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BFH-Urteil vom 19.5.1982 (II R 89/81) BStBl. 1982 II S. 668

1. Die Anwendung des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG bei einem Zuerwerbs- oder Nebenerwerbslandwirt setzt nicht voraus, daß der betreffende Hinzuerwerb den Betrieb zu einem Vollerwerbsbetrieb werden ließe; dementsprechend ist nicht zu fordern, daß der Landwirt im zeitlichen Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb eine bisher neben der Landwirtschaft ausgeübte Tätigkeit aufgibt (Anschluß an BFH-Urteil vom 7. Juni 1978 II R 105/76, BFHE 125, 209, BStBl II 1978, 471).

2. Die Steuerfreiheit nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG kann einem Zuerwerbs- oder Nebenerwerbslandwirt nicht unter Hinweis auf die außerhalb der Landwirtschaft erzielten Einkünfte versagt werden.

EuAGrEStG Bayern Art. 1 Nr. 2 Buchst. a.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Der Kläger, der einen Geflügelmastbetrieb mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von rd. 25 ha betreibt und außerdem Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen hat, kaufte mehrere landwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte den Antrag des Klägers, den Kauf als Aufstockungserwerb steuerfrei zu lassen ab, und setzte Grunderwerbsteuer fest. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos; das FA erhöhte vielmehr mit der Einspruchsentscheidung die Grunderwerbsteuer.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Bescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Zur Begründung führte es aus, die Steuerfestsetzung sei rechtswidrig, weil der Erwerb nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. a des (Bayerischen) Gesetzes über die Grunderwerbsteuerfreiheit für die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge in die Landwirtschaft und für die Aufstockung landwirtschaftlicher Kleinbetriebe (EuAGrEStG) steuerfrei sei. Der Geflügelmastbetrieb des Klägers stelle in Übereinstimmung mit der bewertungsrechtlichen und der einkommensteuerrechtlichen Betrachtungsweise einen landwirtschaftlichen Betrieb dar, dessen Wirtschaftswert auch nach der Aufstockung unterhalb der Grenze von 100.000 DM liege. Auf die Frage, ob der Kläger Vollerwerbs-, Nebenerwerbs-, oder Zuerwerbslandwirt sei, komme es nicht an, da Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG auch die Nebenerwerbs- und Zuerwerbslandwirte erfasse. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Juni 1978 II R 105/76 (BFHE 125, 209, BStBl II 1978, 471) falle die Aufstockung eines Zuerwerbs- oder Nebenerwerbsbetriebes nur dann nicht unter den Befreiungstatbestand, wenn die Aufstockung des Betriebes zu einer ausschließlich landwirtschaftlichen Existenzgrundlage entweder objektiv nicht möglich oder subjektiv vom Betriebsinhaber nicht beabsichtigt sei. Derartige die Steuerfreiheit ausschließende Umstände lägen nicht vor. Im übrigen könne sogar davon ausgegangen werden, daß der Kläger Vollerwerbslandwirt sei, weil hierfür nicht die Herkunft des Einkommens, sondern der Einsatz der Tätigkeit maßgebend sei (Urteil des FG München vom 22. Juli 1976 IV 280/73, EFG 1976, 579), der beim Kläger so gut wie ausschließlich im Bereich der Landwirtschaft liege. Soweit der Kläger gewerbliche Einkünfte habe, sei er bei keiner der Gesellschaften, deren Kommanditist er sei und von denen die Einkünfte stammten, wirklich tätig geworden; er habe sich vielmehr darauf beschränkt, Kapital möglichst gewinnbringend anzulegen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen. Das FA rügt Verletzung des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG und macht geltend, das FG hätte berücksichtigen müssen, daß der Hinzuerwerb nicht in erster Linie dazu gedient habe, die Futtererzeugung zu gewährleisten, weil in der Massengeflügelhaltung ohnehin gekauftes Futter verwendet werde; der Kauf sei vielmehr zu dem Zweck vorgenommen worden, eine größere Feldfläche für das Ausbringen von Einstreu und Kot aus der Mästerei zur Verfügung zu haben. Der Erwerb sei mithin nicht geeignet, eine ausschließlich landwirtschaftliche Existenzgrundlage zu schaffen. Die Anwendung des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG scheitere ferner daran, daß das FG nicht festgestellt habe, ob der Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb, d. h. innerhalb von vier Jahren (vgl. Tz. 8 der Verwaltungsanordnung - VAO - zur Ausführung des Art. 1 Nr. 2 EuAGrEStG i. d. F. der Bekanntmachung vom 16. November 1979, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen 1979 S. 297), die bisher neben der Landwirtschaft ausgeübte Tätigkeit aufgebe. Im übrigen sei die Auffassung des FG, daß es sich beim Kläger um einen Vollerwerbslandwirt handle, unzutreffend. Ferner könne nicht davon die Rede sein, daß der Kauf der Sicherung der Existenzgrundlage des Klägers und seiner Familie diene, da im Hinblick auf das in den dem Erwerb vorausgegangenen Jahren erzielte Einkommen eine ausreichende Sicherung der Existenzgrundlage vorliege.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zu Recht angenommen, daß der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerb aufgrund des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG von der Besteuerung freigestellt ist.

