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BFH-Urteil vom 26.1.1983 (II R 119/81) BStBl. 1983 II S. 423

Als Kapitalgesellschaft im Sinne des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1972 gelten auch Kommanditgesellschaften, deren persönlich haftender Gesellschafter eine offene Handelsgesellschaft ist, wenn die Mitglieder dieser offenen Handelsgesellschaft Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind.

KVStG 1972 § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1.

Vorinstanz: FG Bremen

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Erhöhung der Kommanditeinlage bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) in der Fassung vom 17. November 1972 der Gesellschaftsteuer unterliegt.

Die Klägerin besteht in der Rechtsform einer OHG & Co. KG. Persönlich haftende Gesellschafterin ist eine offene Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind. Die offene Handelsgesellschaft übt keine wirtschaftliche Tätigkeit aus, sondern hält ausschließlich die Komplementärbeteiligung. Die Einlage des Kommanditisten ist laut Handelsregistereintragung 1977 erhöht worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte wegen der Kapitalerhöhung Gesellschaftsteuer fest. Mit der Sprungklage, der das FA zugestimmt hat, machte die Klägerin geltend: § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG könne die Steuerpflicht nicht begründen, weil ihre - der Klägerin - persönlich haftende Gesellschafterin nicht eine der in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 KVStG genannten Gesellschaften, sondern eine offene Handelsgesellschaft sei. Der eindeutige Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 KVStG könne nicht zu ihren Ungunsten überschritten werden. Wie Satz 2 der genannten Vorschrift zeige, habe der Gesetzgeber die Steuerpflicht bei Kommanditgesellschaften, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern keine echte Kapitalgesellschaft gehöre, bewußt auf die Fälle der sogenannten doppelstöckigen Kommanditgesellschaft beschränkt.

Das Finanzgericht (FG) hat den angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheid aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die steuerbegründende Erweiterung des gesetzlichen Tatbestandes über den eindeutig die Steuerpflicht verneinenden Wortlaut hinaus könne nicht durch eine Berufung auf Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt werden, weil ansonsten die Gerichte die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit, der Gewaltenteilung und der Rechtssicherheit verletzen würden. Der Gesetzgeber trage das Risiko, evtl. eine Lücke der Besteuerung nicht geschlossen zu haben. Auch ein Konflikt zwischen dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und dem Prinzip der Rechtssicherheit könne nicht durch erweiternde Gesetzesauslegung gelöst werden. Schließlich sei die Steuerpflicht auch nicht aus § 42 der AO 1977 herzuleiten; weder könne der Klägerin die Absicht der Steuerumgehung nachgewiesen werden noch sei auszuschließen, daß andere als steuerliche Motive für die Wahl der Rechtsform der Klägerin mitentscheidend gewesen sein könnten.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG und beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision das FA ist begründet. Das Urteil des FG verletzt § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 KVStG.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG unterliegen der Gesellschaftsteuer Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden. Als Kapitalgesellschaft gelten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 u. a. Kommanditgesellschaften, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gehört.

1. Die Rechtsform der Klägerin baut auf den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Gesellschaft auf, die eine Handlungsgemeinschaft von Gesellschaftern zur Erreichung eines bestimmten Zweckes darstellt (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB - , § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). In neuerer Zeit ist in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung (Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - Hamburg vom 5. Dezember 1968 2 W 34/68, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1969, 1030; vgl. auch Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 4. Juli 1977 II ZB 4/77, Der Betrieb - DB - 1977, 1696) und im handelsrechtlichen Schrifttum (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl., S. 22; Schlegelberger/Geßler, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 105 Anm. 27; Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 25. Aufl., § 105 Anm. 1 C; Westermann, Handbuch der Personengesellschaften I, 118) allgemein anerkannt, daß Mitglied einer solchen Handlungsgemeinschaft eine weitere Personengesellschaft sein kann, sofern sie - wie die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft - über eine ausreichende Verselbständigung (Firma, Vertretungsregelung) verfügt, um - ähnlich wie eine juristische Person - in der Gesellschaft mit der erforderlichen Geschlossenheit auftreten zu können. Der gesellschaftsrechtliche Zusammenschluß mit dem einzigen Zweck, die persönliche Haftung in einer Kommanditgesellschaft zu übernehmen und deren Geschäfte zu führen, ist als kaufmännisches Handelsgewerbe mit dem Recht zur Firmenführung zu qualifizieren, weil dieser Gesellschaft als (Mit-) Trägerin aller Rechte und Pflichten der nichtrechtsfähigen Kommanditgesellschaft die kaufmännische Betätigung der Kommanditgesellschaft zuzurechnen ist (Fischer in Großkommentar Handelsgesetzbuch, § 105 Anm. 19a; Baumbach/Duden/Hopt, a. a. O., § 105 Anm. 1 J, mit weiteren Nachweisen).

