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BFH-Urteil vom 17.12.1982 (III R 92/80) BStBl. 1983 II S. 192

Vorteile, die eine Kapitalgesellschaft aus der Verbindung zu anderen Unternehmen der Anteilsinhaber zieht, sind im Rahmen der Anteilsbewertung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 f. VStR) weder bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes noch bei der des gemeinen Werts durch einen Abschlag zu berücksichtigen.

BewG 1965 § 11 Abs. 2 Satz 2; VStR 1977 Abschn. 78 Abs. 2, 79 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt den Handel mit Kraftfahrzeugen (Kfz) sowie eine Reparaturwerkstatt. Sie ist aus dem Zweigbetrieb der ... Handels-GmbH hervorgegangen, der - wie die übrigen Zweigbetriebe - seit dem 1. Januar 1967 in der Rechtsform der GmbH betrieben wird. Durch die rechtliche Verselbständigung der Zweigbetriebe ist eine Änderung in der Vertriebsorganisation nicht eingetreten. Es besteht weder eine Organschaft noch eine Ergebnisabführungsvereinbarung. Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin ist X, der die Klägerin - wie die übrigen verselbständigten Zweigbetriebe der Unternehmensgruppe - einheitlich vom Sitz des Zentralunternehmens in Y aus leitet. Zwischen der Handels-GmbH und der Klägerin besteht ein Verwaltungsvertrag, aufgrund dessen die Handels-GmbH verschiedene Verwaltungs- und sonstige Arbeiten für die Klägerin verrichtet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte den gemeinen Wert der GmbH-Anteile an der Klägerin zum 31. Dezember 1976 gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. Abschn. 76 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien 1977 (VStR) auf ..... DM je 100 DM des voll eingezahlten Stammkapitals fest.

Die Klägerin begehrt einen Abschlag mit der Begründung, daß die Unternehmensgruppe faktisch ein Konzern sei. Die durch den Konzernverbund gesteigerte Ertragskraft der Klägerin sei in hohem Maße abhängig von der persönlichen Qualifikation des Managements. Personenbezogene Erfolgsfaktoren hätten jedoch bei der Unternehmensbewertung gemäß § 9 BewG außer Ansatz zu bleiben.

Das FA lehnte es - auch im Einspruchsverfahren - ab, einen Abschlag gemäß Abschn. 78 Abs. 2 VStR oder nach Abschn. 79 Abs. 3 VStR zu gewähren. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin rügt mit der Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 11 Abs. 2 BewG.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Vorteile, die eine GmbH aus der Verbindung zu anderen Unternehmen der Anteilsinhaber sowie aus der einheitlichen Geschäftsführung von organschaftsähnlich verbundenen Unternehmen zieht, sind im Rahmen der Anteilsbewertung nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 ff. VStR) weder bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes noch bei der des gemeinen Werts durch einen Abschlag zu berücksichtigen.

1. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ist für die Bewertung nichtnotierter GmbH-Anteile der gemeine Wert maßgebend. Läßt sich dieser - wie im Streitfall - nicht aus Verkäufen ableiten, so ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. FA und FG haben den gemeinen Wert zutreffend nach den Grundsätzen des Stuttgarter Verfahrens ermittelt. Dieses Verfahren wurde von der Finanzverwaltung entwickelt, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Anwendung einfacher und für alle Unternehmen im wesentlichen gleicher Schätzungsmethoden zu gewährleisten. Der Senat hat es stets als brauchbares und für die Einheitlichkeit der Bewertung geeignetes Verfahren anerkannt (zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Oktober 1981 III R 27/77, BFHE 134, 167, BStBl II 1982, 8).

