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BFH-Urteil vom 12.5.1982 (II R 14/81) BStBl. 1982 II S. 628

Hat das zuständige Verwaltungsgericht die Anerkennung einer Wohnung als steuerbegünstigt rechtskräftig versagt, so kann im Grunderwerbsteuerverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, die Wohnung sei gleichwohl als steuerbegünstigt anzuerkennen. Die Finanzbehörden und die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit sind vielmehr an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gebunden. (Entschieden für Nordrhein-Westfalen).

GrEStWoBauG Nordrhein-Westfalen i.d.F. vom 20. Juli 1970 § 1 Nrn. 1, 5.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 2. März 1974 ein Grundstück, auf dem der Verkäufer ein Wohnhaus errichtet hatte, das am 28. Juli 1971 bezugsfertig geworden war. Das Haus enthielt eine größere und eine kleinere Wohnung. Letztere war zunächst als Büroraum vorgesehen gewesen.

Während der Bauzeit hatte der Verkäufer ein Maklerbüro mit dem Verkauf des Grundstücks beauftragt. Da ein Verkauf zunächst nicht möglich war, wurde das Grundstück vermietet.

Am 10. Januar 1974 hatte der Verkäufer die Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigt beantragt. Die kleinere Wohnung wurde am 27. Februar 1974 als steuerbegünstigt anerkannt.

Die Klägerin bezog das erworbene Haus am 1. April 1974 mit ihrer Familie.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte wegen des Erwerbs des Grundstücks Grunderwerbsteuer fest. Die Klägerin legte Einspruch ein und beantragte Steuerfreiheit gemäß § 1 Nr. 5 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 20. Juli 1970. Sie habe ein steuerbegünstigtes Familienheim erworben.

Ein von ihr bei der zuständigen Behörde gestellter Antrag auf Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigt wurde von der Gemeinde am 14. Juni 1976 abgelehnt. Das Haus sei kein Kaufeigenheim. Die nach erfolglosem Widerspruch von der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht (VG) erhobene Klage auf Anerkennung der beiden Wohnungen als steuerbegünstigt (die Anerkennung der kleineren Wohnung als steuerbegünstigt hatte die Gemeinde am 19. Januar 1977 gegenüber dem Verkäufer widerrufen) ist vom VG (rechtskräftig) abgewiesen worden. Das VG war der Auffassung, daß die größere Wohnung nur dann als steuerbegünstigt anerkannt werden könne, wenn sie die Hauptwohnung eines Familienheimes sei. Als "andere Wohnung" sei sie zu groß (§§ 82 ff. und 39 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes [II. WoBauG]). Das Haus der Klägerin aber sei in dem maßgebenden Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit weder ein Familienheim noch ein Kaufeigenheim gewesen. Denn der Bauherr habe im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit im Juli 1971 keine "Bestimmung" i. S. der §§ 7 oder 9 des II. WoBauG getroffen. Die künftige Verwendung des Hauses sei zu diesem Zeitpunkt noch völlig offen gewesen.

Das FA lehnte es in seiner Einspruchsentscheidung vom 14. März 1978 ab, die beantragte Steuerfreiheit zu gewähren. Es ermäßigte lediglich die festgesetzte Steuer um einen geringen Betrag.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, den angefochtenen Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Das Haus habe im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit den Charakter eines Kaufeigenheimes gehabt. Diesen Charakter habe es dadurch erhalten, daß der Bauherr während der Bauzeit die Absicht der eigenwohnlichen Nutzung aufgegeben und einen Makler mit der Veräußerung beauftragt habe.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Frage, ob das Haus als steuerbegünstigt anzuerkennen sei, habe das FG selbst zu prüfen (Urteile vom 20. Juli 1978 VIII 1812-1813/78 GrE, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1979, 196, und vom 28. September 1978 VIII-IV 190/76 GrE, EFG 1979, 249). Jedoch hätten die Voraussetzungen für eine Anerkennung nicht vorgelegen. Das Haus sei im Zeitpunkt seiner Bezugsfertigkeit kein Kaufeigenheim gewesen. Dem Makler sei seinerzeit nicht der Auftrag erteilt worden, das Haus nur an einen Käufer mit Eigennutzungsabsicht zu verkaufen.

Mit ihrer Revision hat die Klägerin ihren Klagantrag weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Ihre Revision ist unbegründet.

1. Die Revision scheitert daran, daß das zuständige VG die Verpflichtungsklage auf Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigt rechtskräftig abgewiesen hat. An diese Entscheidung des VG ist der erkennende Senat gebunden. Er hat davon auszugehen, daß die Wohnungen nicht i. S. des § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG als steuerbegünstigt anzuerkennen sind. Der Senat folgt damit nicht (zumindest nicht insoweit) der Auffassung des FG, daß die Frage der Anerkennungsfähigkeit von Wohnungen von den FG selbständig zu prüfen ist.

Der Senat verkennt nicht, daß der Wortlaut des § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG nur besagt, daß die Wohnungen "als steuerbegünstigt anzuerkennen sind". Hieraus ergibt sich jedoch bei einer Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck unter Beachtung des § 2 Abs. 2 GrEStWoBauG und des Art. 3 Abs. 1 der Änderungsnovelle vom 3. Juni 1958 (Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - 221, BStBl II, 103) sowie der Entstehungsgeschichte, daß die Wohnungen tatsächlich als steuerbegünstigt anerkannt werden. Zumindest muß gefordert werden, daß eine Anerkennung noch möglich ist. Die Anerkennung aber ist nach einer rechtskräftigen Ablehnung des Antrags nicht mehr möglich.

