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BFH-Urteil vom 10.3.1983 (V R 143/76) BStBl. 1983 II S. 401

1. Der Arrest gewährt einen Vollstreckungstitel hinsichtlich einer bestimmten Steuerforderung; ein "Austausch" des Arrestanspruches durch das Finanzgericht ist nicht möglich.

2. Arrestgrund ist allein die Besorgnis der Erschwerung oder Vereitelung der Vollstreckung; die Tatsachen, die ihn auf den Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung belegen, können erweitert oder ersetzt werden.

RAO § 378; AO 1977 § 324.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Mit Verfügung vom 12. März 1976 hat das beklagte Finanzamt den dinglichen Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klägers angeordnet. Der Arrest sollte der Sicherung von Ansprüchen auf Einkommensteuer, Ergänzungsabgabe und Stabilitätszuschlag für 1972, 1973 und 1974 im Gesamtbetrag von rd. 372.100 DM dienen. Den Arrestgrund sah das Finanzamt darin, daß der Kläger - wie aus seinem Brief vom 3. Februar 1976 hervorgehe - beabsichtige, mit seiner Freundin, einer verwitweten Österreicherin, nach Österreich auszuwandern. Es sei zu befürchten, daß der Kläger vor der Auswanderung sein bereits erheblich belastetes Vermögen noch bis zur Grenze des Möglichen belasten werde. Bei einem Zuwarten bestehe die Gefahr, daß die Steueransprüche nicht realisiert werden könnten.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Arrestanordnung; des weiteren begehrt er, das Finanzamt zu verpflichten, die in Vollziehung des Arrestes erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben, insbesondere zwei Briefe über Eigentümergrundschulden von je 50.000 DM an den Kläger herauszugeben.

Während des Klageverfahrens hat das Finanzamt den gesicherten Anspruch berichtigt und die Nachholung an Einkommensteuer, Ergänzungsabgabe und Stabilitätszuschlag für die genannten Jahre auf nunmehr 330.001, - DM beziffert. Es hat darüber hinaus Umsatzsteuerforderungen für die Jahre 1971 bis 1974 von insgesamt 415.768, - DM geltend gemacht.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es sei zwar nicht davon auszugehen, daß eine Auswanderung des Klägers unter Mitnahme seines Vermögens unmittelbar bevorstehe. Zum Arrestgrund sei aber maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht abzustellen. Der Arrest sei deshalb im Hinblick auf eine mögliche Veräußerung des Grundbesitzes in B (Maklerauftrag vom Februar 1976) in Verbindung mit der Vortäuschung eines Kaufvertrages zwischen ihm und der Zeugin K und der damit in Zusammenhang stehenden Vorgänge gerechtfertigt. Es handle sich bei dem Grundbesitz um den wertvollsten Vermögensgegenstand des Klägers.

Zum Arrestanspruch hat das Finanzgericht ausgeführt, die Arrestanordnung sei mit Rücksicht auf die Nachforderung an Umsatzsteuer jedenfalls in voller Höhe aufrechtzuerhalten. Ergänzend führt das Finanzgericht aus, auch die Voraussetzungen für nicht unerhebliche Nachforderungen an Einkommensteuer für die in der Arrestanordnung genannten Veranlagungszeiträume seien gegeben. Es hat sich jedoch nicht näher damit auseinandergesetzt.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er ist der Auffassung, die angefochtene Arrestanordnung habe vom Finanzgericht nur darauf überprüft werden können, ob sie im Zeitpunkt ihres Ergehens rechtmäßig gewesen sei. Die Auswechslung von Arrestanspruch und Arrestgrund durch das Finanzgericht sei rechtsfehlerhaft.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Der Arrest dient der Sicherung künftiger Vollstreckung von steuerlichen Geldforderungen (§ 378 Abs. 1 RAO, § 324 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Voraussetzungen der Anordnung eines Arrestes sind das (glaubhafte) Bestehen einer bestimmten Geldforderung (Arrestanspruch) sowie die Besorgnis, daß ohne seine Ausbringung die Vollstreckung (Erzwingung der Leistung, vgl. § 378 RAO; Beitreibung, vgl. § 324 AO 1977) vereitelt oder wesentlich erschwert wird (Arrestgrund).

1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das Finanzgericht zu Unrecht den Arrestanspruch ausgewechselt hat.

