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BFH-Urteil vom 22.4.1982 (III R 37/81) BStBl. 1982 II S. 570

Für einen Mercedes-Benz Typ 450 SE kann eine Konjunkturzulage nicht gewährt werden, wenn bis zum 30. Juni 1975 ein Mercedes-Benz Typ 350 SE bestellt war (Bestätigung des BFH-Urteils vom 14. März 1980 III R 78/78, BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476).

InvZulG 1975 § 4b.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bestellte am 3. Juni 1975 einen PKW Mercedes-Benz 350 SE zum Listenpreis von 31.400 DM. Als unverbindlicher Liefertermin war der Mai 1976 vorgesehen. Lackierung und Polsterung sollten noch festgelegt werden.

Im Januar 1976 änderte die Klägerin ihre Bestellung. Sie bestellte nunmehr einen PKW Mercedes-Benz 450 SE zum Listenpreis von 35.270 DM. Außerdem bestellte sie zusätzlich eine Sonderausstattung im Wert von rd. 8.000 DM. Das Fahrzeug wurde ihr am 23. März 1976 geliefert.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte der Klägerin für das gelieferte Fahrzeug mit Sonderausstattung zunächst die Konjunkturzulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (Inv-ZulG 1975) in Höhe von 3.281 DM. Später änderte das FA seinen Bescheid, als es von der Änderung der Bestellung erfuhr. Das FA vertrat die Auffassung, daß das gelieferte Fahrzeug mit dem ursprünglich bestellten nicht mehr art- und funktionsgleich sei, weil der Kaufpreis um mehr als 15 v. H. höher sei (Hinweis auf Tz. 122 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 5. Mai 1977, BStBl I 1977, 246).

Während der Einspruch erfolglos blieb, gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Das FG sah die Änderung der Bestellung als unschädlich an. Das InvZulG begünstige nach seinem Sinn und Zweck "Investitionsentscheidungen". Gemessen an diesem Gesetzeszweck seien spätere unwesentliche Änderungen der Bestellung unschädlich. Tz. 122 des BMF-Schreibens vom 5. Mai 1977, das auf die Art- und Funktionsgleichheit abstelle, sei eine zutreffende Gesetzesauslegung. Der gelieferte PKW Mercedes-Benz 450 SE sei mit dem bestellten PKW Mercedes-Benz 350 SE nach Art und Funktion identisch. Beide Fahrzeuge seien äußerlich vollkommen gleich und unterschieden sich nur in der Motorleistung und der Innenausstattung. Die zusätzlich bestellte Sonderausstattung sei lediglich Zubehör, das bei der Beurteilung außer Betracht bleiben könne. Das FA stelle zu Unrecht auf die Wertgrenze von 15 v. H. ab. Es handle sich dabei nur um eine von der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen aufgestellte Vermutung. Die 15 v. H.-Grenze sei nicht als eine starre Grenze zu verstehen. Ein Überschreiten führe nicht ohne weiteres zu einer Änderung der Art- und Funktionsgleichheit.

Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Nach seiner Auffassung kann bei einer Preisdifferenz von rd. 37 v. H. - unter Einbeziehung der nachträglich bestellten Sonderausstattung - von einer Art- und Funktionsgleichheit der beiden Fahrzeuge nicht mehr gesprochen werden. Im übrigen sieht das FA in der Bestellung vom 3. Juni 1975 lediglich einen "Vorratsvertrag", bei dem die Festlegung auf ein bestimmtes Fahrzeug mit einer individuellen Ausstattung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollte.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß sich durch die Änderung der Bestellung an der Art und Funktion des zuerst bestellten PKW nichts geändert habe. Denn es handle sich weiterhin um einen PKW (Art) und um einen Geschäftswagen (Funktion).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Der Senat hat sich in seinem Urteil vom 14. März 1980 III R 78/78 (BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476) mit der hier streitigen Frage bereits befaßt. In dem dort entschiedenen Fall ging es um die Änderung der Bestellung eines PKW Mercedes-Benz 250 in eine solche eines Mercedes-Benz 280 S. Der Senat hat § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975 dahin ausgelegt, daß zwischen dem bestellten und dem gelieferten Wirtschaftsgut eine Identität bestehen müsse, d. h. das bestellte Wirtschaftsgut müsse später auch geliefert werden. Mit dieser Gesetzesauslegung ist die Auffassung in dem angefochtenen Urteil nicht vereinbar, nach der es genügen soll, daß vom Investor innerhalb des Begünstigungszeitraums eine "Investitionsentscheidung" getroffen wird, und daß das Wirtschaftsgut später in seinen Einzelheiten präzisiert werden kann. Eine solche auf die Anerkennung von sog. Vorratsverträgen hinauslaufende Praxis ist mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht vereinbar.

