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BFH-Urteil vom 19.5.1982 (II R 116/79) BStBl. 1982 II S. 665

1. Wird Steuerfreiheit nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG für den Erwerb eines ganzen oder im wesentlichen ganzen landwirtschaftlichen Betriebes geltend gemacht, so ist besonders eingehend zu prüfen, ob dem Erwerb tatsächlich eine Aufstockungsabsicht und nicht der Wille zugrunde liegt, den erworbenen landwirtschaftlichen Betrieb neben dem vorhandenen selbständig zu bewirtschaften.

2. Eine Entfernung von rd. 75 km der erworbenen Grundstücke zum vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb schließt die Anerkennung einer ernstlichen Aufstockungsabsicht aus.

EuAGrEStG Art. 1 Nr. 2 Buchst. a.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Der Kläger, der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs ist, kaufte rd. 96 ha landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundbesitz, der ca. 75 km vom Betrieb entfernt ist. Mitverkauft wurden Baulichkeiten. Außerdem sollte der Kläger ohne gesonderte Gegenleistung Eigentum an Teilen des Inventars erwerben, soweit dieses nicht bis zu einem bestimmten Stichtag durch den Verkäufer vom Grundbesitz entfernt worden sein würde.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte wegen des Erwerbs Grunderwerbsteuer in Höhe von 69.692 DM fest, wobei es von einer Gesamtgegenleistung in Höhe von 995.600 DM ausging.

Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, der Erwerb sei steuerfrei, da er der Aufstockung des landwirtschaftlichen Betriebes diene, blieb erfolglos.

Die Klage mit dem Antrag, den Grunderwerbsteuerbescheid ersatzlos aufzuheben, hilfsweise, aus der Bemessungsgrundlage 15.000 DM für miterworbenes Inventar sowie 18.000 DM für eine Wasserleitung auszuscheiden, wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das FG hat ausgeführt, dem Kläger stehe die Steuerbefreiung nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. a des (Bayerischen) Gesetzes über die Grunderwerbsteuerfreiheit für die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge in die Landwirtschaft und für die Aufstockung landwirtschaftlicher Betriebe (EuAGrEStG) nicht zu, da der Rechtsvorgang nicht einen Hinzuerwerb zur Aufstockung, sondern den nichtbegünstigten Erwerb eines weiteren landwirtschaftlichen Betriebes darstelle.

Mit der Revision hat der Kläger zunächst beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Grunderwerbsteuer auf 0 DM herabzusetzen. Inzwischen hat er im Hinblick auf die Weiterveräußerung einzelner erworbener Grundstücke seinen Antrag dahin eingeschränkt, daß er nur noch eine Herabsetzung um 51.660 DM begehrt.

Der Kläger rügt Verletzung des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG und macht geltend, es sei der Sinn der Vorschrift, die Vergrößerung solcher Betriebe zu erleichtern, die bisher keine ausreichende Existenzgrundlage darstellen. Dies könne entgegen der Annahme des FG nicht nur den Hinzuerwerb einzelner Grundstücke, sondern auch durch den Erwerb eines anderen kleinen landwirtschaftlichen Betriebes vorgenommen werden, wobei zusätzlich dem weiteren agrarpolitischen Zweck gedient werde, die Zahl der nichtexistenzfähigen landwirtschaftlichen Betriebe zu verringern. Ferner fordere die Vorschrift nicht, daß der Altbesitz zusammen mit den hinzuerworbenen Grundstücken eine wirtschaftliche Einheit i. S. des Bewertungsgesetzes (BewG) darstelle. Schließlich habe das FG verkannt, daß die Entfernung zwischen dem Altbesitz und den hinzuerworbenen Grundstücken nicht geeignet sei, eine Verneinung der gemeinsamen Bewirtschaftung zu rechtfertigen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die beanspruchte Steuerfreiheit steht dem Kläger nicht zu. Es ist ferner nicht ersichtlich, daß der angefochtene Bescheid in anderer Hinsicht rechtswidrig wäre.

1. Der Grundstückserwerb des Klägers unterliegt der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Er ist nicht aufgrund des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG steuerfrei. Nach dieser Vorschrift in der zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirksamkeit des Vertrages maßgebenden Fassung aufgrund des Gesetzes vom 23. Dezember 1975 ist von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks zur Aufstockung eines landwirtschaftlichen Betriebes bis zu einer Größe, die dem Inhaber und seiner Familie eine sichere Existenz bietet. Voraussetzung ist, daß der Wirtschaftswert (§ 46 BewG) des aufgestockten Betriebes den Betrag von 100.000 DM nicht übersteigt. Wird durch den Hinzuerwerb dieser Wert überschritten, so wird die Steuer nur aus dem Teil der Besteuerungsgrundlage berechnet, der dem Teil des Wirtschaftswertes entspricht, der über den Betrag von 100.000 DM hinausgeht.