Der Arrest gewährt einen Vollstreckungstitel hinsichtlich einer bestimmten Steuerforderung, zwar nicht zum Zwecke der Befriedigung des Anspruchs, wohl aber zum Zwecke seiner Sicherung. Die dem Grunde nach bestehende, wenn auch noch nicht abschließend festgestellte Steuerforderung wird demgemäß in gleicher Weise zum Inhalt der Arrestanordnung wie im Steuerbescheid eine bestimmte Forderung Inhalt der Steuerfestsetzung ist. Der zu sichernde Anspruch kann folglich nicht durch einen anderen ersetzt werden; d. h. die Aufrechterhaltung des Arrestes ist an das Vorliegen des bestimmten, dem Grunde nach bezeichneten Steueranspruchs gebunden. Deshalb kann weder die Oberfinanzdirektion im Beschwerdeverfahren noch das Finanzgericht im Klageverfahren den Arrestanspruch "austauschen", weil solcherart eine neue Arrestanordnung und damit ein gegenüber dem angefochtenen Verwaltungsakt anderer Verwaltungsakt erlassen würde (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, AO/FGO, 13. Aufl., Bem. 7 zu § 324 AO). Das wäre weder mit der Funktion der Oberfinanzdirektion im Beschwerdeverfahren als behördlichem Kontrollverfahren noch mit der Rechtsschutzfunktion des Finanzgerichts zu vereinbaren. Der sich auf das Urteil des RFH vom 3. April 1935 VI A 219/35 (RStBl 1935, 694) stützenden Ansicht von Kruse in Tipke/Kruse (AO/FGO, 7. Aufl., Tz. 21 zu § 378 RAO und 10. Aufl., Tz. 18 zu § 324 AO 1977), daß der Arrestanspruch auswechselbar sei (ähnlich Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 6. Aufl., Tz. 22 c zu § 378 RAO und 8. Aufl., Tz. 88 zu § 324 AO 1977), schließt sich der Senat nicht an.

2. Der Senat kann nicht in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil die Feststellungen des Finanzgerichts ihm eine Prüfung hinsichtlich der mit der Arrestanordnung geltend gemachten Steuerforderungen nicht ermöglichen und die Ausführungen des Finanzgerichts zum Arrestgrund keinen Rechtsfehler erkennen lassen.

Ein Arrest ist nur dann rechtmäßig, wenn im Zeitpunkt seines Erlasses ein Arrestgrund gegeben ist. Denn anderenfalls würde der Arrestgläubiger eine Sicherung erhalten und behalten, die ihm einen ungerechtfertigten Vollstreckungsvorteil gegenüber anderen Vollstreckungsgläubigern verschafft.

Arrestgrund ist die Besorgnis der Erschwerung oder Vereitelung der Vollstreckung. Die Tatsachen, die den Arrestgrund auf den Zeitpunkt des Ergehens der Arrestanordnung belegen, können erweitert oder ersetzt werden. Ob sie dem Finanzamt im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung ganz oder teilweise bekannt waren, ist unerheblich. Es genügen sogar solche Tatsachen, welche erst nach Erlaß der Arrestanordnung entstanden sind, aber den zwingenden Schluß rechtfertigen, daß eine konkrete Gefahr der Vollstreckungserschwerung oder -vereitelung bereits im Zeitpunkt des Ergehens der Arrestanordnung gegeben war. Ob die Ausführungen von Stein/Jonas (Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., Rdnr. 6 zu § 925) in diesem Sinne zu verstehen sind oder der Unterschied zwischen dem Arrestgrund und den diesen ausfüllenden Tatsachen verkannt ist, muß dahingestellt bleiben.

Unbeschadet dessen ist eine Arrestanordnung auch dann aufzuheben, wenn sie zwar rechtmäßig ergangen ist, der Arrestgrund aber im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weggefallen war.

Zutreffend hat das Finanzgericht in der nach außen zutage getretenen Absicht des Klägers, den wertvollsten Gegenstand seines Vermögens zu veräußern, im Hinblick darauf, daß im übrigen Vermögenswerte, die eine erfolgreiche Vollstreckung versprechen könnten, nicht vorhanden sind und unter Einbeziehung der übrigen im Tatbestand dargestellten Verhältnisse einen Arrestgrund im Sinne des § 378 Abs. 1 Satz 1 RAO gesehen. Die Auffassung des Klägers, der im Februar 1976 erteilte Maklerauftrag zum Verkauf des Grundstückes rechtfertige nicht die Annahme einer tatsächlich vorhandenen Verkaufsabsicht, vermag der Senat nicht zu teilen. Unter Berücksichtigung des übrigen Verhaltens des Klägers - Vorspiegelung eines Kaufvertrages usw. - ist die Besorgnis, der Kläger würde diesen Gegenstand der Vollstreckung entziehen, schon durch die Erteilung des Verkaufsermittlungsauftrages begründet.