1. Art. 1 Nr. 2 EuAGrEStG i. d. F. aufgrund des Gesetzes vom 23. Dezember 1975 sieht für zweierlei Tatbestände Befreiung von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz vor. Nach Buchst. a ist von der Besteuerung freigestellt der Erwerb eines Grundstücks zur Aufstockung eines landwirtschaftlichen Betriebs bis zu einer Größe, die dem Inhaber und seiner Familie eine sichere Existenz bietet, wobei vorausgesetzt wird, daß der Wirtschaftswert (§ 46 des Bewertungsgesetzes - BewG -) des aufgestockten Betriebes den Betrag von 100.000 DM nicht übersteigt; beim Überschreiten des Wertes erfolgt eine anteilige Versteuerung. Durch Buchst. b ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks zu einem landwirtschaftlichen Zuerwerbs- oder Nebenerwerbsbetrieb zur Verbesserung der Existenzgrundlage.

Zum Verhältnis beider Befreiungstatbestände zueinander hat der Senat in dem zitierten Urteil II R 105/76 (BFHE 125, 209, BStBl II 1978, 471) entschieden, daß nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes sowie nach dessen historischer Entwicklung auch der Hinzuerwerb eines Grundstücks zu einem Zuerwerbs- oder Nebenerwerbsbetrieb unter die Regelung des Buchst. a fallen kann, sofern nicht die Aufstockung des Betriebes bis zu einer (ausschließlich landwirtschaftlichen) Existenzgrundlage entweder gar nicht möglich oder nicht beabsichtigt ist. Bei landwirtschaftlichen Betrieben, die nach den Umständen oder nach dem Willen ihrer Inhaber Nebenerwerbs- oder Zuerwerbsbetriebe bleiben müssen oder sollen, kann statt dessen die Vergünstigung nach Buchst. b in Betracht kommen.

In dem zitierten Urteil ist keine Einschränkung der Anwendbarkeit des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG in der Hinsicht gemacht worden, daß bei Zuerwerbs- und Nebenerwerbsbetrieben der Grundstückserwerb, um dessen Steuerfreiheit es im Einzelfall geht, in der Lage sein müsse, den Betrieb zu einer ausschließlich landwirtschaftlichen Existenzgrundlage zu machen (so aber Tz. 8 VAO). Der Senat hält nach neuerlicher Überprüfung eine solche Einschränkung weiterhin nicht für gerechtfertigt, und zwar aus den folgenden Gründen.

Bei einem Hinzuerwerb eines Grundstücks zu einem Vollerwerbsbetrieb hängt die Steuerfreiheit nicht davon ab, daß schon durch diesen Grundstückserwerb der vom Gesetz verfolgte Zweck, letztlich die Entstehung sicherer Existenzgrundlagen in der Landwirtschaft herbeizuführen, erreicht würde. Ein Vollerwerbslandwirt kann daher die Steuerfreiheit auch dann in Anspruch nehmen, wenn der betreffende Erwerb zwar zur Verbesserung der Existenzgrundlage beiträgt, sie aber nicht soweit verbessert, daß sie bereits als ausreichend gesichert angesehen werden kann. Da das Gesetz mithin Vergünstigungen für den Zuerwerb schon dann vorsieht, wenn dieser den Betriebsinhaber dem Ziel einer sicheren Existenzgrundlage in irgendeinem Maße näherbringen soll, ist es nicht gerechtfertigt, im Falle von Zuerwerbs- oder Nebenerwerbsbetrieben zusätzlich zu verlangen, daß mindestens der Übergang vom Zuerwerbs- bzw. Nebenerwerbsbetrieb zum Vollerwerbsbetrieb erreicht werde. Die Forderung, daß mindestens die Stufe des Vollerwerbsbetriebs erreicht werden müsse und deshalb in zeitlichem Zusammenhang mit dem Hinzuerwerb die neben der Landwirtschaft ausgeübten Tätigkeiten aufgegeben werden müßten (so Tz. 8 VAO), steht außerdem in Widerspruch dazu, daß das Gesetz nicht verlangt, es müsse auch tatsächlich eine weitere Sicherung der Existenzgrundlage eintreten; es fordert nicht einmal, das hinzuerworbene Grundstück müsse auch tatsächlich im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes eingesetzt werden. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 7. Oktober 1981 II R 51/77 (BFHE 134, 374, BStBl II 1982, 78) entschieden, die Vorschrift setze lediglich voraus, daß der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs ernstlich gewillt sei, das Grundstück in absehbarer Zeit im Rahmen seines Betriebs zu nutzen, und daß er nach den Umständen hierzu auch in der Lage sein werde. Das Gesetz verlange nicht, daß der Erwerber das Grundstück innerhalb einer bestimmten Frist landwirtschaftlich selbst nutzt, und es ordne auch keine steuerlichen Rechtsfolgen für den Fall an, daß der Erwerber seine ursprüngliche Absicht nicht verwirklicht.