2. Bei der Berechnung des Ertragshundertsatzes ist das FA von dem voraussichtlichen künftigen Jahresertrag ausgegangen. Zu Recht hat es der Schätzung des Jahresertrags den Durchschnittsertrag der Jahre 1974 bis 1976 zugrunde gelegt und hierauf einen Abschlag von 30 % gewährt (Abschn. 78 Abs. 5 VStR). Es ist nicht zu beanstanden, daß es FA und FG ablehnten, im Streitfall einen Abschlag vom Jahresertrag gemäß Abschn. 78 Abs. 2 VStR zu gewähren. Zwar kann ein solcher Abschlag bei Gesellschaften in Betracht kommen, bei denen ohne Einsatz eines größeren Betriebskapitals der Ertrag ausschließlich und unmittelbar von der in der Art eines freien Berufes oder einer in vergleichbarer Weise ausgeübten Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängig ist. Anhaltspunkte dafür, daß diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen könnten, sind nach den insoweit nicht angegriffenen und daher den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) nicht erkennbar. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß die Klägerin mit einer Rendite von rd. 18 % arbeitet. Mit dem FG ist der erkennende Senat der Auffassung, daß es sich bei den Vorteilen aus dem Konzernverbund um sachliche Gegebenheiten handelt, die der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zwar als einem zu dem Konzernverbund gehörenden Unternehmen hat nutzbar machen können. Dies sind jedoch keine wertsteigernden Umstände, die ausschließlich und unmittelbar auf der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers selbst beruhen.

3. Zu Recht haben es FA und FG abgelehnt, die Vorteile aus dem Konzernverbund bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile (Abschn. 79 VStR) durch einen Abschlag auszugleichen. Gemäß Abschn. 79 Abs. 3 VStR dürfen besondere Umstände, die bei der Ermittlung von Vermögens- und Ertragswert sowie dem hieraus gebildeten gemeinen Wert nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen sind, durch Zu- und Abschläge berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein fiktiver Erwerber der Anteile den wertsteigernden Einfluß der Vorteile, die die Klägerin aus dem Konzernverbund zieht, als wertmindernden Umstand in seine Kaufpreisüberlegungen einbeziehen würde. Nach der auch bei der Anteilsbewertung anwendbaren Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG bestimmt sich der gemeine Wert durch den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach Beschaffenheit des zu bewertenden Wirtschaftsguts bei der Veräußerung erzielbar wäre. Bei der Bemessung dieses Preises ist von der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts in seiner am Stichtag konkret vorhandenen Gestalt mit allen zu diesem Zeitpunkt für den Wert relevanten Eigenschaften auszugehen. Denn der Inhaber von Wirtschaftsgütern soll durch die an den gemeinen Wert anknüpfenden Steuern mit demjenigen Wert belastet werden, den diese Wirtschaftsgüter unter den für ihn am Stichtag maßgebenden Verhältnissen haben. Hypothetischer Verkauf zwecks Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist demnach ein Verkauf, bei dem unterstellt wird, daß die Kapitalgesellschaft unter Fortbestand der auf dem Konzernverbund beruhenden Vorteile wie bei den gegenwärtigen Anteilsinhabern fortgeführt wird. Dies hat zur Folge, daß wegen der Vorteile, die eine Kapitalgesellschaft aus einer über die Anteilsinhaber hergestellten Verbindung mit anderen Unternehmen zieht, bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile an der Kapitalgesellschaft ein Abschlag regelmäßig nicht gewährt werden darf. Die abweichende Auffassung der Klägerin verkennt, daß hier nicht der gemeine Wert der GmbH als solcher, sondern der der Anteile an ihr zu ermitteln ist. Bei der Ermittlung des gemeinen Werts von GmbH-Anteilen darf indes das Ausscheiden aus einem bestehenden Konzernverbund nicht unterstellt werden.

Der erkennende Senat folgt der Klägerin auch nicht darin, daß es sich bei den Vorteilen aus dem Konzernverbund um ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse handelt, die bei der Ermittlung des gemeinen Werts nach § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG nicht zu berücksichtigen sind. Nach der zutreffenden Auffassung des FG wäre vielmehr ein Verkauf von Anteilen, bei dem die GmbH aus der Konzernverbindung herausgelöst würde, ein Verkauf unter ungewöhnlichen Verhältnissen, weil ein Teil eines wirtschaftlichen Ganzen - des planmäßig aufgebauten und auf Fortbestand angelegten Konzerns - für sich allein veräußert würde.