Durch die Verwendung der Tatbestandsmerkmale "zur Aufstockung eines landwirtschaftlichen Betriebes", "aufgestockter Betrieb" und "Hinzuerwerb" sowie durch die Maßgeblichkeit des Wirtschaftswertes (§ 46 BewG) hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß nicht jeglicher Grundstückserwerb durch den Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes unter die Befreiung fallen soll, wenn das Grundstück überhaupt irgendwie zur Sicherung der Existenz des Betriebsinhabers und seiner Familie beiträgt. Vielmehr soll die Vergünstigung nur dann zum Zuge kommen, wenn - von den hier nicht interessierenden Fällen des Kaufs eines Ersatzgrundstücks für ein abgegebenes Grundstück und des Grundstückstauschs abgesehen - beim Erwerb beabsichtigt und nach den Umständen nicht ausgeschlossen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Oktober 1981 II R 51/77, BFHE 134, 374, BStBl II 1982, 78), daß durch den Erwerb der Umfang des vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebes zunimmt. Von dieser Voraussetzung der Steuerfreiheit ist der Senat schon bisher ausgegangen, wenn er ausgesprochen hat, begünstigt seien nur solche Erwerbe, die zu einer grundflächenmäßigen Aufstockung des Betriebes führten (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 1975 II R 11/75, BFHE 116, 418, 419 letzter Absatz, BStBl II 1975, 865), und, es werde vorausgesetzt, daß der Erwerber ernstlich gewillt sei, das Grundstück in absehbarer Zeit im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes zu nutzen (BFHE 134, 374, BStBl II 1982, 78).

2. Für die mithin erforderliche Absicht, den Hinzuerwerb in den vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb einzugliedern, kommt es im Falle des Erwerbs mehrerer Grundstücke zwar grundsätzlich nicht darauf an, ob und ggf. welche wirtschaftlichen Beziehungen zwischen diesen beim Veräußerer vorhanden waren. Demzufolge muß die Steuerfreiheit nicht etwa schon um deswillen entfallen, daß der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes einen anderen landwirtschaftlichen Betrieb insgesamt kauft. In derartigen Fällen wird allerdings besonders eingehend zu prüfen sein, ob der Erwerber tatsächlich in der Absicht handelt, den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb aufzustocken, und nicht etwa den Willen hat, beide Betriebe selbständig nebeneinander bestehenzulassen und getrennt zu bewirtschaften. Inwieweit beim Erwerb eines weiteren landwirtschaftlichen Betriebes in der Absicht, die Struktur des vorhandenen Betriebes zu verändern, insbesondere dessen Mittelpunkt zu verlegen, Steuerfreiheit noch gegeben sein kann, braucht hier nicht entschieden zu werden, da es im vorliegenden Fall hierauf nicht ankommt.

3. Zur Beantwortung der Frage, inwieweit die erforderliche Eingliederungsabsicht beim Kläger vorlag, hat das FG zutreffend darauf abgestellt, ob vom Kläger zum Zeitpunkt des Erwerbs eine gemeinsame Bewirtschaftung vom bisherigen Betriebsmittelpunkt aus ins Auge gefaßt und nach den Umständen möglich gewesen ist. Hierfür kommt es nicht nur darauf an, ob der Erwerber eine diesbezügliche Erklärung abgibt. Ebenfalls maßgebend ist, ob er nach den seinerzeitigen Verhältnissen hierzu in der Lage war. In Zweifelsfällen kann u. U. zu prüfen sein, inwieweit konkrete, auf die gegebenen Umstände abgestimmte und realisierbare Bewirtschaftungspläne bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs vorhanden waren, mit denen sich die Ernstlichkeit einer geltend gemachten Aufstockungsabsicht belegen läßt. Auch die Art der Bewirtschaftung nach dem Erwerb kann ein wichtiges Indiz für die Beurteilung darstellen, ob dem Erwerb die ernstliche Absicht zugrunde lag, den vorhandenen landwirtschaftlichen Besitz aufzustocken.

4. Das FG konnte bei dem festgestellten Sachverhalt ohne Rechtsverletzung zu der Auffassung gelangen, daß es dem Kläger nicht ernstlich darum gegangen sein kann, den vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb aufzustocken, sondern daß er den Willen gehabt haben muß, einen weiteren landwirtschaftlichen Betrieb zu erwerben und diesen unabhängig vom vorhandenen Betrieb zu führen. Diese Annahme wird allein durch die rd. 75 km betragende Entfernung zwischen den beiden Betrieben gerechtfertigt. Auch unter Berücksichtigung moderner Betriebsmittel und Bewirtschaftungsmethoden stellt eine solche Entfernung, von der der Kläger selbst einräumt, daß sie für einen PKW eine Fahrt von rd. einer Stunde und - was im vorliegenden Zusammenhang noch wichtiger ist - für einen landwirtschaftlichen Schlepper eine Fahrt von 3 1/2 Stunden bedeutet, ein Hindernis für eine rationelle gemeinsame Bewirtschaftung dar. Nur von einer rationellen Bewirtschaftung, nicht von einer Betriebsweise, die keine Rücksicht auf den wirtschaftlichen Erfolg nimmt, kann ausgegangen werden, wenn das Vorhandensein einer ernstlichen Aufstockungsabsicht i. S. des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG geprüft wird.

Die Verneinung der Aufstockungsabsicht durch das FG findet eine weitere Stütze in den nicht mit der Revision angegriffenen Feststellungen des FG darüber, daß der hinzuerworbene Grundbesitz nach dem Erwerb durch den Kläger selbständig bewirtschaftet worden ist. Ein geringfügiger Austausch von Arbeitskräften, Maschinen, Vieh und landwirtschaftlichen Erzeugnissen belegt nicht das Gegenteil, da ein solcher Austausch regelmäßig auch dann stattfinden wird, wenn mehrere selbständige landwirtschaftliche Betriebe einem Inhaber gehören.

5. Andere Gründe, aus denen der angefochtene Bescheid fehlerhaft sein könnte, sind nicht ersichtlich. Der vom Kläger vor dem FG vorgebrachte Einwand, daß die Bemessungsgrundlage um gewisse auf den Erwerb von Inventar und den einer Wasserleitung entfallende Teilbeträge ermäßigt werden müsse, wird vom Kläger offensichtlich nicht weiterverfolgt, so daß auf ihn nicht näher eingegangen zu werden braucht.