Somit kann im vorliegenden Fall für die Anwendung des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG letztlich dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Geflügelmästerei des Klägers um einen Vollerwerbsbetrieb handelt oder um einen Zuerwerbs- bzw. Nebenerwerbsbetrieb. Eine Entscheidung in dieser Hinsicht wäre nur dann notwendig, wenn der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers nicht bis zum Ausmaß einer ausschließlich landwirtschaftlichen Existenzgrundlage aufgestockt werden könnte oder wenn dem Kläger der entsprechende Wille fehlte, eine Aufstockung bis zu diesem Maße vorzunehmen. Beides konnte das FG aufgrund seiner - nicht mit durchschlagenden Revisionsrügen angegriffenen - Feststellung verneinen. Was die Möglichkeit der Aufstockung anbelangt, so konnte das FG seine Überzeugung vor allem darauf stützen, daß dem Kläger die Kapitalmittel für die erforderlichen Investitionen zur Verfügung stehen. Der Wille des Klägers, eine derartige Aufstockung auch tatsächlich vorzunehmen, durfte vom FG, zumal konkrete gegenteilige Anhaltspunkte fehlen, im Hinblick darauf angenommen werden, daß der Kläger - unwidersprochen - vorgetragen hat, er werde versuchen, im Rahmen der sich in der Umgebung ergebenden Möglichkeiten seinen Betrieb nach und nach auf eine Größe aufzustocken, die ihm und seiner Familie eine Existenzgrundlage gibt.

2. Gegenüber der Feststellung des FG, daß nach dem Willen des Klägers der Erwerb der Existenzsicherung habe dienen sollen, kann das FA nicht mit Erfolg darauf hinweisen, die Grundstücke seien nicht in erster Linie für den Futteranbau, sondern zu dem Zweck erworben worden, eine weitere Feldfläche zum Ausbringen von Einstreu und Kot aus der Mästerei zur Verfügung zu haben. Die mit dem Betrieb einer Geflügelmästerei verbundene Notwendigkeit, Einstreu und Kot zu beseitigen, ist nicht weniger wichtig als andere betriebliche Erfordernisse z. B. die Sicherung der Futterversorgung. Grundstückserwerbe, die in erster Linie der Beseitigung von Einstreu und Kot dienen sollen, können mithin ebenso zur Sicherung der Existenzgrundlage beitragen wie Grundstückskäufe, bei denen die Versorgung mit Futter im Vordergrund steht.

3. Schließlich kann das FA nicht unter Hinweis auf die Einkommensverhältnisse des Klägers mit Erfolg geltend machen, daß beim Kläger die von Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG als förderungswürdig angesehene Sicherung der landwirtschaftlichen Existenzgrundlage nicht mehr eintreten könne, weil bereits eine ausreichende Sicherung vorhanden sei. Das Gesetz sieht Vergünstigungen für Hinzuerwerbe zum Zwecke der Aufstockung allerdings nur in dem Umfang vor, der erforderlich ist, um die Existenzgrundlage als ausreichend gesichert zu betrachten. Die Beantwortung der Frage, wann dieses Maß erreicht wird, stellt das Gesetz darauf ab, ob der Wirtschaftswert des aufgestockten Betriebes den Betrag von 100.000 DM übersteigt, was nach den unangefochtenen Feststellungen des FG beim Kläger nicht der Fall ist. Das Gesetz bietet keine Handhabe dafür, die Steuerfreiheit zusätzlich davon abhängig zu machen, ob das nach einkommensteuerlichen Grundsätzen ermittelte Einkommen des Erwerbers aus anderen Einkunftsarten als der der Landwirtschaft eine bestimmte Höhe erreicht.