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BFH-Urteil vom 25.8.1982 (I R 130/78) BStBl. 1983 II S. 38

Beteiligt sich ein Unternehmer an den Mehrkosten einer städtischen Kläranlage, welche durch betriebsbedingte besondere Abwasserzuführungen veranlaßt sind, so sind die Aufwendungen sofort abzugsfähige Betriebsausgaben.

EStG § 4 Abs. 1 und 4, § 5 Abs. 1 und 2, § 6 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine OHG, war von der Stadt L. wegen der Mehrkosten der von der Stadt in den Jahren 1964 bis 1966 erstellten Kläranlage in Anspruch genommen worden. Ihre Forderung hatte die Stadt damit begründet, daß die Klägerin sie ersucht habe, die Anlage so zu gestalten, daß auch die erheblichen Abwassermengen der Klägerin aus ihrer Fabrikation (Lederfabrik) in die Kanalisation eingeleitet werden könnten. Sie habe sich verpflichtet, für die erforderlichen Mehrkosten von rd. 450.000 DM aufzukommen. Die deshalb von der Stadt gegen die Klägerin erhobene Klage zum Verwaltungsgericht wurde abgewiesen. Im Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) kam es zu einem Vergleich. Die Klägerin verpflichtete sich, an die Stadt den Betrag von 90.000 DM zu zahlen.

In der Bilanz zum 30. Juni 1973 bildete die Klägerin eine Rückstellung von 99.054 DM. Dieser Betrag setzte sich aus der Vergleichssumme von 90.000 DM und 9.054 DM Rechtsanwaltsgebühren zusammen. Andererseits aktivierte die Klägerin einen Teilbetrag aus der Vergleichssumme in Höhe von 8.500 DM auf Grund und Boden, da nach der zur Zeit des Kanalanschlusses gültigen Kanalsatzung der Stadt eine Anschlußgebühr von 8.500 DM angefallen wäre. Der Restbetrag von 81.500 DM sei gezahlt worden, um das mit der Stadt bestehende Spannungsverhältnis zu beseitigen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in der gesamten Vergleichssumme von 90.000 DM einen Beitrag zur Herstellung der Kläranlage und behandelte sie als Aufwand für Grund und Boden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

In ihrer Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Gewinn des Streitjahres ohne die Aktivierung des Betrages von 81.500 DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet.

I. Unbegründet ist allerdings die von der Klägerin erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung, weil es auf sie für die Entscheidung nicht ankommt (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der erkennende Senat geht zwar entgegen der Ansicht der Klägerin mit dem Finanzgericht (FG) davon aus, daß die Zahlung der Vergleichssumme bezweckte, sämtliche Ansprüche der Stadt aus dem Bau der Kläranlage abzugelten (siehe unten III.). Doch trifft - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt - die vom FG gezogene Schlußfolgerung nicht zu, daß es sich um aktivierungspflichtige Aufwendungen für den Grund und Boden handle.

II. Die streitigen Aufwendungen sind als Betriebsausgaben sofort abzugsfähig (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

1. In der neueren Rechtsprechung ist wiederholt entschieden worden, daß Aufwendungen, die sich auf eine besondere Nutzung des Grundstücks beziehen, nicht als Anschaffungskosten des Grund und Bodens behandelt werden können (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Februar 1980 VIII R 80/77, BFHE 130, 155, BStBl II 1980, 687, mit weiteren Nachweisen). Die Sache liegt dann - wie meist - anders, wenn Grundstückseigentümer als solche zu Beiträgen herangezogen werden, der Beitrag sich somit nicht auf eine bestimmte Nutzung des Grundstücks bezieht.

Aus diesem Grunde hat der VIII. Senat in dem Urteil in BFHE 130, 155, BStBl II 1980, 687 die Beteiligung eines Unternehmers an den Kosten des Ausbaus der zu seinem Betriebsgrundstück führenden öffentlichen Straße wegen der starken Benutzung durch seine Fahrzeuge als sofort abziehbare Betriebsausgaben angesehen. Der Umstand, daß in einem solchen Falle ein wirtschaftlicher Vorteil erlangt wird, der als immaterielles Wirtschaftsgut behandelt werden könnte, führt nicht zu einer Aktivierung der Zahlung. Denn ein solches Wirtschaftsgut darf nur aktiviert werden, wenn es entgeltlich erworben wurde (§ 5 Abs. 2 EStG). Aufwendungen, die lediglich einen Betrag zu den Kosten einer vom Steuerpflichtigen mitbenutzten Einrichtung bilden, gehören zu den Aufwendungen für einen originären Erwerb, nicht zu den Aufwendungen für einen abgeleiteten Erwerb des Nutzungsvorteils (BFHE 130, 155, BStBl II 1980, 687).

2. Die vorstehenden Grundsätze sind auch auf Kanalbaubeiträge anzuwenden. Grundstücksanliegerbeiträge und Kanalbaubeiträge sind gleichzubehandeln (vgl. BFH-Urteil vom 3. August 1966 IV 290/63, BFHE 86, 710, BStBl III 1967, 600; vom 18. Juli 1972 VIII R 43/68, BFHE 106, 516, BStBl II 1972, 931, mit weiteren Nachweisen), Dieser Grundsatz ist auch auf den - hier vorliegenden - Fall anzuwenden, in welchem es darum geht, Aufwendungen für eine besondere Nutzung einer Kläranlage bilanzrechtlich zu beurteilen. Er führt im Streitfall dazu, daß die Aufwendungen der Klägerin nicht aktiviert werden dürfen, weil sie durch den besonderen, von der Klägerin auf ihren Grundstücken ausgeübten Betrieb bedingt waren. Sie konnten daher allenfalls als Aufwendungen für ein (originäres) immaterielles Wirtschaftsgut, aber nicht als solche für den Grund und Boden angesehen werden.

III. Der erkennende Senat hat keine rechtlichen Bedenken gegen die Rückstellung der Vergleichssumme in der Schußbilanz des Streitjahres. Dem vor dem VGH abgeschlossenen Prozeßvergleich vom 20. März 1974 kam klarstellende Bedeutung zu. Denn nach dem Wortlaut des Vergleiches bezweckte die Zahlung der Vergleichssumme, sämtliche Ansprüche der Stadt gegen die Klägerin aus dem Bau der Kläranlage abzugelten.

Gleichwohl ist die Sache nicht spruchreif. Der Senat kann die einheitliche Gewinnfeststellung nicht selbst vornehmen, weil hierzu noch Feststellungen über die Auswirkungen des Betriebsausgabenabzugs auf den Gewinn der Klägerin, vor allem wegen der sich ändernden Gewerbesteuerbelastung, zu treffen sind. Die Sache wird deshalb an das FG zurückverwiesen.