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BFH-Urteil vom 16.11.1982 (VIII R 175/79) BStBl. 1983 II S. 212

Die Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse nach § 9 des Schleswig-Holsteinischen Kommunalabgabengesetzes vom 10. März 1970 erhöht die Gebäudeherstellungskosten.

EStG § 7, § 7b.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete auf seinem Grundstück in X ein Einfamilienhaus, das er am 1. Mai 1977 fertigstellte und selbst bezog. Er wurde durch bestandskräftigen Bescheid der Stadt X vom 28. Juni 1976 zu einer "Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse" von 2.100 DM herangezogen. Der Abgabenbescheid stützte sich auf § 9 des Schleswig-Holsteinischen Kommunalabgabengesetzes vom 10. März 1970 - KAG - (Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein - GVOBI SH - 1970, 44) und auf die Satzung der Stadt X vom 16. Juli 1970.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte es bei der Einkommensteuerveranlagung 1977 des Klägers ab, den Abgabenbetrag in die Herstellungskosten des Gebäudes einzubeziehen, die nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) Bemessungsgrundlage für erhöhte Absetzungen sind. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1980, 14): Die Abgabe sei eine Aufwendung für den Grund und Boden, denn sie werde nur einmalig erhoben und gehe im Falle einer Vernichtung des Gebäudes nicht verloren. Unerheblich sei, daß sie anläßlich der Erteilung der Baugenehmigung erhoben werde. Nicht gefolgt werden könne dem Bundesfinanzhof - BFH - (Urteil vom 11. März 1976 VIII R 212/73, BFHE 118, 437, BStBl II 1976, 449), der den vergleichbaren Ansiedlungsbeitrag nach § 17 des Preußischen Ansiedlungsgesetzes (PrAnsG) als Gebäudeherstellungskosten angesehen habe.

Der Kläger rügt mit der Revision unrichtige Anwendung des § 7 b EStG. Er weist darauf hin, daß auch andere Aufwendungen, die anläßlich eines Wiederaufbaues nicht erneut aufzubringen seien, nicht dem Grund und Boden zugerechnet würden, z. B. die Kosten des Architekten oder Statikers bei unverändertem Wiederaufbau.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und weitere erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG von 105 DM (5 % von 2.100 DM) anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Neufestsetzung der Einkommensteuer nach dem Antrag des Klägers. Die Abgabe nach § 9 KAG gehört zu den Gebäudeherstellungskosten und erhöht die Bemessungsgrundlage für erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG. Sie ist entgegen der Auffassung des FA und des FG nicht dem Grund und Boden zuzurechnen.

Der Senat hat in dem Urteil in BFHE 118, 437, BStBl II 1976, 449 den Ansiedlungsbeitrag nach § 17 PrAnsG als Gebäudeherstellungskosten beurteilt. Dem liegt die in der späteren Rechtsprechung fortgeführte Auffassung zugrunde, daß Aufwendungen, die sich auf eine besondere Nutzung des Grundstücks - z. B. den Bau von Wohnungen oder die gewerbliche Nutzung - beziehen, nicht als Anschaffungskosten des Grund und Bodens behandelt werden können (siehe BFH-Urteile vom 26. Februar 1980 VIII R 80/77, BFHE 130, 155, BStBl II 1980, 687; vom 25. August 1982 I R 130/78, BFHE 136, 409, BStBl II 1983, 38). In der Entscheidung in BFHE 118, 437, BStBl II 1976, 449 wurde bereits auf § 9 KAG und dessen Ähnlichkeit mit § 17 PrAnsG hingewiesen. Dementsprechend hat es der Senat in dem nicht veröffentlichten Beschluß vom 7. März 1978 VIII B 26/76 als nicht ernstlich zweifelhaft angesehen, daß die Abgabe nach § 9 KAG ebenfalls zu den Gebäudeherstellungskosten gehört.

§ 9 KAG löste § 17 PrAnsG ab und zielte darauf ab, den Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf Folgelasten für Bauten innerhalb geschlossener Ortslagen zu erweitern (Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucksache VI/920 S. 29). Auch § 9 KAG ist inzwischen aufgehoben worden (Art. 2 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes vom 18. Dezember 1979, GVOBI SH 1979, 526). Die nach § 9 KAG erhobene Abgabe diente während ihres Geltungszeitraums - auch im Streitjahr - der Deckung gemeindlicher Aufwendungen, die durch eine Neuordnung der Gemeinde- und Schulverhältnisse oder sozialer Einrichtungen infolge von Baumaßnahmen erforderlich wurden. Sie wurde von den Bauherren erhoben und war entsprechend der Zahl und Größe der Wohnungseinheiten zu bemessen, die durch die Baumaßnahmen entstanden; maßgeblich war die Baugenehmigung (§ 9 Abs. 1 KAG). Die Abgabe knüpfte somit eindeutig an die Bautätigkeit an. Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben die Abgabe den Gebäudeherstellungskosten zugerechnet. Das BVerwG hat dargelegt, die Abgabe "treffe den Bauherrn unabhängig vom Eigentum oder seinem sonstigen Recht am Grundstück und belaste den einmaligen Aufwand für die Herstellung des Wohnungsbauwerks" (Urteil vom 30. November 1973 VII C 78.72, BVerwGE 44, 202, 206). Das BVerfG hat die Abgabe als Steuer qualifiziert und in ihr einen "einmaligen Kostenfaktor im Rahmen der Herstellungskosten" gesehen (Beschluß vom 12. Oktober 1978 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343, 357).

