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BFH-Urteil vom 23.6.1982 (II R 129/80) BStBl. 1982 II S. 670

Wird ein Gebiet durch Verordnung der Landesregierung zum städtebaulichen Entwicklungsbereich erklärt, so führt der dadurch ausgelöste Genehmigungsvorbehalt unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Unterbrechung der Bebauungsfrist.

GrESBWG Schleswig-Holstein § 9.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Die Kläger kauften durch notariell beurkundeten Vertrag vom 10. September 1968 ein unbebautes Grundstück je zur ideellen Hälfte. Sie erklärten gegenüber dem damals zuständigen Finanzamt Elmshorn, daß sie beabsichtigten, das Grundstück innerhalb von zehn Jahren mit steuerbegünstigten Gebäuden zu bebauen. Deshalb wurden die Erwerbsvorgänge durch interne Verfügungen materiell vorläufig von der Grunderwerbsteuer freigestellt.

Durch Verordnung der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung vom 13. Juli 1973 (Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - 279) wurde das Gebiet, in dem das durch die Kläger erworbene Grundstück belegen ist, zum städtebaulichen Entwicklungsbereich im Sinne des § 53 des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) erklärt.

Als das inzwischen zuständig gewordene beklagte Finanzamt (FA) im Jahre 1979 feststellte, daß das Grundstück noch unbebaut sei, setzte es gegen die Kläger wegen Nichteinhaltung der zehnjährigen Bebauungsfrist Grunderwerbsteuer nebst Zuschlag fest.

Die Kläger erhoben nach erfolglosem Einspruch Klage und beantragten die ersatzlose Aufhebung der gegen sie erlassenen beiden Nacherhebungsbescheide. Die zehnjährige Nacherhebungsfrist sei dadurch unterbrochen worden, daß das Gebiet, in dem das erworbene Grundstück belegen sei, zum städtebaulichen Entwicklungsbereich erklärt worden sei. Dieser Fall sei den in § 9 des Schleswig-Holsteinischen Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes (GrESBWG) genannten Fällen vergleichbar.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1980, 559). § 9 GrESBWG gelte nicht für Baubeschränkungen aufgrund der §§ 15, 57 StBauFG. Die von den Klägern geforderte Auslegung der Vorschrift sei mit den Auslegungsgrundsätzen nicht zu vereinbaren.

Die Kläger haben mit ihrer Revision ihren Klagantrag weiterverfolgt.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) und der Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein sind dem Revisionsverfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Entgegen der Auffassung des FG ist § 9 GrESBWG grundsätzlich auch in den Fällen des § 57 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 15 StBauFG anwendbar. Diese Vorschrift ist zwar in § 9 GrESBWG nicht ausdrücklich erwähnt worden. Es ist aber davon auszugehen, daß durch die Nichtaufnahme der genannten Vorschriften in den Gesetzestext anläßlich der Verabschiedung des StBauFG eine Lücke, d. h. eine planwidrige, mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbarende Unvollständigkeit des § 9 GrESBWG entstanden ist, die von der Rechtsprechung geschlossen werden muß.

Als § 9 GrESBWG im Jahre 1962 geschaffen wurde (damals § 10), war das Städtebauförderungsgesetz noch nicht verabschiedet. § 10 konnte deshalb nur die Fälle des § 14 Abs. 1, § 15 und des § 51 Abs. 1 des Bundesbaugesetzes (BBauG) berücksichtigen. Bei Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes im Jahre 1971 wurde nicht bedacht, daß nunmehr in den Sanierungsgebieten und in den Entwicklungsbereichen an die Stelle der genannten Vorschriften des Bundesbaugesetzes allein § 15 StBauFG getreten ist (vgl. § 6 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 2 StBauFG), dessen Zielsetzung keine andere ist als die der genannten Vorschriften des Bundesbaugesetzes: Durch den Genehmigungsvorbehalt sollten Rechtsvorgänge unterbunden und tatsächliche Veränderungen der Grundstücke verhindert werden, sie sich erschwerend auf den Ablauf der Sanierung (bzw. im Entwicklungsbereich auf den Ablauf der Entwicklungsmaßnahmen) auswirken konnten. Vom Sinn und Zweck des § 9 GrESBWG her gesehen, wäre deshalb eine Ergänzung dieser Vorschrift um die Fälle des § 15 StBauFG erforderlich gewesen. Die Zielsetzung dieser Vorschrift ist nur dann gewährleistet, wenn die Fälle des § 15 StBauFG einbezogen werden.

Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen über die Bebaubarkeit des erworbenen Grundstücks im Zeitpunkt des Erwerbes durch die Kläger getroffen. Hierauf aber kommt es für die Entscheidung an. Denn aus § 9 GrESBWG kann nicht gefolgert werden, daß eine Rechtsverordnung, die ein Gebiet zum Entwicklungsbereich erklärt, ohne Rücksicht auf die planungsrechtliche bzw. baurechtliche Lage vor Erlaß der Verordnung zur Unterbrechung der Nachversteuerungsfrist führt. Der Normzweck des § 9 GrESBWG kann nur darin gefunden werden, daß die Nichteinhaltung der Bebauungsfrist unschädlich sein soll, wenn der Erwerber durch die im § 9 GrESBWG genannten Maßnahmen an der Bebauung des Grundstücks gehindert wird. Der Normzweck wird jedoch nicht erfüllt, wenn das erworbene Grundstück z. B. Bauerwartungsland ist und deshalb im Erwerbszeitpunkt ohnehin nicht bebaubar war. Der Senat folgt insoweit seinen Urteilen zum Hessischen Recht vom 19. Dezember 1979 II R 104/76 (BFHE 129, 282, 285, BStBl II 1980, 163) und vom 3. Dezember 1980 II R 162/78 (BFHE 132, 337, BStBl II 1981, 326).