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BFH-Urteil vom 26.4.1983 (VIII R 205/80) BStBl. 1983 II S. 502

Überläßt ein Vorbehaltsnießbraucher die Ausübung des Nießbrauchs an dem von ihm vermieteten Grundstück dem Eigentümer (§ 1059 BGB), dann sind Mieteinnahmen dem Eigentümer nur dann steuerlich zuzurechnen, wenn er durch rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme Vermieter des Grundstücks geworden ist.

EStG § 21 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Die Mutter der Kläger und Revisionsbeklagten zu 1. und 2. (Kläger) war Eigentümerin eines Grundstücks in A. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. März 1970 schenkte sie dieses Grundstück den durch einen Pfleger vertretenen Klägern zu 1. (geb. am 22. Juni 1952) und zu 2. (geb. am 24. April 1957) und behielt dabei sich und ihrem Ehemann den lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundstück vor. Der Nießbrauch wurde in das Grundbuch eingetragen.

Die Eltern verpflichteten sich am 3. April 1970 gegenüber den durch einen Pfleger vertretenen Klägern, sämtliche mit dem Grundstück zusammenhängenden Lasten zu tragen.

In der Vereinbarung vom 2. Januar 1975 "vermieteten" die Eltern das ihnen zustehende Nießbrauchsrecht an die Kläger für 500 DM monatlich. Gleichzeitig wurde die Vereinbarung vom 3. April 1970 auf die Dauer der "Vermietung" ausgesetzt. Die Mieter des auf dem Grundstück stehenden Gebäudes wurden vom Abschluß des Vertrages vom 2. Januar 1975 unterrichtet. Die Mieten wurden im folgenden auf ein Konto der Klägerin eingezahlt. Der Vater der Kläger wirkte bei der Verwaltung des Grundstücks unentgeltlich mit. Soweit die Verwaltung es erforderte, war er befugt, über das Konto der Kläger zu verfügen und Kredite aufzunehmen.

Die Kläger erklärten für das Streitjahr gemeinsame Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks in Höhe von 10.523 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab, weil den Klägern die erklärten Einkünfte nicht zuzurechnen seien. Der Vertrag vom 2. Januar 1975 sei steuerlich als Unterhaltsvereinbarung zu behandeln.

Mit der dagegen gerichteten Sprungklage machten die Kläger geltend, sie hätten durch die Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs eine originäre Einkunftsquelle erlangt. Ginge man von der vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsberechnung aus, sei der Mietpreis auch angemessen.

Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA, die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung gesondert festzustellen (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 177).

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und 180 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung (AO 1977).

Die Einkünfte seien den Eltern als Nießbrauchern zuzurechnen. Der Nießbrauch sei ihnen wirksam eingeräumt worden. Ihre rechtliche Stellung hätten sie nicht durch den "Mietvertrag" vom 2. Januar 1975 verloren, denn dieser Vertrag sei steuerlich nicht wirksam. Davon gehe das FG zwar auch aus, es komme aber zu Ergebnissen, die sich auch bei Anerkennung des Vertrags vom 2. Januar 1975 ergeben hätten.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie haben in der mündlichen Verhandlung ihren bisherigen Vortrag bestätigt, daß durch die Vereinbarung vom 2. Januar 1975 ein Parteiwechsel in den Mietverträgen nicht gewollt und auch nicht eingetreten sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FA war nicht verpflichtet, Einkünfte der Kläger aus der Vermietung des ihnen übertragenen Grundstücks gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO 1977 gesondert festzustellen, weil die Kläger nicht den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt haben (zu diesem Erfordernis vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Mai 1980 VIII R 63/79, BFHE 131, 212, BStBl II 1981, 295). Wie die Kläger selbst vortragen, waren sie im Streitjahr nicht Vermieter der Mietwohnungen (§§ 535 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Hierauf kommt es aber nach der Rechtsprechung des Senats entgegen der Ansicht der Kläger entscheidend an.

1. Vermieter war zunächst die Mutter der Kläger als Grundstückseigentümerin, dann waren möglicherweise Vermieter beide Eltern als Nießbraucher. Durch die Veräußerung des Grundstücks unter Vorbehalt des Nießbrauchs wurde die Vermieterstellung nicht berührt (vgl. Staudinger-Emmerich, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 577 Anm. 14). Auch durch die "Vermietung" des Nießbrauchs an die Kläger änderte sich die Stellung als Vermieter nicht ohne weiteres. Ob die "Vermietung" des Nießbrauchs im Wege der Auslegung (§ 157 BGB) als Vermietung des Grundstücks - so das FG - oder als entgeltlicher Vertrag über die Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs im ganzen (vgl. dazu Petzold in Münchner Kommentar, § 1059 Anm. 6) anzusehen ist, kann hier offenbleiben. Denn eine Vereinbarung sowohl in dem einen wie auch in dem anderen Sinn kann zwischen Nießbraucher und Eigentümer getroffen werden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 18. Dezember 1970 V ZR 31/68, BGHZ 55, 111, 115). In beiden Fällen sind die Kläger jedoch nicht kraft Gesetzes (§ 577 i. V. m. § 571 BGB) in das Mietverhältnis eingetreten, weil die Kläger durch die Vereinbarung vom 2. Januar 1975 nicht dinglich Berechtigte geworden sind und § 577 BGB nur diesen gegenüber wirkt (vgl. Staudinger-Emmerich, a. a. O., Anm. 1).

2. Vermieter könnten die Kläger mithin nur durch rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme, d. h. durch Vereinbarung mit den Eltern und Mietern oder durch Vereinbarung mit den Eltern unter Zustimmung der Mieter, geworden sein (vgl. dazu BGH-Urteile vom 29. Oktober 1957 VIII ZR 292/56, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1958, 90, und vom 29. November 1978 VIII ZR 263/77, BGHZ 72, 394, 398). Eine derartige Vereinbarung ist aber nach dem eigenen Vortrag der Kläger nicht getroffen worden. Die Ausführungen des FG, die Mieter seien von dem Vertrag vom 2. Januar 1975 in Kenntnis gesetzt worden und hätten ihre Mieten auf ein Bankkonto der Kläger gezahlt, woraus folge, daß die Kläger das Grundstück im eigenen Namen und für eigene Rechnung vermietet hätten, sind ohne Belang. Der Senat sieht dies als eine rechtliche Schlußfolgerung und keine Tatsachenfeststellung i. S. des § 118 Abs. 2 FGO an. Denn das FG stützt diese Aussage offensichtlich nur auf den Umstand, daß die Mieter über den Vertrag vom 2. Januar 1975 unterrichtet worden sind und die Miete auf das Konto der Kläger gezahlt haben.

3. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, daß derjenige, dem die Ausübung des Nießbrauchs überlassen wird (§ 1059 Satz 2 BGB), die aus dem Nießbrauch fließenden Rechte im Namen des Nießbrauchers, aber für eigene Rechnung ausübt (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 40. Aufl., § 1059 Anm. 2b). Wer eine gewerbliche Tätigkeit in fremdem Namen, aber für eigene Rechnung ausführt, kann Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes; BFH-Urteil vom 5. Juli 1978 I R 97/75, BFHE 126, 148, BStBl II 1979, 40). Um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, genügt dagegen ein Handeln in fremdem Namen und für eigene Rechnung nicht. Hierzu muß der Steuerpflichtige Träger der Rechte und Pflichten des Vermieters oder Verpächters aus dem Rechtsverhältnis der Vermietung oder Verpachtung sein, ebenso wie Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, wer Träger der Rechte und Pflichten des Überlassers aus dem Rechtsverhältnis der Überlassung von Kapital zur Nutzung ist (BFH-Beschluß vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272; vgl. auch die Unterscheidung "Tätigkeit" und "Rechtsverhältnis" in § 24 Nr. 2 EStG).

Bei dieser Rechtslage kommt es nicht darauf an, ob die zwischen Eltern und Klägern getroffenen Vereinbarungen auch schon wegen fehlender zivilrechtlicher Wirksamkeit einkommensteuerrechtlich keine Bedeutung erlangen können.