2. Die Feststellung, daß eine die Geschäfte einer Kommanditgesellschaft führende Gesellschaft Kaufmannseigenschaft hat und als solche offene Handelsgesellschaft handelsrechtlich persönlich haftendes Mitglied einer Kommanditgesellschaft sein kann, erschöpft nicht die gesellschaftsteuerrechtliche Problematik, wer im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 KVStG zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft gehört.

Die offene Handelsgesellschaft ist als Personengesellschaft keine juristische Person. Träger aller Rechte und Pflichten sind die Gesellschafter. Die offene Handelsgesellschaft kann zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben (§ 124 Abs. 1 HGB), diese Rechte sind jedoch gemeinschaftliche Rechte ihrer (zur gesamten Hand berechtigten) Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB). Daraus folgt, daß die Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft an deren Beteiligung als persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft mitberechtigt sind. Mithin ist die Gesellschaft personenrechtlich nichts anderes als die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Mit Rücksicht darauf ist die Frage, wer zu den persönlich haftenden Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft gehört, nach dem Wortlaut des Gesetzes keineswegs eindeutig zu beantworten. Sprachlich läßt sich die Antwort sowohl auf die unter ihrer Firma handelnde offene Handelsgesellschaft als auch auf die (mit ihr rechtlich identischen) gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter beziehen. Es hängt jeweils davon ab, ob mehr auf die nach außen als geschlossene Einheit auftretende Gesellschaft oder mehr auf die Rechtsträgerschaft der Gesellschafter, die im Verhältnis zur Gesellschaft allein Rechtspersonen sind, abgestellt wird. Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 KVStG ist demnach auch dann erfüllt, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft "zwei Kapitalgesellschaften in gesamthänderischer Verbundenheit unter gemeinschaftlicher Firma gehören" (vgl. Meßmer, Steuerberater-Jahrbuch - StbJb - 1970/71, 235, 245 ff.; derselbe, DB 1971, 1034; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970 S. 79).

Allein diese Auslegung des Wortlauts entspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, so daß ihr unter mehreren möglichen Auslegungen der Vorzug zu geben ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. April 1970 II 56/65, BFHE 99, 255, 257, BStBl II 1970, 597). § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 KVStG hat den Zweck, die Zuführung von Kommanditkapital an solche Kommanditgesellschaften der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet, auch wenn die Vorschrift zur Abwehr von Umgehungen den Fall einschließt, daß außer der Kapitalgesellschaft eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1975 II R 49/71, BFHE 117, 396, BStBl II 1976, 121). Der Gesetzeszweck erfaßt somit auch die Kapitalzuführung auf die Kommanditanteile an solchen Kommanditgesellschaften, bei denen eine offene Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter Kapitalgesellschaften sind, als persönlich haftende Gesellschafterin erscheint.

§ 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 KVStG 1972 entspricht in dem hier maßgeblichen Umfang der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959. Die Auslegung dieser Vorschrift durch den Senat im Urteil in BFHE 117, 396, BStBl II 1976, 121 hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (Beschluß vom 30. April 1979 I BvR 1455/78, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 6, Rechtsspruch 47; DB 1979, 1679). Der Senat habe den Tatbestand mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungskriterien bestimmt, ihn aber nicht neu geschaffen oder ausgeweitet.

Der Senat folgt nicht der Ansicht des FG, daß Satz 2 des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG zu einer anderen Beurteilung zwinge. Der historische Gesetzgeber mag bei der Formulierung dieser Vorschrift von der Vorstellung ausgegangen sein, daß bei der Verschachtelung von Personengesellschaften die Gesellschafter der jeweils oberstöckigen Gesellschaft nicht bereits aufgrund des bürgerlichen Rechts zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der unterstöckigen Gesellschaft "gehören". Es kann aber nicht angenommen werden, diese Vorschrift des Gesellschaftsteuerrechts solle eine grundsätzliche Aussage zum Wesen von Gesamthandsgemeinschaften machen. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 KVStG soll allein (die zur Zeit seines Erlasses zweifelhaft gewesene Rechtslage) klarstellen; er soll nicht den objektiven Regelungsgehalt des Satzes 1 einschränken.

Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage ist unbegründet und daher abzuweisen. Das FA hat den angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheid zu Recht auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 KVStG gestützt.