2. Der Senat hat weiter entschieden, daß der Begriff "Wirtschaftsgut" einen Spielraum für eine wirtschaftliche Beurteilung zuläßt. Er war jedoch der Auffassung, daß Änderungen von Bestellungen nur in engen Grenzen anerkannt werden können. Entscheidend war dafür die Überlegung, daß die Problematik um Zeitpunkt und Bestellung nicht nur - wie hier - am Ende des Begünstigungszeitraums, sondern auch an dessen Anfang besteht, und zwar mit umgekehrtem Vorzeichen. Das heißt, eine am Ende des Begünstigungszeitraums für die Investoren großzügige Gesetzesauslegung schlägt zu Beginn des Begünstigungszeitraums in das Gegenteil um. Das hat den Senat bewogen, auf eine Identität von bestelltem und geliefertem Wirtschaftsgut abzustellen.

Die Finanzverwaltung sieht in ihrem Schreiben vom 5. Mai 1977 (a. a. O.) die Änderung einer Bestellung als unschädlich an, wenn Art und Funktion des bestellten Wirtschaftsguts unverändert geblieben sind. Aus Vereinfachungsgründen sei das Vorliegen der Funktionsgleichheit zu vermuten, wenn sich der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis durch die Änderung der Bestellung um nicht mehr als 15 v. H. erhöht oder vermindert hat. Der Senat sieht in dieser Regelung keine geeignete Möglichkeit, eine schädliche von einer unschädlichen Bestellungsänderung abzugrenzen, weil die Begriffe "Art" und "Funktion" in ihrem Inhalt nicht genügend bestimmt sind. Sie werden von der Finanzverwaltung, wie dem Senat aus einer Reihe von bei ihm anhängigen Verfahren bekannt ist, auch nicht einheitlich ausgelegt.

4. Bei dem mit Urteil in BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476 entschiedenen Fall hatte sich der Investor für eine andere Wagenklasse entschieden. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin innerhalb der gleichen Baureihe (Sonderklasse) geblieben. Der Senat hat erwogen, in der Baureihe einen für eine Abgrenzung geeigneten Gesichtspunkt zu sehen. Er hat diesen Gedanken aber wieder verworfen, weil selbst innerhalb derselben Baureihen das Angebot an Modellen noch sehr breit ist. Es entstünden bei den verschiedenen Fabrikaten und Typen zu viele Unsicherheiten. Für andere Wirtschaftsgüter als PKW, etwa Maschinen, könnte in der Regel auf eine "Baureihe" ohnehin nicht abgestellt werden.

5. Der Senat hat sich schließlich auch aus Gründen der Rechtssicherheit für eine enge Anlehnung an den Gesetzeswortlaut entschieden. Er hat diesem Gesichtspunkt bereits bei der Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes insbesondere vom Baugewerbe im Rahmen der Berlinzulage entscheidendes Gewicht beigemessen, indem er dabei auf das Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts abgestellt hat (vgl. z. B. Urteil vom 25. Juni 1976 III R 165/73, BFHE 119, 334, BStBl II 1976, 612). Eine "großzügige" Gesetzesauslegung bei der Bestellungsänderung wäre für den Investor mit einer zu großen Unsicherheit verbunden, weil sich eine klare Abgrenzung nicht finden läßt. Wegen der Möglichkeit, von dem strikten Grundsatz der Identität zwischen Bestellung und Lieferung Ausnahmen zuzulassen, verweist der Senat auf sein Urteil vom 22. April 1982 III R 113/78, BStBl II 1982, 571.

6. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann die Klägerin für den ihr am 23. März 1976 gelieferten PKW Mercedes-Benz 450 SE eine Konjunkturzulage nicht erhalten. Denn dieser PKW wurde nicht innerhalb des Begünstigungszeitraums bestellt. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage war abzuweisen.