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BFH-Urteil vom 4.8.1982 (II R 32/81) BStBl. 1982 II S. 743

Der laufende Erwerb von Grundstücken durch ein Wohnungsbauunternehmen zur Weiterveräußerung nach Bebauung oder nach Baufertigstellung stellt keinen Ersatzerwerb i. S. von § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG NW im Hinblick auf vorausgegangene planmäßige Veräußerungsgeschäfte dar.

GrEStWoBauG NW § 1 Nr. 6.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin, eine Wohnungsbaugesellschaft, kaufte mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... März 1977 ein Grundstück, auf dem sich ein Gebäudekomplex mit in Bau befindlichen Eigentumswohnungen befand. Sie beantragte Grunderwerbsteuerbefreiung mit der Begründung, daß die Wohnungen als steuerbegünstigter Wohnraum fertiggestellt würden. Das beklagte Finanzamt (FA) stellte daraufhin den Erwerbsvorgang nach § 1 Nr. 4 des (Nordrhein-Westfälischen) Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG) vorläufig von der Grunderwerbsteuer frei und erteilte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung.

Mit Vertrag vom ... Juli 1977 veräußerte die Klägerin das Grundstück an ein andere Baugesellschaft, ohne die Wohnungen fertiggestellt zu haben. Zugleich machte sie dem FA gegenüber geltend, daß der Kauf des Grundstücks als Erwerb von Ersatzland für eine vorausgegangene Veräußerung von Eigentumswohnungen (§ 1 Nr. 6 GrEStWoBauG) von der Grunderwerbsteuer freizustellen sei. Das FA lehnte dies ab und setzte die Grunderwerbsteuer einschließlich eines Zuschlages fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Klage ist vom Finanzgericht (FG) abgewiesen worden. Das FG hat ausgeführt, nach Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes sowie nach der Entstehungsgeschichte komme § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG nicht zur Anwendung. Wenn Grundstücke gewerbsmäßig in bebautem oder unbebautem Zustand erworben und weiterveräußert würden oder in unbebautem Zustand erworben und nach Bebauung weiterveräußert würden, so stellten die im Rahmen der üblichen Geschäftstätigkeit liegenden Erwerbsvorgänge keine Ersatzbeschaffung für vorausgegangene Veräußerungen an Erwerber dar, die bereits die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 5 GrEStWoBauG erfüllten.

Mit der Revision beantragte die Klägerin, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Sie rügt Verletzung des § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG und macht geltend, dem Gesetz lasse sich nicht entnehmen, daß die Vorschrift auf Wohnungsbauunternehmen keine Anwendung finden solle.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Recht entschieden, daß der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.

1. Der angefochtene Nacherhebungsbescheid ist rechtmäßig, da die Klägerin durch die Weiterveräußerung des Grundstücks, ohne die Eigentumswohnungen fertiggestellt zu haben, den begünstigten Zweck aufgegeben hat.

Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgang des Kaufs war zunächst materiell vorläufig von der Grunderwerbsteuer befreit, da die Klägerin das Grundstück mit dem seinerzeit im Zustand der Bebauung befindlichen Gebäude erworben hatte, um das Gebäude, den Erfordernissen des § 1 Nr. 1 GrESt-WoBauG entsprechend, fertigzustellen. Den steuerbegünstigten Zweck hat die Klägerin aufgegeben, indem sie, ohne daß die Eigentumswohnungen fertiggestellt worden wären, das Grundstück bereits am ... Juli 1977 weiterverkauft hat. Das FA war daher gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStWoBauG befugt, die Klägerin auf dem Wege der Nachversteuerung zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen. Das FA durfte ferner neben der nachzuerhebenden Steuer gem. § 3 Abs. 4 Satz 2 i.V. m. Abs. 5 Satz 1 GrEStWoBauG für das angefangene Jahr seit dem Tage der Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung einen Zuschlag zur Steuer von 6 v. H. festsetzen.

2. Die Klägerin kann demgegenüber nicht mit Erfolg geltend machen, daß der Erwerb durch sie - auch - unter § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG falle und damit endgültig steuerfrei sei.

Gemäß Satz 1 der zitierten Vorschrift ist von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks, das als Ersatz oder Austauschland mittelbar oder unmittelbar im Zusammenhang mit den in § 1 Nrn. 1 bis 5 GrEStWoBauG genannten Erwerbsvorgängen verwendet wird. Der Befreiungstatbestand erfaßt bei der gebotenen einschränkenden Auslegung nicht den laufenden Erwerb von Grundstücken durch Wohnungsbauunternehmen (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., Anhang, Tz. 159a; Lange in Schultze/Förger/Hofmann, Grunderwerbsteuer-Kommentar, II. Teil, Grunderwerbsteuer Nordrhein-Westfalen, 6. Aufl., Tz. 163). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Einschränkung schon dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen ist, wie das FG meint. Sie ergibt sich jedenfalls mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Sinn der Vorschrift und aus ihrem Verhältnis zu der Regelung in § 1 Nrn. 1 bis 4 und § 3 GrEStWoBauG.

Wie die anderen Vorschriften des Gesetzes dient § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG dem Zweck, den sozialen Wohnungsbau zu fördern und dadurch den Wohnungsmangel zu beseitigen. Für Eigentümer von Bauland sollte ein Anreiz geschaffen werden, dieses dem sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen, und zwar dadurch, daß bei den Veräußern ein Ersatzerwerb von der Grunderwerbsteuer befreit wird. Dagegen kann es nicht als Aufgabe der Vorschrift angesehen werden, Unternehmen oder Institutionen, die sich mit dem Erwerb und der Weiterveräußerung von unbebauten und bebauten Grundstücken befassen, eine über die Regelung in § 1 Nrn. 1 bis 4 GrEStWoBauG hinausgehende Steuerfreiheit zu eröffnen, die überdies nicht mit der Sanktion bewehrt wäre, daß bei Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes oder bei nicht fristgerechter Zweckerfüllung eine Nachversteuerung vorgenommen wird. Die Ausdehnung der Vergünstigung für Zwischenerwerbe über den Katalog des § 1 Nr. 2 GrEStWoBauG hinaus kann nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben. Eine Auslegung des § 1 Nr. 6 GrESt-WoBauG nach den Vorstellungen der Klägerin würde im übrigen zu dem kaum zu rechtfertigenden Ergebnis führen, daß die Befreiung nicht für den erstmaligen Grundstückserwerb nach Aufnahme des Geschäftsbetriebes zur Anwendung käme, weil dann noch nicht vom Ersatz im Zusammenhang mit den in § 1 Nrn. 1 bis 5 GrEStWoBauG angeführten Rechtsvorgängen die Rede sein könnte. Steuerfreiheit käme aber dann zum Zuge, wenn bereits ein Veräußerungsgeschäft vorgenommen worden ist, das die Voraussetzungen des § 1 Nrn. 1 bis 5 GrEStWoBauG erfüllt, so daß der Grundstückserwerb als Erwerb von Ersatzland i. S. des § 1 Nr. 6 GrEStWoBauG angesehen werden könnte. Auch dieses kaum verständliche Ergebnis spricht für die Auffassung, daß die Vorschrift auf den laufenden Grundstückserwerb von Wohnungsbauunternehmen nicht zur Anwendung kommen kann.