheit im Dienstabteil. Im übrigen hatten die Kläger im Gegensatz zum Schlafwagenschaffner ihre regelmäßige Arbeitsstätte nicht im jeweiligen Zug.

Das FA hat die vorerwähnten Umstände, daß die Kläger sämtliche Mahlzeiten außerhalb ihres Wohnsitzes einnehmen mußten, auch nicht konkret in Abrede gestellt. Es hat vielmehr im wesentlichen die Meinung vertreten, das FG hätte der einkalkulierbaren Wiederkehr der gleichen Gegebenheiten stärkere Bedeutung beilegen müssen. Die Gewichtung der einzelnen Faktoren, welche die Höhe der Verpflegungsmehraufwendungen beeinflussen können, ist jedoch die Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz; an ihr Ergebnis ist die Revisionsinstanz gebunden, soweit es - wie hier - rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze bzw. Sätze der allgemeinen Lebenserfahrung verstößt.

Der Einwand des FA, die Anwendung der Pauschbeträge würde schon deshalb zu einer unzutreffenden Besteuerung führen, weil der Dienstherr der Kläger die Tagessätze nach § 17 BRKG gekürzt habe, führt zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn die Kürzung - typisierend - wegen des häufigen Aufenthalts an denselben Orten, also in Erwartung eines entsprechend verminderten Aufwands erfolgt wäre, könnte diese Handhabung des Dienstherrn für die steuerrechtliche Beurteilung nicht maßgebend sein. Diese hat vielmehr an die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles und - in der Revisionsinstanz - an deren Feststellung und Würdigung durch das FG anzuknüpfen, das hier eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung verneint hat.

Daß das Ausmaß der Erstattung von beruflich veranlaßten Mehraufwendungen nach Maßgabe des öffentlichen Reisekostenrechts die Berücksichtigung höherer Ausgaben bzw. den Ansatz des Unterschieds zwischen den erstatteten Beträgen und den Pauschbeträgen der LStR nicht hindert, entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl. Urteil des Senats in BFHE 104, 241, BStBl II 1972, 257). In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG zutreffend auch die nicht ersetzten Bettengebühren und Aufwendungen für Straßenbahnfahrten als Werbungskosten zum Abzug zugelassen.