Die vom FG festgestellte Satzung der Stadt X vom 16. Juli 1970 bestätigt den Zusammenhang der Abgabe mit der Nutzung des Grundstücks durch Bebauung. Nach § 2 der Satzung entstand die Abgabenschuld mit der Erteilung der Baugenehmigung. § 3 staffelte die Abgabe nach der Zahl der errichteten Wohnungseinheiten und der Größe der einzelnen Wohnungseinheiten. Nach § 5 wurde die Abgabe mit dem Baubeginn fällig.

Das FG hält demgegenüber den Zusammenhang der Abgabe mit dem Bau des Einfamilienhauses für unerheblich. Es geht davon aus, daß die Abgabe im Falle einer Vernichtung des Gebäudes und seines Wiederaufbaues nicht erneut erhoben werden dürfe. Diese Auslegung des § 9 KAG, die einem allgemeinen Grundsatz des Erschließungskostenrechts entspricht und zudem in § 9 Abs. 4 KAG eine Stütze hat, ist als Auslegung von Landesrecht für den Senat verbindlich (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Hiervon ausgehend möchte das FG einen Aufwand für den Grund und Boden annehmen, weil die Abgabe im Falle einer Vernichtung des Gebäudes nicht verlorengeht (siehe bereits das Urteil des FG vom 7. August 1973 III 44/72, EFG 1974, 10, das dem Urteil des Senats in BFHE 118, 437, BStBl II 1976, 449 voranging). Dieselbe Überlegung stellt Uelner an (Steuerberater-Jahrbuch - StBJb - 1976/77, 131, 162 unter Hinweis auf Abschn. 33 Abs. 8 EStR).

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß Abschn. 33 Abs. 8 der Einkommensteuer-Richtlinien (bis 1975) sich weder zum Ansiedlungsbeitrag nach § 17 PrAnsG äußerte noch den erwähnten systematischen Grundgedanken erkennen ließ. Im übrigen kann nicht anerkannt werden, daß einmalig erhobene Bauabgaben stets dem Grund und Boden zuzurechnen sind. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, daß es zahlreiche Gebäudeaufwendungen gibt, die im Falle eines Wiederaufbaues nicht erneut aufzubringen und dennoch Kosten der Bebauung und Gebäudeherstellungskosten sind, z. B. gewisse Bauplanungskosten. Entscheidend ist, daß solche Aufwendungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bebauung stehen. Fallen sie einmalig an, verbilligen sie eine Zweitbebauung, sind jedoch nicht Aufwendungen für den Grund und Boden. Zwar hat der BFH bei der Zurechnung von Anlieger- und Kanalisationsbeiträgen zum Grund und Boden auch darauf abgestellt, daß eine Wertsteigerung des Grundstücks unabhängig von der Zerstörung oder dem Abriß eines aufstehenden Gebäudes eintrete (Urteile vom 18. September 1964 VI 100/63 S, BFHE 81, 233, BStBl III 1965, 85; vom 3. August 1966 IV 290/63, BFHE 86, 710, BStBl III 1967, 600). Diese Erwägung ist jedoch nicht als allein maßgeblich angesehen worden. Sie steht, für sich genommen, der Behandlung eines einmaligen Beitrags als Gebäudeherstellungskosten nicht entgegen.

Soweit ein gedachter Grundstückserwerber, wie das FA geltend macht, die Abgabe im Grundstückspreis ersetzen würde, würde eine solche Zahlung auf das Gebäude entfallen. Der Ansiedlungsbeitrag nach § 17 PrAnsG und die Abgabe nach § 9 KAG sind entgegen der Auffassung des FA nicht deswegen unterschiedlich zu behandeln, weil der Ansiedlungsbeitrag Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung ist, während die Abgabe nach § 9 KAG lediglich anläßlich der Erteilung der Baugenehmigung entsteht. In beiden Fällen ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Bebauung gegeben, der allerdings im ersten Fall durch das Bedingungsverhältnis besonders stark ist, aber auch im zweiten Fall zu bejahen ist, weil die Abgabe mit Erteilung der Baugenehmigung entsteht und bei Baubeginn fällig wird.