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BFH-Urteil vom 14.7.1982 (II R 1/81) BStBl. 1983 II S. 25

1. Ist eine Anfechtungsklage gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid erhoben und ist der Steueranspruch nach Grund und Betrag streitig, so ist ein Zwischenurteil über den Grund zulässig, wenn das Bestehen des Steueranspruchs dem Grunde nach bejaht wird (ggf. auch nur hinsichtlich des Erwerbs einer Teilfläche) und die Frage, wie hoch der Besteuerungsmaßstab (die Gegenleistung) ist, noch nicht entscheidungsreif ist.

2. Ist der Erwerb nur hinsichtlich einer Teilfläche steuerpflichtig, im übrigen aber steuerfrei, so muß diese Teilfläche im Zwischenurteil über den Grund genau bezeichnet werden.

FGO § 99.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs in A mit einer Betriebsfläche von ca. 8 ha, davon ca. 3,75 ha Eigenland. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 2. Mai 1975 erwarben sie je zur ideellen Hälfte einen landwirtschaftlichen Betrieb von 20,36 ha in B. Sie beantragten Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Siedlung (GrEStAgrG) vom 29. März 1966 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GV NW - 1966, 140, BStBl II 1966, 122) wegen Aufstockung und Existenzsicherung des vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebs.

Das beklagte Finanzamt (FA) zog den Erwerb zur Grunderwerbsteuer heran. Die Einsprüche wies es mit der Begründung zurück, daß eine einheitliche ordnungsgemäße Bewirtschaftung der erworbenen Flächen von der vorhandenen Hofstelle aus wegen der unterschiedlichen Nutzungsart und der großen Entfernung von 41,6 km nicht möglich sei.

Mit ihrer Klage haben die Kläger die ersatzlose Aufhebung der Steuerbescheide und der Einspruchsentscheidung beantragt. Das Finanzgericht (FG) hat durch Zwischenurteil über den Grund dahin entschieden, daß der Erwerbsvorgang insoweit steuerfrei sei, als landwirtschaftlich nutzbare Grundstücke (ohne Gebäude und Hofflächen) erworben worden seien (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 195).

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des an sich zulässigen Zwischenurteils.

Daß in einer Grunderwerbsteuersache gegebenenfalls ein Zwischenurteil über den Grund zulässig ist, ergeben die nachfolgenden Überlegungen:

§ 99 der Finanzgerichtsordnung (FGO) läßt u. a. bei einer Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid ein Zwischenurteil über den Grund zu, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag strittig ist. Anspruch in diesem Sinne ist nicht der Prozeßanspruch des Klägers, sondern der materielle Steueranspruch des FA (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Oktober 1979 I R 157/76, BFHE 129, 443, BStBl II 1980, 252 und vom 14. Mai 1980 I R 135/77, BFHE 131, 194, BStBl II 1980, 695). Daß es hier um das Bestehen des materiellen Anspruchs des Beklagten dem Grunde nach geht, folgt aus der Eigenart der Anfechtungsklage, bei der der durch einen Verwaltungsakt wegen eines materiell-rechtlichen Anspruches in Anspruch Genommene durch seine Klage das gerichtliche Verfahren einleitet. Diese besondere Prozeßlage führt dazu, daß ein Zwischenurteil über den Grund regelmäßig nur dann ergehen kann, wenn das entscheidende Gericht das Bestehen der vom Kläger bestrittenen Steuerforderung dem Grunde nach bejaht, wenn aber die Frage der Höhe der Steuer noch nicht entscheidungsreif ist. Besteht die Steuerforderung dem Grunde nach nicht, so muß der Klage durch Endurteil stattgegeben werden.

Die in der Rechtsprechung bisher noch nicht eindeutig geklärte Frage, unter welchen Voraussetzungen in Steuersachen überhaupt ein Zwischenurteil über den Grund ergehen darf, ist für die Grunderwerbsteuer als eine Einzelsteuer dahin zu beantworten, daß ein Grundurteil z. B. ergehen kann, wenn das FG entgegen der Auffassung des Klägers die Steuerpflicht des Erwerbsvorganges bejaht und wenn darüber hinaus strittig ist, wie hoch die Gegenleistung im Einzelfall ist. In einem solchen Falle könnte der Erlaß eines Zwischenurteils über den Grund dann sinnvoll sein, wenn denkbar wäre, daß der BFH die Steuerpflicht des Erwerbsvorganges entgegen der Auffassung des FG verneinen und damit weitere Ermittlungen über die Höhe der Gegenleistung überflüssig machen könnte.