Der Wortlaut des § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Ihm läßt sich nicht entnehmen, daß die Finanzverwaltungsbehörden und die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit die Frage der möglichen Anerkennung auch dann sollen prüfen können, wenn eine auf Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigt gerichtete Klage bereits rechtskräftig abgewiesen worden ist. Etwaige Zweifel werden durch Art. 1 Abs. 1 der Änderungsnovelle vom 3. Juni 1958 behoben. Dort wird im Hinblick auf Erwerbsvorgänge vor dem Inkrafttreten der Änderungsnovelle, aber nach dem Inkrafttreten des II. WoBauG festgelegt, daß an die Stelle der Grundsteuervergünstigung die öffentliche Förderung nach § 5 Abs. 1 oder die Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung nach § 5 Abs. 2 des II. WoBauG tritt. In § 5 Abs. 2 des II. WoBauG aber werden steuerbegünstigte Wohnungen dahin umschrieben, daß es sich um Wohnungen handeln muß, die nicht öffentlich gefördert sind und nach den Vorschriften der §§ 82 und 83 des II. WoBauG als steuerbegünstigt anerkannt sind.

Auch in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Änderungsnovelle wird auf die nachträgliche Anerkennung einer Wohnung als steuerbegünstigt abgestellt.

Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, daß es die Absicht des Gesetzes war, den FÄ und den FG unabhängig von einer Entscheidung der Anerkennungsbehörden und der Verwaltungsgerichte die Prüfung der Frage der Anerkennungsfähigkeit zu übertragen und dabei ggf. auch divergierende Entscheidungen in Kauf zu nehmen. Auch aus der Regierungsbegründung läßt sich eine derartige Absicht nicht entnehmen. Dort (Landtags-Drucksache III/643 S. 9) heißt es:

"Nachdem aber das Zweite Wohnungsbaugesetz die Gewährung der Grundsteuervergünstigung von einem gegenüber dem Grundsteuerverfahren verselbständigten Verfahren, nämlich von der öffentlichen Förderung oder von der Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung abhängig gemacht hat, wird nunmehr auch für die Grunderwerbsteuervergünstigung nicht mehr auf die Gewährung der Grundsteuervergünstigung, sondern auf die öffentliche Förderung bzw. auf die Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz abgestellt."

Diese Ausführungen können nur dahin verstanden werden, daß das Ergebnis des Anerkennungsverfahrens für die grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung maßgebend sein soll. Lediglich auf die tatsächliche Gewährung der Grundsteuervergünstigung kommt es nicht mehr an.

Da der Senat die bisher noch nicht völlig eindeutig entschiedene Frage (vgl. das Urteil vom 22. März 1972 II R 121/68, BFHE 105, 515, 517, BStBl II 1972, 637), ob dem Ergebnis des Anerkennungsverfahrens Tatbestandswirkung zukommt, bejaht, braucht er nicht mehr darauf einzugehen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigt vorgelegen haben oder nicht. Diese Frage ist durch das VG rechtskräftig entschieden worden.

2. Die Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Grunderwerbsteuerrechts vermag der Senat für den hier maßgebenden Stichtag (2. März 1974) nicht zu teilen. Zwar waren auch schon zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Erwerbsvorgänge von der Grunderwerbsteuer befreit. Angesichts des gleichwohl nicht unerheblichen Aufkommens der Grunderwerbsteuer ergibt sich hieraus jedoch nicht ohne weiteres die Verfassungswidrigkeit des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, auch wenn bei einem geringeren Ausmaß von Steuerbefreiungsvorschriften das gleiche Aufkommen bei einem geringeren Steuersatz erzielt werden könnte (vgl. den Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. April 1979 II B 48/78, BFHE 127, 235, BStBl II 1979, 344). Etwas anderes könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn das Steueraufkommen nur durch einen Steuersatz in unvertretbarer Höhe erreicht werden könnte. Hiervon kann bei einem Steuersatz von 7 v. H. nicht ausgegangen werden.

Daß der Gesetzgeber die Klägerin in verfassungswidriger Weise von der Teilhabe an der Steuerfreiheit für den Ersterwerb Eigengenutzter Eigenheime ausgeschlossen habe, wie sie behauptet, ist nicht ersichtlich. Es ist nicht willkürlich, daß der nordrhein-westfälische Gesetzgeber wie seinerzeit auch andere Landesgesetzgeber die Steuerfreiheit der Ersterwerbe von der öffentlichen Förderung oder der Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigt abhängig gemacht hat. Damit wurden die freifinanzierten Wohnungen (§ 5 Abs. 3 des II. WoBauG) von der Grunderwerbsteuerfreiheit ausgeschlossen. Es ist nicht ersichtlich, daß diese Differenzierung sachwidrig oder gar willkürlich war. Die Frage, ob das VG die Klage auf Anerkennung des Hauses als steuerbegünstigt zu Recht abgewiesen hat, berührt die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Nr. 5 GrEStWoBauG nicht.

Dem Antrag der Klägerin, das Verfahren ruhen zu lassen, konnte nicht gefolgt werden. Die Voraussetzungen des § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 251 der Zivilprozeßordnung lagen mangels Zustimmung des FA nicht vor. Auch eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO kam mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht.