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BFH-Urteil vom 10.11.1982 (II R 111/80) BStBl. 1983 II S. 116

Hat sich der Erblasser zur Belastung seines Grundstückes mit einem Erbbaurecht verpflichtet, dessen Bestellung bis zu dem - ungewissen - Zeitpunkt der Baureife hinausgeschoben wird, und erhält er von dem künftigen Erbbauberechtigten bis zu dem genannten Zeitpunkt ein dem Erbbauzins gleichwertiges "Nutzungsentgelt", so begründen diese Vereinbarungen keinen erbschaftsteuerrechtlich erheblichen Zahlungsanspruch des Erblassers.

ErbStG § 12 Abs. 1; BewG 1965 § 13.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I. Die Kläger sind die Erben der 1979 gestorbenen Frau B. Der vorliegende Rechtsstreit geht um eine Erbschaftsteuer, welche das beklagte Finanzamt (FA) gegen Frau B festgesetzt hat.

Anlaß der Steuerfestsetzung war der Tod der Frau A F im Jahre 1977. Diese war Hofvorerbin des 1965 gestorbenen H F gewesen; Hofnacherbin war Frau B.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob und ggf. wie die Ansprüche aus einem notariell beurkundeten Vertrag zu bewerten sind, den die Hofvorerbin 1974 mit der N Wohnungsbaugesellschaft (N) über ein zu dem Hof gehörendes Grundstück abgeschlossen hatte.

In dem Vertrag verpflichtete sich die Hofvorerbin, der N ein Erbbaurecht zu bestellen. "Die Bestellung des Erbbaurechts (sollte) erst erfolgen, wenn die planerischen Voraussetzungen für eine kurzfristige Bebauung gegeben sind und der endgültige Zuschnitt des mit dem Erbbaurecht zu belastenden Grundstücks ... feststeht" (§ 1 Abs. 1 und 2). Die zu errichtenden Bauwerke seien bei der Bestellung des Erbbaurechtes "gemäß den Erfordernissen der Bestimmungen der ErbbauVO näher zu bestimmen" (§ 2). Das Erbbaurecht sollte bis zum Jahre 2072 laufen und verlängert werden können (§§ 3 und 4). Die Hofvorerbin bevollmächtigte unwiderruflich - mit Wirkung auch gegen ihre Rechtsnachfolger - die N, alle für die Bestellung des Erbbaurechts notwendigen Erklärungen abzugeben. Von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wurde die N befreit (§ 1 Abs. 3). Die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruches auf Bestellung des Erbbaurechtes wurde bewilligt und beantragt (§ 23).

Für die Zeit bis zur Bestellung des Erbbaurechtes vereinbarten die Vertragschließenden einen "Nutzungsvertrag", wonach die N vom Tage der Übergabe des Grundstückes an alle Gebühren, sonstige Abgaben und Lasten tragen müsse (§ 1 Abs. 4, § 6 Abs. 4). Laut § 6 Abs. 1, 2 und 6 der Vereinbarung waren Besitz und Nutzungen an dem Grundstück bereits 1973 auf die N übergegangen. Trotzdem durfte die Hofvorerbin das Grundstück noch "bis zum jederzeit möglichen Abruf durch die N selbst weiter unentgeltlich landwirtschaftlich ... nutzen".

Nach § 8 des Vertrages hat die N "vom Übergabetag ... ab ein Nutzungsentgelt und vom Tage der Eintragung des Erbbaurechts im Grundbuch ab einen Erbbauzins" von .... DM jährlich an den Grundeigentümer zu zahlen.

Die Vertragspartner vereinbarten, daß die N "von diesem Vertrag zurücktreten (kann), wenn endgültig feststeht, daß eine Bebauung des Grundstücks wegen Fehlens planerischer Voraussetzungen (rechtsverbindlicher Bebauungsplan) oder einer Bodenordnung im Plangebiet aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hat, nicht möglich sein sollte" (§ 18).

Das FA war der Auffassung, der Vertrag nehme "bereits alle wirtschaftlichen Gegebenheiten eines Erbbaurechtsverhältnisses vorweg". Bei der Veranlagung zur Erbschaftsteuer erfaßte es daher den Anspruch auf das Nutzungsentgelt wie einen Anspruch auf Zahlung von Erbbauzinsen mit dem Gegenwartswert nach § 13 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965. Andererseits kürzte es den Einheitswert des auf die Hofnacherbin übergehenden Hofes um den (geschätzten) Wert des Grundstückes, an welchem der N das Nutzungsrecht überlassen worden war.

Der Einspruch der Hofnacherbin hatte nur insoweit Erfolg, als das FA ein Sparguthaben niedriger ansetzte und die Steuer ermäßigte.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) Hamburg durch Urteil vom 25. April 1980 V 50/79 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1980, 554) die Erbschaftsteuer auf 0 DM fest. Beim Tode der Hofvorerbin habe kein Erbbauzinsanspruch bestanden. Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung habe wie eine Mietzinsforderung aus laufendem Mietvertrag nicht selbständig bewertet werden können.

Mit seiner Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil läßt keine Rechtsverletzung erkennen. Entgegen der Ansicht des FA war in der Hand der Hofvorerbin bis zu deren Tod kein Zahlungsanspruch entstanden, der bei der Veranlagung zur Erbschaftsteuer zu berücksichtigen war.

1. a) Einen Anspruch auf Zahlung von Erbbauzinsen, der ein Recht auf wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 13 BewG 1965 hätte sein können, hatte die Hofvorerbin nicht gehabt. Bis zum Todestag war kein Erbbaurecht eingetragen worden.

b) Daß sich die Hofvorerbin in dem Vertrag schon schuldrechtlich zur Bestellung des Erbbaurechts verpflichtet hatte, reicht im vorliegenden Fall nicht aus, den angefochtenen Steuerbescheid zu rechtfertigen. Die (dingliche) Bestellung des Erbbaurechtes war auf den unabsehbaren Zeitpunkt hinausgeschoben, zu welchem feststehen würde, daß das Grundstück kurzfristig würde bebaut werden können (§ 1 Abs. 2 des Vertrages). Die Vertragspartner zogen sogar in Erwägung, daß diese Bebauung überhaupt nicht möglich sein werde; denn sie hatten für diesen Fall der N ein Rücktrittsrecht vorbehalten (§ 18 Abs. 1 des Vertrages). Diese Situation hatte sich am Todestag der Hofvorerbin nicht geändert. Damit stand an diesem für die Bewertung maßgebenden Stichtag nicht fest, ob das Erbbaurecht überhaupt einmal entstehen würde.

Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Möglichkeit, mit dem FA den Sachverhalt erbschaftsteuerrechtlich so zu würdigen, als sei am Stichtag bereits ein Erbbaurecht entstanden und das Nutzungsentgelt aus dem Vertrag deshalb wirtschaftlich als Erbbauzinsanspruch anzusehen. Das Erbschaftsteuerrecht knüpft grundsätzlich an bürgerlich-rechtliche Vorgänge an. Dabei ist es zwar möglich, daß eine dinglich-rechtliche Änderung auch schon dann erbschaftsteuerrechtlich maßgebend ist, wenn sie unmittelbar bevorsteht. Dementsprechend kann die Zuwendung eines Grundstückes bereits im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) ausgeführt sein, wenn die Auflassung erklärt sowie die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch beantragt und bewilligt wird, sofern die Umschreibung des Grundstückes im Grundbuch demnächst zu erwarten ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. März 1979 II R 67/76, BFHE 127, 437, BStBl II 1979, 642). Diesem Fall ist der vorliegende Sachverhalt aber nicht vergleichbar; denn hier war - wie ausgeführt - offen, ob das Erbbaurecht jemals für die N bestellt werden und ein Erbbauzinsanspruch entstehen würde. Deshalb sieht der Senat hier auch keine Parallele zu dem Fall des Urteils vom 30. März 1977 II R 143/66 (BFHE 122, 152, BStBl II 1977, 556). Dort hatte sich der Erblasser zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück verpflichtet, ohne daß diese Übereignungsverpflichtung zeitlich hinausgeschoben worden wäre. Der Senat hat damals bei der Bewertung des Nachlasses einerseits das Grundstück und die Übereignungsverpflichtung sowie andererseits die Kaufpreisforderung berücksichtigt.

c) Das FA meint, gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) habe das Grundstück am Todestag der Hofvorerbin der N zugerechnet werden müssen. Dementsprechend sei das "Nutzungsentgelt eine Gegenleistung für die - vollzogene - Grundstücksüberlassung zu - wirtschaftlichem - Eigentum an die N..". Der Kapitalwert dieser Gegenleistung sei dem Nachlaß zuzurechnen.

Mit diesem Argument kann das FA keinen Erfolg haben, denn es beruft sich damit auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise, während das Erbschaftsteuerrecht - wie oben unter 1 b ausgeführt wurde - grundsätzlich an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpft. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 besteuert ausdrücklich den Erbanfall nach § 1922 BGB. Ein derartiger Erbanfall kann Gegenstände nicht deshalb ausklammern, weil sie "wirtschaftliches Eigentum" eines anderen als des Erblassers waren. Eine allenfalls ähnliche Wirkung kann die Bestellung eines dinglichen Rechtes für einen Dritten haben, wenn dieses Recht in seiner Wirkung dem "wirtschaftlichen Eigentum" entspricht. Als solches Recht kommt hier ein Erbbaurecht in Betracht. Ein solches Recht stand aber der N bis zum Todestag der Hofvorerbin nicht zu.

War das - von dem FA behauptete - wirtschaftliche Grundstückseigentum der N erbschaftsteuerrechtlich unerheblich, so hat damit auch die Gegenleistung in Form des "Nutzungsentgeltes" keine erbschaftsteuerrechtliche Bedeutung.

Der Senat verkennt nicht, daß damit im Bereich der Erbschaftsteuer die Geltung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 eingeschränkt wird. Eine Erbschaftsteuer kann sich aber nur aufgrund rechtlicher Beurteilung ergeben (BFH-Urteil vom 30. Juni 1960 II 254/57 U, BFHE 71, 266, BStBl III 1960, 348). Überdies hat der Senat schon mehrfach zu § 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) als der Vorgängervorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 entschieden, daß diese Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei und daher naturgemäß für Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen, allenfalls begrenzt gelte (vgl. z.B. für die Grunderwerbsteuer die Urteile vom 3. April 1974 II 186/65, BFHE 112, 531, BStBl II 1974, 643, und vom 23. Oktober 1974 II R 87/73, BFHE 114, 124, BStBl II 1975, 152 sowie für die Kapitalverkehrsteuer die Urteile vom 21. Juli 1976 II R 192/72, BFHE 120, 70, BStBl II 1977, 4; vom 12. April 1978 II R 149/73, BFHE 125, 81, BStBl II 1978, 422, und vom 8. August 1979 II R 99/78, BFHE 129, 71, BStBl II 1980, 50).

2. Standen der Hofvorerbin demnach keine Leistungen i.S. des § 13 BewG 1965 aus dem Vertrag zu, so erweist sich dieser als ein schwebendes, in Leistung und Gegenleistung ausgewogenes Rechtsgeschäft. Die Hofvorerbin hielt das Grundstück für die N zur Verfügung und erhielt dafür laufend ein Entgelt.

 

   
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