Der Senat folgt damit nicht der verschiedentlich vertretenen Auffassung (vgl. z. B. Gräber, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1968, 491, 496), daß § 99 FGO bei der Anfechtungsklage praktisch bedeutungslos ist. Dies gilt zumindest nicht für eine Einzelsteuer, bei der zwischen der Steuerpflicht dem Grunde nach und der Höhe der Steuer unterschieden werden kann.

Diese Auffassung widerspricht auch nicht dem Streitgegenstandsbegriff, wie ihn der Große Senat in seinem Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 1/66 (BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344) entwickelt hat. Wenn dort die Auffassung vertreten worden ist, daß Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Bescheides sei und daß deshalb das Gericht vom Kläger nicht geltend gemachte Punkte, die zu seinen Ungunsten sprächen, zu prüfen habe, so spricht dies jedenfalls nicht gegen eine Zwischenentscheidung dem Grunde nach, wenn nach der Eigenart der jeweiligen Steuer eine Unterscheidung zwischen dem Grund und der Höhe der Steuer möglich ist. Erforderlich ist nur, daß durch eine Entscheidung dem Grunde nach alle zum Besteuerungsgrund zählenden Punkte erledigt werden, z. B. die Frage der Steuerbarkeit des Vorganges und der Steuerschuldnerschaft des Klägers bejaht wird, das Vorliegen einer Steuerbefreiung und der Ablauf der Festsetzungsfrist sowie der Eintritt einer etwaigen Verwirkung verneint wird, so daß nur noch die Entscheidung über die Höhe der Gegenleistung und damit über die Höhe der Steuer offenbleibt.

Der Senat ist ferner der Auffassung, daß ein Grundurteil bei der Grunderwerbsteuer auch dann denkbar ist, wenn der Erwerbsvorgang hinsichtlich einer konkreten Teilfläche steuerpflichtig, hinsichtlich einer anderen Teilfläche aber steuerfrei ist, es sei denn, daß die Höhe der Gegenleistung nicht strittig ist. Ein Grundurteil ist aber auch dann zulässig, wenn zwar die Gegenleistung insgesamt nicht strittig ist, über die Aufteilung der Gegenleistung auf die grunderwerbsteuerrechtlich unterschiedlich zu behandelnden Teilflächen aber Streit besteht, so daß diese Frage noch nicht zur Entscheidung reif ist.

Danach wäre ein Zwischenurteil über den Grund zulässig gewesen, falls Streit über die Aufteilung der Gegenleistung bestehen sollte. Hierauf kommt es im vorliegenden Fall jedoch deshalb nicht an, weil das an sich zulässige Zwischenurteil über den Grund schon deshalb aufzuheben ist, weil es keine abschließende Entscheidung über den Grund des Steueranspruchs trifft. Das FG hat zwar abstrakt entschieden, daß der Erwerbsvorgang insoweit steuerfrei sei, als er nicht auf Gebäude und Hofflächen entfalle. Damit liegt aber noch keine eindeutige Entscheidung des FG darüber vor, welche konkreten Teilflächen jeweils gemeint sind. Es mag zwar sein, daß das FG den Erwerb der im Grundbuch als Hof- und Gebäudefläche Flur 1 Nr. 97 bezeichnete Teilfläche von 3.034 qm für steuerpflichtig hält. Dies ist jedoch mit Sicherheit weder dem Urteilstenor noch den Urteilsgründen zu entnehmen. Nach Sachlage ist deshalb nicht auszuschließen, daß über die konkrete Abgrenzung der Flächen in einem denkbaren Nachverfahren noch Streit entstehen könnte. Das aber bedeutet, daß das FG noch keine den Besteuerungsgrund erledigende Entscheidung getroffen hat. Das angefochtene Zwischenurteil über den Grund muß deshalb aufgehoben werden.

Der Senat ist unter diesen Umständen nicht in der Lage, sich zu den materiell-rechtlichen Streitfragen zu äußern. Für den Fall, daß das FG erneut zu dem Erlaß eines Zwischenurteils über den Grund gelangt, weist der Senat darauf hin, daß ein Ausspruch über die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erst im Endurteil erfolgen darf. Solange nur ein Urteil dem Grunde nach ergeht, besteht keine Klarheit darüber, ob und inwieweit der angefochtene Steuerbescheid aufzuheben ist.